Klei­ne Schrit­te für die Gläu­bi­gen, aber ein gewal­ti­ger Sprung für die Kirche

  • Am Mon­tag­abend, 13. Novem­ber, infor­mier­ten Bischof Felix Gmür und Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler an einer öffent­li­chen Ver­samm­lung in Aar­au über den ersten Teil der Welt­syn­ode, die im Okto­ber 2023 in Rom stattfand.
  • Zudem wur­den Erfah­run­gen und Erkennt­nis­se der syn­oda­len Ver­samm­lung im Bis­tum Basel im Sep­tem­ber 2023 in Bern ausgetauscht.
  • Knapp 70 Per­so­nen aus dem Bis­tum Basel waren nach Aar­au gekom­men, um aus erster Hand zu erfah­ren, wo der Syn­oda­le Pro­zess welt­weit und im Bis­tum Basel steht.

Der Reform­be­darf und das Reform­tem­po klaf­fen in der katho­li­schen Kir­che weit aus­ein­an­der. Das brach­te eine Zuhö­re­rin auf den Punkt, als sich das Publi­kum nach etwa 45 Minu­ten erst­mals zu Wort mel­den durf­te: «Wenn ich Aus­sen­ste­hen­den erklä­re, dass es histo­risch ist, dass wir in der Kir­che jetzt mit­ein­an­der reden, am glei­chen Tisch sit­zen, ein­an­der zuhö­ren, dann lachen die sich kaputt. Ich habe die­se klei­nen Schrit­te so satt!». Der spon­ta­ne Applaus für die­ses Votum zeig­te, dass sie nicht die Ein­zi­ge war, die sich kon­kre­te Ergeb­nis­se von die­sem ersten Teil der Welt­syn­ode in Rom erhofft hat­te. [esf_wordpressimage id=47142 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Über­ra­schend war das freie Wort

Resul­ta­te konn­ten Bischof Felix Gmür und Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler, die für die Schweiz an der Welt­syn­ode in Rom teil­ge­nom­men hat­ten, kei­ne prä­sen­tie­ren. Die Syn­ode soll­te dem gegen­sei­ti­gen Zuhö­ren die­nen, dem Aus­tausch über bren­nen­de Fra­gen in den ein­zel­nen Län­dern, dem gemein­sa­men Vor­wärts­ge­hen, eben der Syn­oda­li­tät, die­nen. Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler und Bischof Felix Gmür mach­ten klar, dass genau die­ses gegen­sei­ti­ge Zuhö­ren, das Ein­be­zie­hen aller, ein gewal­ti­ger Ent­wick­lungs­schritt für die katho­li­sche Kir­che ist. Bischof Felix berich­te­te: «Für mich über­ra­schend war das freie Wort. Nie­mand muss­te Angst haben, was er oder sie sagt. Das war für mich neu. Und noch etwas war neu: Man hat sich wirk­lich zuge­hört. Es gab kei­ne Kom­men­ta­re zu den ein­zel­nen Voten, nur Zuhö­ren und Set­zen­las­sen. Das hat die Tole­ranz gefördert.»

Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler gehör­te zu den 54 Frau­en, die erst­mals in der Geschich­te an einer Bischofs­syn­ode mit­re­den und abstim­men durf­ten. Sie bekräf­tig­te vor dem Publi­kum in Aar­au: «Der wich­tig­ste Beschluss die­ser Syn­ode ist, dass die katho­li­sche Kir­che auf syn­odal umge­baut wird. Mit­spra­che auf allen Ebe­nen wird mög­lich. Da müs­sen wir nicht auf Rom war­ten. Wir kön­nen unse­re Kir­che hier so gestal­ten, dass sie funk­tio­niert.» Die Dis­kus­si­on zur Rol­le der Frau sei einer der stärk­sten Momen­te der Syn­ode gewe­sen, wo sie die hei­li­ge Geist­kraft gespürt habe: «Es gab Kar­di­nä­le, die sag­ten, sie schäm­ten sich, dass nicht die Hälf­te der Syn­ode aus Frau­en bestehe.»[esf_wordpressimage id=47145 width=half float=left][/esf_wordpressimage]

Zwei Pro­zes­se lau­fen parallel

Der Abend in Aar­au soll­te auch auf­zei­gen, wo der Syn­oda­le Pro­zess im Bis­tum Basel steht. Denn wie Dami­an Käser-Casutt erklär­te, lau­fen zwei Pro­zes­se gleich­zei­tig ab: Da ist einer­seits der welt­wei­te Syn­oda­le Pro­zess, der im Herbst 2021 mit der Befra­gung aller Gläu­bi­gen in den Pfar­rei­en begon­nen hat­te. Sei­nen Abschluss fin­det die­ser Pro­zess im Herbst 2024 mit dem zwei­ten Teil der Welt­syn­ode in Rom. Par­al­lel zur Welt­kir­che läuft der syn­oda­le Pro­zess auch auf diö­ze­saner Ebe­ne. Ziel ist die Wei­ter­ent­wick­lung der syn­oda­len Kul­tur des Bis­tums Basel. Drei Mit­glie­der der Begleit­grup­pe gaben in Aar­au Aus­kunft über den lau­fen­den Pro­zess im Bistum:Andrea Mei­er, Fach­stel­len­lei­te­rin Kin­der und Jugend der katho­li­schen Regi­on Bern, Edith Rey Kühn­topf, Regio­nal­ver­ant­wort­li­che der Bis­tums­re­gi­on St. Vere­na und Luc Hum­bel, Prä­si­dent des Kir­chen­ra­tes der Römisch-katho­li­schen Lan­des­kir­che des Kan­tons Aar­gau. Sie hat­ten im Sep­tem­ber an der drei­tä­gi­gen Syn­oda­len Ver­samm­lung in Bern teil­ge­nom­men, bei der 100 Per­so­nen aus allen zehn Bis­tums­kan­to­nen dar­über berie­ten, wie sich das Bis­tum in den näch­sten 30 Jah­ren ent­wickeln solle.

«Ich stel­le fest: Es inter­es­siert nicht»

Andrea Mei­er, Edith Rey Kühn­topf und Luc Hum­bel berich­te­ten, dass die Teil­neh­men­den in Bern ein­an­der wirk­lich zuge­hört hät­ten, es kei­ne Hier­ar­chien gab und die Stim­mung trotz bunt zusam­men­ge­wür­fel­ter Grup­pe sehr gut gewe­sen sei. Die lit­ur­gi­schen Fei­ern wirk­ten stär­kend und ver­bin­dend. Den­noch sei­en auch Grä­ben zum Vor­schein gekom­men. Andrea Mei­er sag­te: «Es gibt Grup­pen, die ein­an­der nicht ver­ste­hen kön­nen. Da gibt es Arbeit, da braucht es Ent­schei­dun­gen. Es wird hof­fent­lich wei­te­re Syn­oda­le Ver­samm­lun­gen geben, damit wir eine neue Art zu reden ein­üben kön­nen.» Auf eine Fra­ge aus dem Publi­kum, wel­cher Schritt im Bis­tum als näch­ster ange­gan­gen wer­de, ant­wor­te­te Luc Hum­bel: «Näch­stes Trak­tan­dum im Bis­tum ist die Missio-Frage.»

Ein Schwach­punkt der Syn­oda­len Ver­samm­lung in Bern war aus Sicht von Edith Rey Kühn­topf, dass jun­ge Men­schen nur schwach ver­tre­ten waren: «Das müs­sen wir uns für ein näch­stes Mal brei­ter auf­stel­len», befand sie. Zehn der hun­dert Plät­ze in Bern waren per Los ver­ge­ben wor­den, jede und jeder konn­te sich also bewer­ben. Doch die­se Aus­lo­sung sei wenig gefragt und die zehn Plät­ze zu beset­zen gar nicht so ein­fach gewe­sen, erklär­te Luc Hum­bel. «Das hat mich nicht nur ent­täuscht, son­dern frustriert.»

Luc Hum­bel deu­te­te auf die Bank­rei­hen in der Kir­che Peter und Paul: «Auch hier: Wir sind in der Pha­se des gröss­ten Umbruchs der Kir­che in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten und ich stel­le fest, dass es nicht mehr inter­es­siert.» Ein­ge­la­den in die Kir­che Peter und Paul in Aar­au waren bis­tums­weit alle, die sich für den Syn­oda­len Pro­zess inter­es­sie­ren. Gekom­men waren knapp 70 Per­so­nen, dar­un­ter vie­le Seel­sor­gen­de und Mit­ar­bei­ten­de der Fach­stel­len der Aar­gau­er Lan­des­kir­che. Luc Hum­bel: «Ich freue mich über jeden, der da ist. Doch stellt sich mir die Fra­ge, wie reprä­sen­ta­tiv das ist. Da rin­ge ich mit mir.»

Innen und aussen

Die feh­len­de Aus­strah­lung der Kir­che, die feh­len­de Leben­dig­keit, beschäf­tig­ten auch die Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer, wie die Wort­mel­dun­gen zeig­ten. Bischof Felix sag­te dazu: «Unser Chri­sten­tum muss nach aus­sen wir­ken. Egal, wie wir inner­halb funk­tio­nie­ren.» Er erzähl­te von sei­nem Sitz­nach­barn an der Syn­ode in Rom, Luca, ein Akti­vist, der Flücht­lin­ge aus dem Mit­tel­meer ret­tet: «Er lei­stet einen voll­wer­ti­gen Ein­satz für das Reich Got­tes und hat nichts mit den Struk­tu­ren der Kir­che zu tun.» Kir­che müs­se im Innen unkom­pli­ziert funk­tio­nie­ren, um nach aus­sen zu wir­ken. Luc Hum­bel beton­te aber die Not­wen­dig­keit von inne­ren Refor­men: «Ich kämp­fe dafür, dass mei­ne Kir­che im Innen glei­che Rech­te und glei­che Wür­de für alle Men­schen prak­ti­ziert. Solan­ge die Kir­che aus­grenzt, ist sie nicht nur für jun­ge Men­schen nicht inter­es­sant, son­dern ver­liert auch die alten.»

Doch etwas Konkretes

Die Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer, die «Ergeb­nis­se, statt from­me Wor­te» sehen woll­ten, konn­ten sich dar­an fest­hal­ten, dass sich sowohl Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler als auch Bischof Felix Gmür über­zeugt zeig­ten, dass dezen­tra­le Lösun­gen für bren­nen­de Fra­gen gefun­den wer­den kön­nen. Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler sag­te: «Das Dia­ko­nat der Frau scheint mir rea­li­stisch, den Zugang zu allen Ämtern müs­sen wir am zwei­ten Teil der Welt­syn­ode dis­ku­tie­ren.» Bischof Felix Gmür frag­te: «Wie kann man die jun­gen Leu­te inter­es­sie­ren für das Reich Got­tes? Wie kann das Chri­sten­tum Sau­er­teig sein in die­ser Welt? Ein Weg für mich ist, dass die Pfar­rei wahr­ge­nom­men wird als Grup­pe von Men­schen, die für ande­re da ist. Dafür brau­chen wir Dia­ko­nin­nen, um im Namen Got­tes offi­zi­ell für ande­re da zu sein. Dass es in Zukunft Dia­ko­nin­nen gibt, dafür set­ze ich mich per­sön­lich ein.»

Hele­na Jep­pe­sen-Spuh­ler hat sich wäh­rend des Monats in Rom mit ande­ren Frau­en ver­netzt, sich mit Bischö­fen und Kar­di­nä­len aus­ge­tauscht, zuge­hört, gespro­chen und uner­müd­lich gear­bei­tet. Sie sag­te: «Wir haben klei­ne Schrit­te erkämpft, die wich­tig sind.»

Marie-Christine Andres Schürch
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