Man darf Kindern ruhig etwas zutrauen
Was sind Menschen eigentlich? Gibt es Engel wirklich? Wo wohnt die Seele? Diese und viele andere Fragen haben Simon, Ruben, Mike, Solveig, Malin und Florian mit nach Ehrendingen gebracht. Wie Mütter und Väter am besten darauf antworten, zeigte die Kinderphilosophin Eva Zoller Morf am zweieinhalbstündigen Kinderphilosophiekurs, zu dem der ortsansässige Frauenverein ins Kirchenzentrum geladen hatte.In der Philosophie gehe es darum, über die Welt und unser Leben nachzudenken, so die Referentin Eva Zoller Morf. «Man schaut die Welt an und staunt. Wer glaubt, dass man dazu nur den Kopf braucht, irrt.» Was neu erlernt werde, schlössen wir fest in unser Herz. «Learning by heart» hiesse das im Englischen. «Die deutsche Sprache kennt leider diesen Ausdruck nicht.»
Der Elefant hat keinen Spiegel
Eva Zoller Morf freut sich, dass der Kurs in Ehrendingen soviel Anklang findet. Ruben, Mike, Simon, Florian und Solveig und Malin sitzen trotz schönstem Herbstwetter an einem Mittwochnachmittag im Kirchgemeindehaus und denken eifrig mit. «Warum weiss der Elefant nicht, dass er ein Elefant ist?», fragt Solveig. «Bist du sicher, dass er es nicht weiss?», fragt Eva Zoller Morf zurück. «Er kann es doch gar nicht wissen, er hat keinen Spiegel», bringt sich Florian ein. «Vielleicht hat er bei den Menschen gehört, dass er ein Elefant ist», so ein anderes Kind. Eva Zoller Morf lässt die Kinder reden. Es gibt «kein richtig oder falsch». Jedes Kind darf sagen, was es denkt. Manche geben sich schnell zufrieden mit einer Antwort und forschen nicht weiter. Andere merken, dass sich aus einer Antwort auf eine Frage viele weitere Fragen ergeben. Und manchmal erntet eine Frage zuerst nur Schweigen. Zum Beispiel: «Was bringt uns Geld?» Erst als Eva Zoller Morf umformuliert und fragt: «Wie wäre es denn, wenn es kein Geld gäbe?», kommen die Antworten.
Sokratische Hebammenkunst
«Es gibt kleine und grosse Kinderfragen», meint die Referentin am Rande der Veranstaltung. «Die kleinen Fragen sind Informations- oder Wissensfragen, die sich beantworten lassen. Bei den grossen Fragen macht man am besten zuerst eine Denkpause und gibt dem Kind Hilfestellung, zum Beispiel mit Gegenfragen oder Beispielen, damit das Kind selbst eine Antwort auf die Frage suchen kann.» Dieses Werkzeug nennt man sokratische Hebammenkunst. Begründet hat diese Technik der antike Philosoph Sokrates, der seine Weise, zu philosophieren, so genannt haben soll. Die Mütter hören aufmerksam zu. Eine von ihnen, Barbara Finkenbrink, sagt: «Ich erhoffe mir von diesem Kurs ein Handwerkszeug gegen die Hilflosigkeit, die ich manchmal spüre im Umgang mit Kinderfragen.»
Wo war ich, bevor ich auf der Welt war
Die Kinder im Ehrendinger Kurs sind Erst- und Zweitklässler. «Mit Vier- bis Achtjährigen kann man schon sehr gut philosophieren», weiss Eva Morf Zoller. «Je jünger die Kinder, desto mehr arbeite ich mit der Fantasie und Geschichten. Bei älteren Kindern wird es dann rationaler.» Eine der beliebtesten Fragen bei Kindern im Vorschulalter sei: «Wo war ich, bevor ich auf der Welt oder in Mamis Bauch war?» Auch das Thema Tod interessiert.
Eine Frage der Prioritäten
Im Primarschulalter tauchen immer wieder moralische Fragen auf. Was darf man? Was nicht? «Die Erwachsenen trauen den Kindern manchmal zu wenig zu», resümiert Eva Morf Zoller. «Man muss den Kindern nicht immer gleich eine Antwort geben. Vieles finden sie mit unserem Zurückfragen auch selber heraus.» Dass im Kurs in Ehrendingen so viele Kinder waren, findet die Referentin toll. Leider füllen sich die Kurse kaum. Offensichtlich ist die Kinderphilosophie noch zu wenig bekannt oder Eltern setzen andere Prioritäten und bringen ihre Kinder lieber zum Reiten oder ins Tennis.Karin Pfister
www.kinderphilosophie.ch