Män­ner in Zei­ten des Umbruchs

Män­ner in Zei­ten des Umbruchs

Noch immer sind in Schwei­zer Fami­li­en die Väter mehr­heit­lich abwe­send. Gegen 90 Pro­zent der Män­ner arbei­ten Voll­zeit. Zuneh­mend gibt es jedoch Män­ner, die mehr Zeit mit ihren Kin­dern ver­brin­gen möch­ten. Sie ste­hen vor der Her­aus­for­de­rung, ihre Vater­rol­le jen­seits über­kom­me­ner Rol­len­kli­schees zu defi­nie­ren, meint Peter Schrö­ter, der Begrün­der der «Lebens­schu­le für Män­ner». In jedem Fall bie­tet der Väter­tag am 5. Juni 2011 Gele­gen­heit, über die Situa­ti­on der Väter in der Schweiz nachzudenken.Wie ist es um die Väter hier­zu­lan­de bestellt?  Peter A. Schrö­ter: Die Frau­en­be­we­gung hat am Patri­ar­chat gerüt­telt. Wir erle­ben eine Zeit des lang­sa­men Umbruchs. Etwa ein Vier­tel der Män­ner denkt aktiv über Rol­len­bil­der nach und ver­sucht, einen neu­en Weg zu fin­den. Das hat natür­lich Fol­gen für das Vater­sein.Wie dür­fen wir uns das vorstellen?  Die­se Män­ner ver­tre­ten die Auf­fas­sung, dass Kin­der­er­zie­hung nicht nur Frau­en­sa­che ist. Sie packen mit an, arbei­ten in redu­zier­ten Pen­sen und tei­len sich die Erzie­hungs­ar­beit mit ihrer Part­ne­rin.Das klingt viel ver­spre­chend, oder nicht?  Auf den ersten Blick schon. Das Pro­blem besteht jedoch dar­in, dass die­sen Män­nern kla­re Vor­bil­der für ihr Vater­sein feh­len. Sie lau­fen Gefahr, eine bes­se­re Mut­ter sein zu wol­len. Alles was sie über Kin­der­zie­hung wis­sen, stammt aus der Frau­en­welt. Der eige­ne Vater war kaum da, defi­nier­te sich über sei­ne Ernäh­rer­rol­le.War­um funk­tio­niert denn die­ser Mann, der Macho, nicht mehr?  Inzwi­schen sind vie­le Frau­en berufs­tä­tig. Der Macho funk­tio­niert über­all dort nicht mehr, wo sich Frau­en aus der öko­no­mi­schen Abhän­gig­keit des Man­nes befreit haben. Den­noch haben sie sich nicht ganz vom Macho eman­zi­piert.Inwie­fern? Eman­zi­pier­te Frau­en wol­len eher sanf­te Män­ner. In die­sen sehen sie auch Part­ner, die ihren Anlie­gen gegen­über auf­ge­schlos­sen sind und als Väter ein­fühl­sam sind. Doch einem sanf­ten Mann kön­nen sich die Frau­en nicht hin­ge­ben. Beim Macho erle­ben sich die Frau­en kör­per­lich begehrt.Dann ist der «sanf­te Mann» also auch ein Irrweg?  Sowohl der Macho als auch der Sof­tie sind ver­un­si­cher­te Män­ner. Der Macho über­spielt sei­ne Unsi­cher­heit, lässt nichts an sich ran. Der Sof­tie dage­gen ver­liert sich in sei­ner Unsi­cher­heit und ent­kop­pelt sich von sei­ner männ­li­chen Iden­ti­tät.Wie muss denn ein Mann, ein Vater sein?  Wenn du über­legst, wie ein Mann zu sein hat, wie ein Vater sein muss, dann triffst du den Kern des Pro­blems. Wir Män­ner klam­mern uns gern an Rol­len­bil­der. Im Job genau­so wie im Umgang mit unse­rer Part­ne­rin und unse­ren Kin­dern. Das Han­deln rich­tet sich nach mög­li­chen Erwar­tun­gen an unser Mann sein, an unser Vater­sein.Es macht also kei­nen Sinn, den «moder­nen Vater» zu definieren?  Allen­falls über Bil­der, die uns berüh­ren. Bei­spiels­wei­se der Vater, der sein Kind in die Luft wirft und wie­der auf­fängt. Das tut kaum eine Frau. Im Grun­de geht es dar­um, dass wir Män­ner uns in Situa­tio­nen ein­schwin­gen ler­nen und aus einer Offen­heit her­aus han­deln, auch als Väter. Das bedingt aber Ver­trau­en in die eige­ne Per­sön­lich­keit. Wenn wir das haben, müs­sen wir uns nicht mehr an Rol­len­bil­der klam­mern.Wie ist Ver­trau­en ange­sichts der Ver­un­si­che­rung mög­lich, die vie­le Män­ner und Väter in der heu­ti­gen Zeit empfinden?  Män­ner brau­chen Freun­de, denen Sie alles anver­trau­en kön­nen, mit denen sie sich ver­bin­den kön­nen. In mei­nen Semi­na­ren hel­fe ich Män­nern, gemein­sam eine Tie­fe zu errei­chen, auf der das mög­lich ist. Es kann doch nicht sein, dass ein Mann nur ober­fläch­li­che Män­ner­be­kannt­schaf­ten pflegt und auf die Fra­ge, wem er sein Pro­ble­me anver­traut, ant­wor­tet: Sein Bester Freund sei sei­ne Frau.War­um ist das so?  Vie­le Män­ner scheu­en Gefüh­le und auch, dar­über zu spre­chen. Wir Män­ner defi­nie­ren uns ger­ne über das, was wir tun, was wir arbei­ten und besit­zen.Wie kön­nen die Kir­chen in die­ser Situa­ti­on den Män­nern und Väter Impul­se geben?  In den Lan­des­kir­chen gibt es bereits Gesprächs­run­den und ande­re Ange­bo­te spe­zi­ell für Män­ner. Gera­de die katho­li­sche Kir­che als «Män­ner­club» steckt im Grun­de in der­sel­ben Kri­se wie der Mann. Sie kann sich auch nicht mehr übers Patri­ar­chat defi­nie­ren.Inwie­fern? All die Leu­te, die sich scha­ren­wei­se von den Kir­chen abwen­den, wol­len sich nicht von der Spi­ri­tua­li­tät ver­ab­schie­den. Sie seh­nen sich nach etwas, das leben­dig gelebt wird.Immer wie­der muss die Kir­che als Pro­blem­fall herhalten.  Beob­ach­ten las­sen sich die Sym­pto­me auch anders­wo. In unse­rem Bil­dungs­sy­stem läuft eben­so eini­ges schief. Jedoch in eine ande­re Rich­tung.Dort gibt es auf der Unter­stu­fe kaum noch Männer.  Genau. Das hat aber auch damit zu tun, dass der Beruf des Kin­der­gärt­ners oder des Pri­mar­leh­rers in den Augen der Gesell­schaft als unmänn­lich gilt. Das wird so nicht expli­zit gesagt, aber indi­rekt gegen­über Män­nern in die­sen Beru­fen zum Aus­druck gebracht.Die Fol­gen betref­fen vor allem die Buben, oder?  Unse­re Schu­len wer­den bei­den Geschlech­tern zu wenig gerecht. Bei den Kna­ben ist es am augen­fäl­lig­sten. Auf­grund ihrer männ­li­chen Kon­sti­tu­ti­on kön­nen sie weni­ger gut still sit­zen, sich kon­zen­trie­ren und selb­stän­dig arbei­ten. Jungs wol­len Bewe­gung, Gren­zen aus­lo­ten und sich mit ande­ren mes­sen. Die­sen Din­gen trägt die Volks­schu­le heu­te zu wenig Rech­nung. Andre­as C. MüllerFür die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau orga­ni­siert Bil­dung Mobil Ange­bo­te für Män­ner und Väter. Auf http://www.bildung-mobil.ch/ genaue­re Infos. Zu Peter Schrö­ter sie­he www.scpt.ch
Redaktion Lichtblick
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