Leben in den Rui­nen von Aleppo

Leben in den Rui­nen von Aleppo

Leben in den Rui­nen von Aleppo

Die Zivil­be­völ­ke­rung in Syri­en lei­det unter dem anhal­ten­den Krieg und der wach­sen­den Armut

Die Kämp­fe in Syri­en fin­den kein Ende. Die Wirt­schaft liegt am Boden, die Kosten des täg­li­chen Lebens explo­die­ren. Die mei­sten Fami­li­en wis­sen kaum, wie sie über­le­ben sol­len, und sind auf Unter­stüt­zung angewiesen.Zum Ver­stecken spie­len sind die Rui­nen von Jabal Bedro, einem Vier­tel von Alep­po, gross­ar­tig. Manal und ihre Geschwi­ster ver­brin­gen Stun­den in den zer­bomb­ten Häu­sern. Sie hof­fen, dass sie hin­ter den Beton­trüm­mern nicht ent­deckt wer­den, und suchen Sicht­schutz neben ein­ge­stürz­ten Trep­pen­ab­sät­zen. Kaum auf­ge­spürt, ren­nen sie lachend zurück zum Aus­gangs­punkt. Zum Spie­len sind die Rui­nen ein Traum – zum Leben ein Alb­traum.In die­sem Stadt­teil von Alep­po tob­te der Krieg vier Jah­re lang beson­ders stark. Inzwi­schen wird hier nicht mehr geschos­sen, die Gebäu­de sind von Minen geräumt und immer mehr Men­schen suchen wie­der Lebens­raum in die­sem unwirt­li­chen Quar­tier.Zu ihnen gehö­ren auch Manals Eltern, ihr Vater Jalil und sei­ne Frau Kha­di­je. Die neun­köp­fi­ge Fami­lie ist in eines der leer­ste­hen­den Häu­ser am Rand von Jabal Bedro gezo­gen. Wem das Haus – oder viel­mehr der beschä­dig­te Roh­bau – gehört, wis­sen sie nicht. Wenn sich der Besit­zer mel­det, müs­sen sie wei­ter­zie­hen. Der nicht enden­de Krieg in Syri­en hat sie schon öfters dazu gezwun­gen, alles auf­zu­ge­ben.Falls es dort, wo sie jetzt woh­nen, ein­mal Fen­ster gege­ben hat, sind sie alle zer­bor­sten. Fen­ster­rah­men, Türen, Möbel: Alles wur­de von irgend­wem gestoh­len, ver­kauft oder als Heiz­ma­te­ri­al ver­brannt. Aus­ser den nack­ten Mau­ern ist nichts übrig­ge­blie­ben. «Aber das ist immer noch bes­ser, als kein Dach über dem Kopf zu haben», kon­sta­tiert Jalil nüch­tern.

Bil­dung als Weg in eine bes­se­re Zukunft

Viel­leicht geht die 13-jäh­ri­ge Manal des­we­gen so gern zur Schu­le, weil die Wän­de dort bunt bemalt sind. Weil es dort flies­sen­des Was­ser gibt und funk­tio­nie­ren­de Sani­tär­an­la­gen. Weil sie span­nen­de Geschich­ten hört, Eng­lisch lernt, lusti­ge Lie­der singt und manch­mal Süs­sig­kei­ten kriegt. Weil sie für den Unter­richt neue Klei­dung und eine Schul­ta­sche in hei­te­ren Far­ben bekom­men hat.Manal ist eines von 250 Kin­dern, die in Jabal Bedro in die­sem Seme­ster durch die Cari­tas Stütz­un­ter­richt erhal­ten. In ganz Syri­en sind es seit Janu­ar 2023 fast 2000 Kin­der. Der Kurs rich­tet sich an Mäd­chen und Jun­gen aus beson­ders bedürf­ti­gen Fami­li­en. Jeden Tag ste­hen neben Sport und Spie­len die Fächer Ara­bisch, Eng­lisch und Mathe­ma­tik auf dem Pro­gramm. Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler haben die Chan­ce, das Klas­sen­ziel trotz wid­ri­ger Lebens­um­stän­de zu errei­chen. Ein erster Schritt in eine bes­se­re Zukunft.Die Fami­li­en erhal­ten dar­über hin­aus wäh­rend sechs Mona­ten klei­ne Bar­geld­sum­men, um kau­fen zu kön­nen, was ihnen beson­ders wich­tig erscheint. Für die einen sind das Matrat­zen und Decken, ande­re bezah­len damit Geld zurück, das sie sich irgend­wo gelie­hen haben, drit­te besor­gen Medi­ka­men­te oder Klei­dung. Jalil und Kha­di­je wis­sen noch nicht genau, wofür sie das Geld ver­wen­den wol­len. «Uns fehlt alles, wir müs­sen gut nach­den­ken, was wir am drin­gend­sten brau­chen», erzäh­len sie.

Leben am Existenzminimum

Wenn man sich in den von ihnen bewohn­ten Zim­mern umsieht, sieht man nichts. Kei­nen Tep­pich, kei­ne Stüh­le, kei­nen Wickel­tisch. Strom gibt es in ihrem Haus genau­so wenig wie einen Was­ser­an­schluss. Als Herd fun­giert eine klei­ne Feu­er­stel­le unter frei­em Him­mel.Um die Fami­lie ernäh­ren zu kön­nen, neh­men die Eltern jeden Job an, den sie fin­den. Sie stel­len Gemü­se­pa­ste her oder strei­fen spi­nat­ähn­li­ches Gemü­se von lan­gen Stän­geln. Sie ver­die­nen dabei kaum etwas, aber die Stie­le las­sen sich getrock­net im Win­ter als Brenn­ma­te­ri­al nut­zen.Der 40-jäh­ri­ge Jalil fin­det kei­ne feste Stel­le, er lei­det an einer Augen­er­kran­kung. Die 39-jäh­ri­ge Kha­di­je macht den Haus­halt, küm­mert sich um die Kin­der. Manal ist das ein­zi­ge Mäd­chen in der Fami­lie und die Ein­zi­ge, die den Stütz­un­ter­richt besucht. Dass nur eines der Kin­der zur Schu­le geht, hat vie­le Grün­de, die für Aus­sen­ste­hen­de nur schwer nach­voll­zieh­bar sind. Aber die Eltern sehen kei­ne ande­re Mög­lich­keit.Die Situa­ti­on der Zivil­be­völ­ke­rung in Syri­en ist erschüt­ternd. Die Kon­flik­te im Land hal­ten an, die Infla­ti­on schwächt die Kauf­kraft dra­ma­tisch. Das Erd­be­ben vom Febru­ar 2023 war ein wei­te­rer Schlag für die Regi­on, wirt­schaft­lich und psy­cho­lo­gisch. Die Men­schen dort sind am Ende ihrer Kräf­te. Sie brau­chen wei­ter­hin drin­gend Unter­stüt­zung, damit ihr Leben wie­der leb­bar wird.Wei­te­re Infor­ma­tio­nen und Spen­den­mög­lich­kei­ten fin­den Sie unter www.caritas.ch/ja.Livia Ley­kauf, Cari­tas Schweiz
Leonie Wollensack
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