Klo­ster Fahr fei­ert 888. Geburtstag

  • Bun­des­rä­tin Doris Leu­thard lobt das Klo­ster Fahr als Vor­bild und erklärt, was die Schweiz von der Schwe­stern­ge­mein­schaft ler­nen kann.
  • Prio­rin Ire­ne Gas­smann kün­dig­te das Erschei­nen eines neu­en Buches über das Klo­ster Fahr an: «Ein Zeit­zeug­nis über ein Leben, das es in die­ser Form in Zukunft nicht mehr geben wird.»
 Sie sei gern gekom­men, erklär­te Bun­des­rä­tin Doris Leu­thard am ver­gan­ge­nen Mon­tag­abend vor 280 gela­de­nen Gästen im Klo­ster Fahr und mein­te: «Wäh­rend bei Unter­neh­men eine 100-Jahr-Fei­er bereits eine statt­li­che Zahl ist, fei­ern wir beim Klo­ster Fahr gan­ze 888 Jah­re.» «Ihr konn­tet ja nicht noch 12 Jah­re war­ten bis zum 900. Jubi­lä­ums­jahr», neck­te Urban Fede­rer, Abt des Klo­sters Ein­sie­deln, zu dem das Fahr gehört. Und er hat­te in der bis auf den letz­ten Platz gefüll­ten Klo­ster­kir­che die Lacher auf sei­ner Sei­te.

Bun­des­rä­tin anstel­le einer nicht exi­stie­ren­den Kardinalin

Für ein­mal ver­moch­ten die Anwe­sen­den fast der wun­der­schö­nen Barock­kir­che den Gla­mour-Fak­tor strei­tig zu machen. Neben Bischof Felix Gmür und Abt Urban Fede­rer – unter ande­rem in Beglei­tung von alt Abt Mar­tin Wer­len, fan­den sich unter den gela­de­nen Gästen der Aar­gau­er Regie­rungs­rat Mar­kus Dieth, sein Zür­cher Rats­kol­le­ge Tho­mas Hei­ni­ger, Luc Hum­bel als Prä­si­dent der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau und der Ver­ei­ni­gung der staats­kirch­lich-recht­li­chen Kör­per­schaf­ten RKZ, Simo­ne Curau-Aepli, Prä­si­den­tin des Schwei­ze­ri­schen Katho­li­schen Frau­en­bun­des SKF, Hil­de­gard Aepli, Initi­an­tin des Pil­ger­pro­jekts «Für eine Kir­che mit den Frau­en» sowie die Gemein­de­rä­te von Würen­los und Unterengstrin­gen in Cor­po­re.Man sol­le ihr ver­zei­hen, wenn sie nicht alle Anwe­sen­den nament­lich begrüs­sen kön­ne, son­dern nur ein­zel­ne nen­ne, beton­te Prio­rin Ire­ne Gas­smann in ihrer Eröff­nungs­re­de den illu­stren Cha­rak­ter der gela­de­nen Fest­ge­mein­schaft und zeig­te sich stolz ange­sichts des brei­ten Bezie­hungs­net­zes, das rund um das Klo­ster besteht.Es sei ihr wich­tig gewe­sen, für die Fest­an­spra­che eine Frau zu gewin­nen, leb­ten doch seit nun­mehr 100 Jah­ren Frau­en hier im Fahr, erklär­te die Klo­ster­vor­ste­he­rin, um dann mit der ihr eige­nen char­man­ten Schär­fe anzu­fü­gen: «Da es ja in der katho­li­schen Kir­che noch kei­ne Bischö­fin­nen gibt und auch kei­ne weib­li­chen Kar­di­nä­le, sind wir in die Poli­tik gegan­gen und haben mutig an ober­ster Stel­le ange­fragt.»

«Eine Oase des ein­fa­chen Lebens»

Gefei­ert wur­de die «beson­de­re Schnaps­zahl», wie es Prio­rin Ire­ne Gas­smann nann­te, im Rah­men einer Ves­per – dem kirch­li­chen Abend­ge­bet. Gesun­gen wur­den Lie­der von Sil­ja Wal­ter, dazu Musik­stücke vor­ge­tra­gen von Eli­sa­beth Schö­ni­ger an der Block­flö­te und Judith Gan­der-Brem an der Orgel.In Anleh­nung an den ver­le­se­nen Koloss­erbrief wür­dig­te Abt Urban Fede­rer das Klo­ster Fahr: «Wie sind nicht hier, weil das Klo­ster unse­re Auto­ri­tät braucht, obwohl es von Auto­ri­tä­ten vie­le hier hat. Wir lie­ben das Klo­ster und sei­ne Schwe­stern­ge­mein­schaft als Ort der Bil­dung, als Oase des ein­fa­chen Lebens­stils, des rhyth­mi­sier­ten Lebens und der Gott­su­che.

Fahr lehrt, war­um die Schweiz sich nicht abschot­ten soll 

Sowohl der Abt als auch Prio­rin Ire­ne Gas­smann knüpf­ten in ihren Anspra­chen auch die Ver­bin­dung zur Acht als der Zahl der Erneue­rung. Wie die­ser Neu­an­fang genau aus­se­hen soll­te, ver­moch­ten indes­sen bei­de nicht genau­er zu sagen. «Wir wis­sen nicht, was kommt. Das macht uns aber stark», mein­te Prio­rin Ire­ne lako­nisch.Wes­halb das Klo­ster Fahr über Jahr­hun­der­te hin­weg so fas­zi­nie­rend sei, frag­te Bun­des­rä­tin Doris Leu­thard, um gleich selbst meh­re­re Ant­wor­ten zu geben und anhand die­ser Par­al­le­len zur Poli­tik abzu­lei­ten. Erstens sei es ein Kraft­ort, wo vie­le Men­schen Stil­le und Ein­kehr fän­den. Zwei­tens, weil sich das Klo­ster – umge­ben von Anders­ar­tig­keit – beson­ders behaup­ten muss­te. Das Klo­ster und die Bene­dik­ti­ne­rin­nen hät­ten sich behaup­tet, weil sie «mit der Welt zusam­men­ge­ar­bei­tet» und trotz­dem sich selbst treu geblie­ben sei­en.

«Poli­tik darf nicht zur Talk­show verkommen»

Was man dar­aus ler­nen kön­ne, lau­te­te die zwei­te rhe­to­ri­sche Fra­ge der Bun­des­rä­tin. Erstens: Man kön­ne sich sel­ber treu blei­ben, auch wenn man mit ande­ren zusam­men­ar­bei­te. Zwei­tens: .«Sich abschot­ten lohnt sich nicht. Wir soll­ten unse­ren Nach­barn nicht die Türe vor der Nase zuschla­gen oder die EU zum Feind der Schweiz hoch­sti­li­sie­ren.» Und drit­tens: «Wir Schwei­zer ticken viel­leicht anders, aber damit sind wir trotz­dem zu welt­mei­ster­li­chen Höchst­lei­stun­gen fähig.»«Wir zele­brie­ren wort­reich den ver­ba­len Klein­krieg um 70 Fran­ken AHV oder einen Fran­ken pro Tag für Radio und Fern­se­hen. Vom wirk­lich Wich­ti­gen las­sen wir tun­lichst die Fin­ger», gab sich die CVP-Bun­des­rä­tin selbst­kri­tisch und ergänz­te: «Die Poli­tik darf nicht zur Talk­show ver­kom­men.» Der Glau­be – egal wel­cher – kön­ne dahin­ge­hend Leit­plan­ke sein.

Geschen­ke: Eine Rose und ein neu­es Buch

Beim anschlies­sen­den Apé­ro nahm sich die Magi­st­ra­tin Zeit, mit jeder ein­zel­nen Schwe­ster kurz zu spre­chen, Als Geschenk mit­ge­bracht hat­te Doris Leu­thard die nach ihr benann­te «Doris-Rose»: Die­se sei wider­stands­fä­hig – wie das Klo­ster, das sich über Jahr­hun­der­te hin­weg in refor­mier­tem Gebiet am Ran­de der lär­mi­gen Stadt behaup­tet habe. «Und sie hat Dor­nen. Ich bin sicher, Sie wis­sen die­se am rich­ti­gen Ort ein­zu­set­zen, mein­te die Bun­des­rä­tin augen­zwin­kernd in Rich­tung Prio­rin Ire­ne Gas­smann.Sich selbst berei­ten die Fah­rer Schwe­stern zum Jubi­lä­um eben­falls ein Geschenk. «Wir haben unse­re Lebens- und Beru­fungs­ge­schich­ten erzählt und auf­schrei­ben las­sen und uns von der Foto­ka­me­ra beglei­ten las­sen», erklär­te Prio­rin Ire­ne Gas­smann. Dar­aus ent­stan­den sei das Buch «Ora et labo­ra». Es erscheint am 1. Sep­tem­ber 2018. Zudem wer­de es ab die­sem Zeit­punkt im Klo­ster Fahr eine Pla­kat­aus­stel­lung mit den Foto­gra­fien aus dem Buch geben. Der gegen­wär­ti­ge Anlass ver­wies somit bereits auf einen näch­sten. Die gela­de­nen Gäste nah­men die Ankün­di­gung mit Freu­den auf und genos­sen den Apé­ro: Bene­dik­t­i­nisch, ein­fach und nährend.
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben