Lang­fin­ger im Gotteshaus

Lang­fin­ger im Gotteshaus

Die­be machen auch vor Kir­chen nicht Halt. Im letz­ten Jahr wur­den 20 Fäl­le der Poli­zei gemel­det. Oft sind der damit ver­bun­de­ne Auf­wand und Scha­den grös­ser als der Wert des Diebesguts.Pla­stik­kü­bel rein, Giess­kan­ne raus. Nicht schlecht staun­te man im Sep­tem­ber vor einem Jahr in der katho­li­schen Kir­che in Stein, als ein Dieb eine Zier­giess­kan­ne mit­lau­fen liess, die als Requi­sit für den Blu­men­schmuck dien­te. Anstatt die dar­in ste­hen­den Blu­men ein­fach auf den Boden zu legen, nahm der Dieb einen Pla­stik­kü­bel mit und stell­te die Blu­men hin­ein.

Stein: E‑Piano gestohlen 

Wesent­lich teu­rer war der Dieb­stahl eines E‑Pianos aus der Kir­che vor zwei bis drei Jah­ren, wie Olaf Ber­len­bach, Prä­si­dent der Kir­chen­pfle­ge Stein, berich­tet. Das Instru­ment hat­te einen Wert von rund 1 600 Fran­ken. «Wir haben den Dieb­stahl bei der Poli­zei zur Anzei­ge gebracht. Der oder die Täter konn­ten bis jetzt aber nicht ermit­telt wer­den», so Olaf Ber­len­bach. «Seit die­sem Dieb­stahl sind das neue Instru­ment wie auch die Laut­spre­cher­bo­xen in einem sepa­ra­ten Raum ver­schlos­sen.»Schon etwas län­ger zurück liegt der Ver­such, das Münz aus der Ker­zen­kas­se in Stein mit Kle­be­band­strei­fen her­aus­zu­ho­len. Doch auch die­ser Trick funk­tio­niert mitt­ler­wei­le nicht mehr. Die Kas­se und das Schloss wur­den zusätz­lich gesi­chert. Die Mit­ar­bei­te­rin­nen des Pfar­rei­bü­ros lee­ren die Kas­se täg­lich. Letz­tes Jahr wur­de an der Orgel zudem der Spie­gel abge­schraubt sowie das Zep­ter der Mari­en­fi­gur abge­nom­men und zer­bro­chen.

Regio­nen Aar­au-Lenz­burg und Frei­amt beson­ders betroffen

Dieb­stäh­le in Got­tes­häu­sern gehö­ren nicht zu den Dau­er­bren­nern, mit denen sich die Kan­tons­po­li­zei beschäf­tigt. Wie Roland Pfi­ster, Medi­en­spre­cher der Kan­tons­po­li­zei Aar­gau, infor­miert, wur­den letz­tes Jahr im Kan­ton 20 Dieb­stahl­de­lik­te in Kir­chen zur Anzei­ge gebracht. Die­ses Jahr sind es der­zeit vier Fäl­le, die der Poli­zei gemel­det wur­den.Genaue Anga­ben zu den Ört­lich­kei­ten macht die Kan­tons­po­li­zei nicht. «Die Fäl­le ereig­ne­ten sich in ver­schie­de­nen Bezir­ken des Kan­tons. Die mei­sten ver­zeich­ne­ten wir in den letz­ten bei­den Jah­ren in der Regi­on Aar­au-Lenz­burg sowie im Frei­amt», berich­tet Roland Pfi­ster. Betrof­fen waren Kapel­len, Pfarr­äm­ter, Kir­chen sowie Kirch­ge­mein­de­häu­ser. Dabei kam es zu ein­fa­chen Dieb­stäh­len, zu Ein­schleich- und Ein­bruchs­dieb­stäh­len.Geplün­dert wur­den hier­bei meist Opfer­stock-Kas­sen­be­hält­nis­se. «Die Täter­schaft erbeu­te­te Bar­geld, Mobil­te­le­fo­ne oder ande­re Wert­sa­chen. Oft­mals blieb es auch beim Ver­such», sagt Roland Pfi­ster. Das Vor­ha­ben wird in einem sol­chen Fall ohne Erfolg wie­der abge­bro­chen. Zurück bleibt Sach­scha­den. Dies war zum Bei­spiel in Frick der Fall, als im Früh­ling 2015 Unbe­kann­te ver­such­ten, zwei Opfer­stöcke auf­zu­bre­chen. Rund drei Mona­te zuvor bra­chen Unbe­kann­te in die Sakri­stei ein – auch dort mit wenig Erfolg. Dafür war der Sach­scha­den gross.

Aar­au: Scha­den in kei­nem Ver­hält­nis zum Diebesgut

Pech hat­te ein 54-jäh­ri­ger Arbeits­lo­ser, als er beim ver­such­ten Ein­bruch im Abhol­markt «LeShop» in Stau­fen von der Poli­zei erwischt wur­de. Ihm konn­te dank sei­ner DNA unter ande­rem auch ein Dieb­stahl­ver­such am Opfer­stock in der katho­li­schen Kir­che in Aar­au nach­ge­wie­sen wer­den. Das Bezirks­ge­richt Aar­au ver­ur­teil­te ihn 2015 zu elf Mona­ten Gefäng­nis – unbe­dingt, denn der Mann war bereits vor­be­straft.«Wir stell­ten in den letz­ten Jah­ren hin und wie­der ver­such­te Dieb­stäh­le an Opfer­stöcken fest», berich­tet Mar­tin Fricker, Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­ant­wort­li­cher des Pasto­ral­rau­mes Regi­on Aar­au. Die Nähe der Kir­che zum Bahn­hof sei für Kri­mi­nal­tou­ri­sten wohl ver­lockend, meint er.Als die Kir­che vor etwa 15 Jah­ren umge­baut wur­de, liess man gleich­zei­tig auch die bei­den Opfer­stöcke erneu­ern und ver­stär­ken. Seit­dem sei es zu kei­nen erfolg­rei­chen Dieb­stäh­len mehr gekom­men. Die Kas­sen wür­den zudem regel­mäs­sig geleert. «Oft steht der Scha­den eines Dieb­stahl­ver­suchs in kei­nem Ver­hält­nis zum Die­bes­gut», betont Mar­tin Fricker. Abge­se­hen von den zwei Opfer­stöcken gebe es in Aar­au kaum mate­ri­ell Wert­vol­les zu holen. Die übri­gen Gegen­stän­de hät­ten vor allem einen ideel­len Wert.

Zofin­gen: Kon­do­lenz­kar­ten mit Geld­spen­den entwendet

Was weiss man über die Täter, die in Kir­chen Dieb­stäh­le ver­üben? «Bei den letz­ten ermit­tel­ten Tätern han­del­te es sich um einen Mann aus Frank­reich, der wohl zur Tat­aus­übung anrei­ste sowie um ein Ein­bre­cher­duo aus der Bal­kan­re­gi­on», infor­miert Poli­zei-Medi­en­spre­cher Roland Pfi­ster. Man­che zei­gen sich dabei von einer beson­ders drei­sten Sei­te und ent­wen­den sogar die Kon­do­lenz­kar­ten einer Beer­di­gungs­fei­er – wie im Fall von Zofin­gen vor vier Jah­ren gesche­hen. Eini­ge der Kuverts ent­hiel­ten Geld­spen­den für die Kin­der­krebs­hil­fe.Die Tat­sa­che, dass vor allem die katho­li­schen Kir­chen tags­über offen sind, wird laut Roland Pfi­ster von den Tätern aus­ge­nützt. In sel­te­nen Fäl­len sind laut Frank Worbs vom Infor­ma­ti­ons­dienst der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che Aar­gau auch refor­mier­te Kir­chen von Dieb­stäh­len oder Sach­be­schä­di­gun­gen betrof­fen. «Da in den refor­mier­ten Kir­chen meist weni­ge Kult­ge­gen­stän­de ste­hen, besteht vor allem die Gefahr von Van­da­lis­mus.Glück­li­cher­wei­se sind sol­che Vor­komm­nis­se sehr sel­ten.» Zwei Drit­tel der refor­mier­ten Kir­chen im Aar­gau sind regel­mäs­sig geöff­net. Die Gefahr von Dieb­stäh­len oder Sach­be­schä­di­gun­gen sieht Frank Worbs vor allem bei abge­le­ge­nen Kir­chen, wo die sozia­le Kon­trol­le fehlt.

Schlies­sung kein Thema 

Wie beur­teilt Mar­kus Hup­pen­bau­er, Direk­tor des Zen­trums für Reli­gi­on, Wirt­schaft und Poli­tik der Uni­ver­si­tät Zürich, das Phä­no­men von Dieb­stäh­len in Got­tes­häu­sern? «Die­se Men­schen haben offen­bar kei­ne Skru­pel, in Kir­chen zu steh­len. Für tief reli­giö­se Men­schen wäre eine sol­che Tat wohl mit einer Hemm­schwel­le ver­bun­den. Die Kir­che scheint den Tätern dem­nach als hei­li­ger Ort nichts zu bedeu­ten.» Dass es sich bei den Die­ben um Kir­chen­geg­ner han­delt, glaubt Mar­kus Hup­pen­bau­er nicht: «Sonst wür­den sie wohl bewusst mit Sach­be­schä­di­gun­gen, bezie­hungs­wei­se Van­da­lis­mus ihre Spu­ren hin­ter­las­sen.» Wegen Dieb­stäh­len oder Sach­be­schä­di­gun­gen die Kir­chen nicht mehr zu öff­nen, käme für Mar­tin Hup­pen­bau­er einer Preis­ga­be eines wich­ti­gen Aspekts der reli­giö­sen Kul­tur gleich.Für die betrof­fe­nen Kir­chen ist die Schlies­sung der Got­tes­häu­ser kein The­ma. «Wir wol­len die Kir­che offen hal­ten und nicht jene bestra­fen, die zum Beten in die Kir­che kom­men und sich kor­rekt ver­hal­ten», sagt Olaf Ber­len­bach aus Stein.Ähn­lich tönt es aus Aar­au. Mar­tin Fricker plä­diert dafür, wach­sam zu sein und regel­mäs­sig ein Auge in den Kir­chen­raum zu wer­fen. Schliess­lich schla­gen die Die­be meist dann zu, wenn die Kir­chen wenig fre­quen­tiert sind. Roland Pfi­ster emp­fiehlt, die Opfer­kas­sen regel­mäs­sig zu lee­ren und mög­lichst wenig Bar­geld in der Pfar­rei aufzubewahren.
Andreas C. Müller
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