Kno­chen­ar­beit und Freun­de fürs Leben

  • Von Okto­ber 2017 bis Novem­ber 2019 dien­te Simon Bus­sin­ger in der päpst­li­chen Schweizergarde.
  • Hori­zon­te hat­te den Wall­ba­cher bereits vor sei­nem Ein­tritt in die Gar­de getrof­fen und berich­te­te auch von der Ver­ei­di­gung in Rom.
  • Nun ist der 23-Jäh­ri­ge zurück und gab an einem Vor­trag einen packen­den Ein­blick in die älte­ste und klein­ste Armee der Welt.
 «…mit dem, was ich in zwei Jah­ren erlebt habe, könn­te man Tage fül­len – es fal­len mir immer wie­der Sachen ein, die ich Vater, Mut­ter und den Gross­el­tern noch nicht erzählt habe», unter­brach Simon Bus­sin­ger unver­mit­telt sei­ne eige­nen Aus­füh­run­gen. Ein Satz, der sei­ne Vor­trags­wei­se auf den Punkt bringt: Anschau­lich, per­sön­lich und mit einer guten Por­ti­on Schalk berich­te­te der ehe­ma­li­ge Schwei­zer­gar­dist aus Wall­bach von sei­nen 26 Mona­ten im Dienst. Initi­iert wur­de der Vor­trag von Bern­hard Lind­ner von der Fach­stel­le Bil­dung und Prop­stei der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che, rund 70 Per­so­nen fan­den sich dafür in der Wall­ba­cher Kir­che ein.

Ste­hen ist Knochenarbeit

Zu Beginn des Vor­trags lud Simon Bus­sin­ger die Zuhö­rer ein, auf­zu­ste­hen. «Und ab jetzt dür­fen Sie sich wäh­rend drei Stun­den weder bewe­gen, noch her­um­schau­en, nicht krat­zen oder spre­chen», teil­te er dem Publi­kum scherz­haft mit. Die Bot­schaft dahin­ter war jedoch ernst gemeint: das ver­meint­lich pas­si­ve Ste­hen der Gar­de ist har­te Kno­chen­ar­beit. Wäh­rend sei­ner Dienst­zeit von Okto­ber 2017 bis Novem­ber 2019 stand Simon Bus­sin­ger unzäh­li­ge Stun­den regungs­los aber auf­merk­sam mit Uni­form und Hel­le­bar­de an den Ein­gän­gen des Vati­kan, bei Audi­en­zen oder Got­tes­dien­sten. «Sit­zen kann man in der Nacht», bemerk­te der ehe­ma­li­ge Gar­dist trocken. Um dann eine umso leben­di­ge­re Schil­de­rung sei­ner Nacht­wa­chen vor dem Schlaf­zim­mer des Pap­stes hin­ter­her­zu­schie­ben.

Drei­mal klopfen

Vor sei­nem Hotel­zim­mer im Gäste­haus San­ta Mar­ta stell­te der Papst jeden Abend per­sön­lich die Geträn­ke und Guetz­li für den dienst­ha­ben­den Gar­di­sten bereit. Man­che Nacht ver­brach­te Simon Bus­sin­ger Tür an Tür mit dem Hei­li­gen Vater: «Ich hör­te ihn atmen, sich dre­hen, auf­ste­hen, duschen und Zäh­ne put­zen.» Der Papst habe eine char­man­te Ange­wohn­heit: Wenn er für den Tag bereit ist, geht er ein letz­tes Mal ins Bade­zim­mer und rasiert sich. Danach klopft er mit dem Rasie­rer drei­mal aufs Lav­abo: das Zei­chen für den Gar­di­sten, dass er sich bereit machen kann.

Such­ak­ti­on im päpst­li­chen Schlafzimmer

Der Papst sei ihm immer inter­es­siert und mit mensch­li­chem Humor begeg­net, sagt Simon Bus­sin­ger. Nach­dem Fran­zis­kus ein­mal einen spe­zi­el­len Feu­er­wehr­helm geschenkt bekom­men hat­te, frag­te Simon Bus­sin­ger ihn, ob er die­sen noch irgend­wo habe, er samm­le sol­che Hel­me. Dar­auf­hin bat der Papst den Schwei­zer­gar­di­sten in sein Schlaf­zim­mer, wo die bei­den eine Such­ak­ti­on star­te­ten.

Ech­te Brüderlichkeit

Vor sei­ner Abrei­se hat­te Simon Bus­sin­ger am mei­sten Mühe mit dem Abschied von den Kame­ra­den bei der Feu­er­wehr und den Pon­to­nie­ren. Doch auch in der Gar­de fand er Freun­de fürs Leben: «Man erzählt ja viel von der Kame­rad­schaft in der RS. Was ich in der Gar­de an Brü­der­lich­keit erlebt habe, hat dies noch ein­mal über­trof­fen.» Beson­ders gepflegt hat Simon Bus­sin­ger den Kon­takt mit der Vati­ka­ni­schen Feu­er­wehr: «Ich beglei­te­te sie auf einem Nacht­rund­gang, danach luden sie mich auf ein Bier in ihre Kaser­ne ein. Das war der Anfang einer guten Freund­schaft.»

Der Papst ist anders

Als Schwei­zer­gar­dist sei man sich bewusst, dass es einen Unter­schied mache, ob man einen Staats­chef oder den Papst beschüt­ze: «Wenn jemand auf einen Prä­si­den­ten zurennt, zieht die­ser sich zurück. Ganz anders der Papst: der läuft den Men­schen ent­ge­gen.» Schwie­rig­kei­ten berei­ten der Gar­de häu­fig auch Per­so­nen, die von Begei­ste­rung über­mannt zum Papst durch­drin­gen wol­len: «Zu gros­se Freu­de kann ein Pro­blem sein», sagt Simon Bus­sin­ger aus Erfah­rung.

Acri­ter et fideliter

Seit über 500 Jah­ren ver­sieht die Schwei­zer­gar­de ihre Auf­ga­ben getreu dem Mot­to «acri­ter et fide­li­ter» — «tap­fer und treu». Neben den offi­zi­el­len Anfor­de­run­gen, die ein ange­hen­der Schwei­zer­gar­dist erfül­len muss, ist das Wich­tig­ste die Moti­va­ti­on und der Wil­le, die­sen Dienst zu erfül­len. Wäh­rend Simon Bus­sin­gers Auf­ent­halt im Vati­kan lag der Per­so­nal­be­stand der Gar­de deut­lich unter dem Soll von 135 Mann. Der Dienst­plan war ent­spre­chend dicht und die Arbeit ver­lang­te den Gar­di­sten eini­ges ab. Und doch sagt Simon Bus­sin­ger mit Über­zeu­gung: «Wir Schwei­zer soll­ten stolz dar­auf sein, als klei­nes Land einen so wich­ti­gen Job zu erle­di­gen.»

«Dan­ke!»

Neben den Freund­schaf­ten blei­ben Simon Bus­sin­ger unbe­zahl­ba­re Erin­ne­run­gen. Der Besuch des hal­ben Dorfs Wall­bach bei sei­ner Ver­ei­di­gung. Der Peters­platz mit 30’000 Men­schen. Rom im Schnee. Der lee­re Peters­dom bei Nacht. Und die Erfah­rung, von nahen Men­schen durch Hoch und Tiefs getra­gen zu wer­den: «Auch ich hat­te Momen­te, in denen ich zwei­fel­te», wand­te sich Simon Bus­sin­ger zum Schluss des Vor­trags an Fami­lie und Freun­de, «Ich konn­te immer auf euch zählen.» 
Marie-Christine Andres Schürch
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