Macht Geschäf­te!

Macht Geschäf­te!

Lukas 19,12–17Ein Mann aus fürst­li­chem Haus woll­te in ein fer­nes Land rei­sen, um die Königs­wür­de zu emp­fan­gen und dann zurückzukehren.  Er rief zehn sei­ner Die­ner zu sich, ver­teil­te unter sie zehn Gold­stücke und sag­te: «Macht Geschäf­te damit, bis ich wie­der­kom­me» … Nach sei­ner Rück­kehr liess er die Die­ner zu sich rufen. Er woll­te sehen, wel­chen Gewinn jeder bei sei­nen Geschäf­ten erzielt hat­te. Der erste kam und sag­te: «Herr, dein Geld hat sich ver­zehn­facht.» Da sag­te der König zu ihm: «Sehr schön, du bist ein tüch­ti­ger Diener.»Über­set­zung aus «Die Eigen­fei­ern der Schwei­zer Bene­dik­ti­ner», 1977 

Macht Geschäf­te!

Wenn wir jemand als «Gschäft­li­ma­cher» bezeich­nen, ver­ste­hen wir das nicht als Kom­pli­ment, son­dern als Kri­tik, ver­bin­den damit Rück­sichts­lo­sig­keit, Schma­rot­zer­tum, Pro­fit­gier, Aus­beu­tung der Schwä­chen ande­rer, dies alles hart an der Gren­ze der Lega­li­tät. Ob gele­gent­lich auch ein wenig Neid und Eifer­sucht mit­schwin­gen? Viel­leicht gar eine Spur Bewun­de­rung? Es fällt auf, dass Jesus sich nicht scheu­te, sol­che zwie­lich­ti­ge Erfolgs­ge­schich­ten her­an­zu­zie­hen, um sei­ne Bot­schaft vom Got­tes­reich unter die Men­schen zu brin­gen.War Karl der Gros­se ein sol­cher Geschäf­te­ma­cher? Jeden­falls hat er sein Geschäft – den erfolg­rei­chen Umgang mit mili­tä­ri­scher, poli­ti­scher, kul­tu­rel­ler und reli­giö­ser Macht – sou­ve­rän, geni­al und recht erfolg­reich betrie­ben. In sei­ne von reli­giö­sem Sen­dungs­be­wusst­sein und gewalt­tä­ti­ger Herr­scher­al­lü­re gepräg­te Expan­si­ons­po­li­tik band er ziel­stre­big und gross­zü­gig die Kir­che mit ein. Klö­ster wur­den zu Stütz­punk­ten eines umfas­sen­den Kul­tur- und Bil­dungs­pro­gramms, das nach dem Nie­der­gang des römi­schen Impe­ri­ums als «karo­lin­gi­sche Renais­sance» viel zum Auf­bau einer euro­päi­schen Iden­ti­tät bei­trug, von der wir bis heu­te zeh­ren. Der Blut­zoll, den ande­re dafür bezah­len muss­ten, war frei­lich hoch. Erin­nert sei an die zwangs­wei­se, mit eiser­ner Faust durch­ge­setz­te Bekeh­rung und Tau­fe der Sach­sen am Nord­rand des Rei­ches. Da kann­te Karl kein Par­don.Für uns ist es schwer nach­voll­zieh­bar, wie sich ein sol­cher Macht­mensch, eine der­art schil­lern­de Figur in den Hei­li­gen­ka­len­der ein­schlei­chen konn­te. Dar­an zeigt sich, wie sehr sich im Lau­fe der Jahr­hun­der­te die Men­ta­li­tä­ten ändern, sich fest­ge­füg­te mora­li­sche Ansich­ten auf­wei­chen und auf­lö­sen und zum Guten oder zum Bösen sich in ihr Gegen­teil ver­keh­ren kön­nen.Für die christ­li­chen Poten­ta­ten des Mit­tel­al­ters waren die alt­te­sta­ment­li­chen Köni­ge David und Salo­mo die glanz­vol­len Leit­ster­ne, denen sie nach­ei­fer­ten. Wie die Köni­ge Isra­els wuss­ten sie sich von Gott erwählt und gesalbt, beauf­tragt, das Volk in den Krieg zu füh­ren, den Unter­ta­nen mit Weis­heit Recht zu spre­chen, in fei­er­li­chen Got­tes­dien­sten die ver­sam­mel­te Gemein­de zu seg­nen, mild­tä­tig gegen­über Armen und Kran­ken zu sein, selbst­be­wusst Gegen­wart und Zukunft mit­zu­ge­stal­ten. König­lich im Sieg und in der Nie­der­la­ge, tüch­tig im Drein­schla­gen und im Ein­stecken, gross­ar­tig in ihren Tugen­den und beden­ken­los im Sün­di­gen. Also nichts von «fin­ste­rem Mit­tel­al­ter»!Wie wärs, wenn sich Euro­pas Eli­ten von sol­chen Vor­bil­dern inspi­rie­ren lies­sen, im Bewusst­sein, dass sie zu Wohl und Wehe Takt­ge­ber für vie­le sind, auch für unser­ei­ner? Der Hei­li­gen­schein will nicht so recht aufs kai­ser­li­che Haupt pas­sen. Trotz­dem ist Karl zum Arche­ty­pen einer gott­ge­fäl­li­gen Welt­lich­keit gewor­den, zum sehr irdi­schen Spie­gel­bild des himm­li­schen Pan­to­kra­tors (s. «Was ist …», S. 2). Er setz­te den Auf­trag des Herrn – «Macht Geschäf­te!» – auf sei­ne Wei­se in die Tat um. Des­halb ist er als «der Gros­se» ins kol­lek­ti­ve Gedächt­nis der Völ­ker­fa­mi­lie ein­ge­gan­gen.Geschäf­te­ma­chen kann also durch­aus im Sin­ne Got­tes sein. Und wir? Statt die Gele­gen­heit beim Schopf zu packen und den gros­sen Wurf zu wagen und etwas zu ris­kie­ren, begnü­gen wir uns zu oft damit, end­los und brav die Erb­sen zu zäh­len.Peter von Sury, Abt des Bene­dik­ti­ner­klo­sters Mariastein 
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben