
Bild: © SchnitÂzelÂbank-ComiÂté Basel, zVg KatÂja Koopmann
KriÂtiÂsche Töne von der Larve
Portrait einer Schnitzelbankfigur
Sie gehören zur Basler Fasnacht wie der Morgestraich und die Mehlsuppe – die Schnitzelbänke. Wir werfen einen Âexklusiven Blick auf das Leben und Denken einer Figur.
Die meiÂsten von Ihnen haben sicherÂlich bereits im KindsÂgi von ihm gehört, besÂser gesagt von ihm gesunÂgen: «HinÂder em MünschÂter het en AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli ButÂterÂweggli feil …» Das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli ist als TraÂdiÂtiÂonsÂfiÂgur bekannt, die hinÂter dem MünÂster BrötÂchen backt und verÂkauft – aber auch an der BasÂler FasÂnacht, als SchnitÂzelÂbank. Seit 18 JahÂren ist es bereits dabei und spricht, als eine der weniÂgen weibÂliÂchen SchnitÂzelÂbänÂke, in seiÂnen VerÂsen unter andeÂrem FrauÂenÂtheÂmen an. «Es darf auch gern mal ein bissÂchen gegen die MänÂner gehen», sagt es lachend. Die FrauÂen mit ihren TheÂmen in den VorÂderÂgrund stelÂlen und der MänÂnerÂwelt auf iroÂniÂsche, kecke WeiÂse den SpieÂgel vorÂhalÂten, das ist Teil des SujetÂrepertoires des Anggewegglimaitlis.
Als Frau in einer Männerdomäne
«Es ist schaÂde, dass ich eine der weniÂgen FrauÂen unter den SchnitÂzelÂbänÂken bin, aber umso wichÂtiÂger finÂde ich es, dabei zu sein», sagt das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli zu seiÂner besonÂdeÂren RolÂle. Die nutzt es auch immer wieÂder aus, spielt mit dem TheÂma. So auch 2014 mit einem Vers, der es bis ins FernÂseÂhen geschafft hat: «Ich bi d QuooÂteÂfrau vo de ComiÂté-Bängg, ich sing fir Eych und find s no glatt. S git weenig Fraue, wo das mache. Ebs ryymt oder nit, isch doch egal». Das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli erinÂnert sich: «Nach der zweiÂten ZeiÂle, die sich nicht reimÂte, merkÂte man, dass die LeuÂte verÂwirrt waren und sich fragÂten, was da los ist. Nach dem ‹egal› am Schluss aber, das ja wirkÂlich gar nicht passt, gab es dann tosenÂden Applaus.» TrotzÂdem ist das MaitÂli gegen eine FrauÂenÂquoÂte. Eine QuoÂtenÂfrau sei dann nur dabei, weil sie eine Frau ist und nicht, weil sie gut ist. Die unterÂschiedÂliÂche SoziaÂliÂsieÂrung, die Buben eher ermuÂtigt, den Mund aufÂzuÂmaÂchen und ihre MeiÂnung zu sagen und MädÂchen eher dazu ermahnt, brav und lieb zu sein und nicht zu widerÂspreÂchen, hat nach AufÂfasÂsung des AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂlis wenig EinÂfluss. Es finÂdet: «FrauÂen solÂlen FrauÂen sein und MänÂner solÂlen MänÂner sein und auch alle, die dazwiÂschen sind, solÂlen so sein, wie sie möchÂten. Wer von ihnen Lust hat, soll mitÂmaÂchen und wer keiÂne Lust hat, soll es bleibenlassen.»
Der AllÂtag als Ideenquelle
PoinÂtierÂte ReiÂme, die ins SchwarÂze trefÂfen, brauÂchen VorÂbeÂreiÂtungsÂzeit. Los gehts stets am ersten DezemÂber. «Ideen sammÂle ich aber im Kopf schon das ganÂze Jahr. Ab und an schreiÂbe ich mir auch etwas auf», berichÂtet das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli. Ideen finÂdet es wähÂrend des JahÂres überÂall: in den NachÂrichÂten, durch GespräÂche mit FreunÂdinÂnen und FreunÂden, bei DisÂkusÂsioÂnen über das WeltÂgeÂscheÂhen. «Wenn man so schwatzt, kommt immer mal wieÂder was LustiÂges vor und darÂaus entÂwickÂle ich dann eine Idee für einen Vers», erklärt das MaitÂli. ManchÂmal schnapÂpe es auch irgendÂwo einen Witz auf und funkÂtioÂnieÂre den für einen Vers um.
S’Anggeweggemaitli verÂbiegt sich nicht
Die SchnitÂzelÂbänÂke sind beliebt, das PubliÂkum möchÂte unterÂhalÂten und zum Lachen gebracht werÂden. VerÂbieÂgen würÂde sich das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli desÂhalb aber nicht, seiÂnen WerÂten bleibt es auch in den VerÂsen und Zeedeln treu. Es gilt, die WaaÂge zu halÂten, zwiÂschen dem, wofür eine SchnitÂzelÂbank steÂhen möchÂte, und den ErwarÂtunÂgen des PubliÂkums. «DieÂses Jahr habe ich einen Vers dabei, über den ich selbst denÂke: ‹Der gehört zu den EinÂfaÂchen›. Als ich ihn mit dem PubliÂkum ausÂproÂbiert habe, ist er aber gut angeÂkomÂmen, also brinÂge ich ihn», sagt die BänkÂleÂrin. Eine priÂmiÂtiÂve SpraÂche gehört hinÂgeÂgen nicht zum SprachÂgeÂbrauch des AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂlis, weder an der FasÂnacht noch im allÂtägÂliÂchen Leben hinÂterm MünÂster. Das bedeuÂtet aber nicht, dass das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli nicht hart ausÂteiÂlen kann. Es ist der MeiÂnung: «Man kann sich als SchnitÂzelÂbank selbst der heiÂkelÂsten TheÂmen annehÂmen, ganz nah an GrenÂzen herÂan und ab und an auch mal knapp darÂüber hinausgehen.»
Wie weit dürÂfen SchnitÂzelÂbänÂke gehen?
Das MaitÂli finÂdet, dass die GrenÂzen des SagÂbaÂren sich in den letzÂten JahÂren verÂschoÂben haben und die FraÂge, was man sagen darf und ab wann man evenÂtuÂell abgeÂstraft wird, stark an BedeuÂtung gewonÂnen hat. Es sieht hier einen grosÂsen UnterÂschied zu den SchnitÂzelÂbänÂken vor dieÂser Zeit: «Damals ist alles mögÂlich geweÂsen. Man hat wirkÂlich alle durch den Dreck gezoÂgen und das in einer für heuÂtiÂge VerÂhältÂnisÂse unterÂirÂdiÂsche WeiÂse. In dieÂsem ZusamÂmenÂhang übe ich etwas KriÂtik an den JunÂgen. Sie verÂlanÂgen von den Alten, sich nach so lanÂger Zeit noch völÂlig umzuÂkremÂpeln. Und wenn sie es nicht tun, werÂden sie beiÂnaÂhe verÂteuÂfelt. Ich sehe die AnlieÂgen der JunÂgen. Ihr SchiesÂsen gegen die Alten empÂfinÂde ich aber als genau so heiÂkel, wie das VerÂhalÂten der Alten, die unbeÂirrt so weiÂterÂmaÂchen, wie sie es gewohnt sind.» Die BänkÂleÂrin ist stilÂler und nachÂdenkÂliÂcher geworÂden, wählt die WorÂte mit Bedacht. In seiÂner StimÂme klingt ein AnfraÂgen mit, ob die SchnitÂzelÂbänÂke in Zukunft so weiÂterÂbeÂstehen werÂden, wie sie einst konÂziÂpiert wurden.
Der ZauÂber der BasÂler Fasnacht
Dass die SchnitÂzelÂbänÂke aber ihre BerechÂtiÂgung haben und ein traÂgenÂder Teil der FasÂnacht sind, darÂan besteht für das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli kein ZweiÂfel. Und die Daten und FakÂten geben ihm recht. Die SchnitÂzelÂbänÂke sind extrem beliebt, jedes Jahr sind sie im Nu ausÂgeÂbucht. Doch nicht nur, wer eine SchnitÂzelÂbank besucht, bekommt mit, was sie zu sagen haben. Auch Radio und FernÂseÂhen nehÂmen ihre StimÂmen, die sich kriÂtisch mit aktuÂelÂlen TheÂmen ausÂeinÂanÂderÂsetÂzen, ins ProÂgramm auf.
TrotzÂdem schwärmt das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli von der FasÂnacht insÂgeÂsamt: «Der MorÂgesÂtraich hat seiÂnen ganz besonÂdeÂren Charme, und ich lasÂse ihn mir in keiÂnem Jahr entÂgeÂhen. Wenn morÂgens um vier alle LichÂter gelöscht werÂden, geht ein RauÂnen durch die MenÂge. Von irgendÂwo unter den LarÂven ertönt ein: ‹MorÂgesÂtraich, vorÂwärts, Marsch!› und dann tromÂmelt und pfeift es. Wenn eine dieÂser rieÂsiÂgen StammcliÂquen an einem vorÂbeiÂzieht, wenn die RuesÂser auf ihren TromÂmeln losÂleÂgen, und die PfeifÂfer mehrÂstimÂmig spieÂlen… Das klingt einÂfach fanÂtaÂstisch! Aber der ZauÂber geht auch danach weiÂter. Wenn man abends von einem Ort zum andeÂren geht, begegÂnet man kleiÂnen GrüppÂchen, manchÂmal sogar EinÂzelÂperÂsoÂnen, die ganz allein in sich verÂsunÂken durch die GässÂchen zieÂhen. Das ist so schön!»
Und wo ist das AngÂgeÂwegÂgliÂmaÂitÂli, wenn es geraÂde nicht an der FasÂnacht auf der BühÂne steht? NatürÂlich steht es hinÂterm MünÂster und hält seiÂne Weggli feil: «Dabei freue ich mich über jedes Gespräch, das ich wähÂrendÂdesÂsen fühÂren kann. In dieÂsen GespräÂchen bekomÂme ich dann wieÂder Ideen für die FasÂnacht, für das Sujet, für VerÂse. Den KonÂtakt zu den LeuÂten habe ich sehr gern, das ganÂze Jahr über.»
Rekord-FasÂÂnacht
Die BasÂler FasÂnacht ist die grössÂte FasÂnacht der Schweiz. Seit 2017 gehört sie ausÂserÂdem zum UNESCO-WelÂtÂÂkulÂturÂerÂÂbe. Wir erkläÂren Ihnen in unseÂren InfoÂboÂxen die wichÂtigÂsten Begriffe.
SchnitÂzelÂbängg
Die SchnitÂzelÂbänÂke treÂten am MonÂÂtag- und MittÂwochÂabend in WirtÂschafÂten mit humorÂvolÂlen, oft sarÂkaÂstiÂschen LieÂdern auf BaselÂdeutsch auf und komÂmenÂtieÂren EreigÂnisÂse des verÂganÂgeÂnen JahÂres. Dabei nutÂzen sie illusÂtrierte SchauÂtaÂfeln. ZusätzÂlich verÂteiÂlen sie sogeÂnannÂte «Zeedel» – bedruckÂte ZetÂtel, auf denen ihre gereimÂten VerÂse abgeÂdruckt sind, sodass das PubliÂkum die TexÂte mitÂleÂsen kann.
Ein wichÂtiÂger Aspekt für alle NärÂrinÂnen und NarÂren und somit auch für die SchnitÂzelÂbänÂke ist seit jeher die AnonyÂmiÂtät. Ihre oft beisÂsenÂde KriÂtik brinÂgen die Bänkler/innen stehts hinÂter der LarÂve (=MasÂke) verÂborÂgen an. Daher wird selbstÂverÂständÂlich auch das AnggeÂwegglimaitli anonym bleiben.
MorÂgesÂtraich
Er ist der AufÂtakt zu den «drei scheenschÂte Dääg». Um vier Uhr am MonÂtagÂmorÂgen gehen in der InnenÂstadt alle LichÂter aus. Die einÂziÂge LichtÂquelÂle sind nun die etwa grosÂsen 200 LaterÂnen und die unzähÂliÂgen kleiÂnen KopfÂlaÂterÂnen der FasÂnachtsÂcliÂquen. TromÂmeln und PicÂcoÂloÂflöÂten stimÂmen alle denÂselÂben Marsch an, und die FasÂnächtÂler zieÂhen musiÂzieÂrend mit den LaterÂnen durch die stockÂdunkÂlen GasÂsen der Stadt.
CorÂtège
So heisst der grosÂse Umzug, der am MonÂÂtag- und MittÂwochÂnachÂmitÂtag stattÂfinÂdet. Etwa 11 000 Fasnächtler/innen präÂsenÂtieÂren hier ihre Sujets (= TheÂmen der LaterÂnen, Wägen und VerÂkleiÂdunÂgen), die sie jedes Jahr ganz neu gestalÂten. Hier erwarÂten die am StrasÂsenÂrand steÂhenÂden Zuschauer/innen von den WagÂÂgis-Wagen geworÂfeÂne OranÂgen, SüsÂsigÂkeiÂten, BluÂmen und jede MenÂge Räppli (KonÂfetÂti), … und PicÂÂcoÂÂlo-/TromÂÂmelÂÂmärÂÂsche und Guggenmusik.
GugÂgeÂmuÂsik und Guggenkonzerte
GugÂgenÂmuÂsik ist absichtÂlich etwas «schräg». Sie ist stelÂlenÂweiÂse gewollt disÂharÂmoÂnisch und zugleich sehr rhythÂmusÂbeÂtont. Gespielt werÂden oft bekannÂte LieÂder aus der Pop- und RockÂmuÂsik, die auf witÂziÂge und enerÂgieÂgeÂlaÂdeÂne WeiÂse interÂpreÂtiert werden.
Die GugÂgenÂmuÂsiÂken zieÂhen am DiensÂtagÂabend vom MesÂseÂplatz zu den BühÂnen auf Markt- und BarÂfüsÂserÂplatz und präÂsenÂtieÂren dort vor tauÂsenÂden ÂZuschauern/innen ihre Musik.
