Klostermarkt im Hauptbahnhof Zürich

Klostermarkt im Hauptbahnhof Zürich

  • Mor­gen Fre­itag, 5., und über­mor­gen Sam­stag, 6. Mai, find­et im Haupt­bahn­hof Zürich ein Kloster­markt statt.
  • Mehr als 20 Ordens­ge­mein­schaften aus der Schweiz und dem nahen Aus­land verkaufen ihre Pro­duk­te, präsen­tieren Kun­sthandw­erk und Kuli­nar­isches.
  • Eben­so wertvoll wer­den aber die Begeg­nun­gen der Pas­san­tinnen und Pas­san­ten mit den anwe­senden Non­nen und Mönchen sein.

Am Rand des Dör­fchens Le Pâquier-Mont­bar­ry ver­läuft ein einziges Gleis. Vor dem Gebäude aus dun­klem Holz hält jede halbe Stunde der Zug von Palézieux nach Gruyères. Aber nur dann, wenn die einzige wartende Pas­sagierin zuvor den Knopf neben dem Lichtsig­nal gedrückt hat.

Klostermarkt 5./6. Mai 2023

Der Kloster­markt im Haupt­bahn­hof Zürich find­et statt am Fre­itag, 5., und Sam­stag, 6. Mai 2023, jew­eils von 11 bis 19 Uhr.

www.klostermarkt.org

Karmelitinnen kommen mit dem Lieferwagen

Eine Strasse windet sich durchs Dorf hin­auf. Dort, wo sie hin­ter dem Hügel ver­schwindet, liegt das Monastère du Carmel. Zwölf Ordenss­chwest­ern des Karmeliteror­dens leben, beten und arbeit­en hier. In der klostereige­nen Back­stube entste­hen die Bis­cuits du Carmel, mit denen die Schwest­ern Abnehmer in der Westschweiz beliefern und so einen Teil ihres Auskom­mens bestre­it­en. In den let­zten Wochen ging es in der Back­stube beson­ders geschäftig zu und her. Die Teig­pro­duk­tion läuft auf Hoch­touren, fürs Ausstechen und For­men braucht es zeitweise die ganze Gemein­schaft. Auf grossen Blechen ziehen die Schwest­ern die frischen Sablés, Hasel­nuss­makro­nen und Spitzbuben aus dem Ofen. Dieser Tage laden sie die kost­bare Fracht in einen Liefer­wa­gen und fahren damit nach Zürich.[esf_wordpressimage id=44299 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Ein Schwätzchen mit der Priorin

Im Zürcher Haupt­bahn­hof verkehren auf 26 Gleisen 3000 Züge pro Tag, die Geschäfte haben 365 Tage im Jahr geöffnet, täglich reisen 367‘000 Pas­sagiere an und ab. In der Bahn­hofhalle, mit 131 Metern Länge und 26 Metern Höhe der grösste über­dachte öffentliche Platz der Schweiz, verkaufen die Karmelitin­nen am Fre­itag und Sam­stag, 5. und 6. Mai, ihre Guet­zli. Am Kloster­markt im Haupt­bahn­hof bieten zwanzig Klöster und Ordens­ge­mein­schaften aus der Schweiz und dem weit­eren deutschsprachi­gen Raum ihre Pro­duk­te zum Verkauf an. Daneben gibt es kul­turelle und handw­erk­liche Begleitver­anstal­tun­gen und die Gele­gen­heit für einen Schwatz mit Ordensleuten.

Mehr als schneller Genuss und Gewinn

«Den Mut, das zu organ­isieren, finde ich super», sagt Schwest­er Anne-Elis­a­beth. Sie lebt seit 30 Jahren im Monastère du Carmel und hat im Moment das Amt der Pri­or­in inne, das alle drei bis sechs Jahre ein­er anderen Schwest­er anver­traut wird. Schwest­er Anne-Elis­a­beth find­et es wertvoll, dass der Kloster­markt im HB Zürich Platz für Begeg­nun­gen bietet. Auch Pater Thomas Fässler, Ein­siedler Benedik­tin­er­mönch und Ini­tia­tor des Kloster­mark­ts, betont diesen Aspekt: «Der Aus­tausch wird für bei­de Seit­en eine Bere­icherung sein: Hier Men­schen aus Klöstern, die für mehr ste­hen als schnellen Genuss und Gewinn – da Men­schen aus der Welt, die davon erzählen, was ihr Leben prägt, an Her­aus­fordern­dem und Schönem.» [esf_wordpressimage id=44301 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Hunger nach spiritueller Nahrung

In Begeg­nun­gen erfährt Schwest­er Anne-Elis­a­beth immer wieder, wie gross der Hunger der Men­schen nach spir­itueller Nahrung ist: «Wir steck­en in ein­er Zeit des Wan­dels. Vielle­icht ist es jet­zt als Kloster unsere Auf­gabe, da zu sein und unser spir­ituelles Leben zu teilen.» Eben­so gibt es seit Kurzem die Möglichkeit, eine gewisse Zeit im Kloster zu ver­brin­gen. Nach nur einem Monat und ein wenig Mund-zu-Mund-Pro­pa­gan­da gebe es schon viel Res­o­nanz, berichtet Schwest­er Anne-Elis­a­beth.

Häu­fig lese man über den Nieder­gang von Klosterge­mein­schaften und disku­tiere über die Nutzung der Gebäude. Und doch übten die Klöster eine grosse Anziehungskraft auf die Men­schen aus, sagt Schwest­er Anne-Elis­a­beth. Deshalb hoffe sie, dass die Bis­chöfe sich im laufend­en syn­odalen Prozess auch die Frage stell­ten, was das Ordensleben heute zur Erneuerung der Kirche beitra­gen könne, «denn offen­bar haben die Klöster die Kraft, die der Kirche häu­fig fehlt.»

Bis bald am Bahnhof!

Die Schwest­ern im Monastère du Carmel sind zwis­chen 42 und 89 Jahre alt. Viele Dinge entschei­det nicht die Pri­or­in alleine, son­dern die ganze Gemein­schaft. «Bei Diskus­sio­nen kann es dur­chaus kon­tro­vers zu und her gehen, aber es ist wichtig, dass alle ihre Mei­n­ung sagen kön­nen», find­et Schwest­er Anne Elis­a­beth. Die Teil­nahme am Kloster­markt im Haupt­bahn­hof war zuerst umstrit­ten. Obwohl die Schwest­ern jedes Jahr am Kloster­markt in St. Mau­rice vertreten sind, zögerten sie angesichts des Umfangs des Pro­jek­ts. Doch dann nah­men sie den Kalen­der zur Hand, rech­neten minu­tiös aus, wann welche Sorte in welch­er Menge pro­duziert wer­den muss, und pack­ten die Arbeit an. Nun freuen sie sich auf die Begeg­nun­gen im Zürcher Haupt­bahn­hof.

Marie-Christine Andres Schürch
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