Der Klang trifft direkt ins Herz

Der Klang trifft direkt ins Herz

  • Reg­u­la und Albert Blum-Kolb ste­hen für eine Kirche mit par­tizipa­tivem Stil, sie wollen Mit­feiernde statt Kon­sumenten.
  • In Stren­gel­bach, Brit­tnau und Vordemwald rufen sie die Pfar­reiange­höri­gen mehrmals im Jahr zum Mitsin­gen in einem Chor­pro­jekt zusam­men. Bis zu 90 Kinder und Jugendliche, Frauen und Män­ner fol­gen jew­eils dem Aufruf.
  • Auch in der Oster­nacht hat das gemein­same Sin­gen in Stren­gel­bach Tra­di­tion.
 «Wenn ich etwas anpacke, frage ich mich jew­eils: Ist das bib­lisch?», erzählt Albert Blum-Kolb. Der Seel­sorg­er in Stren­gel­bach zieht einen Fly­er für das aktuelle Oster-Singpro­jekt aus sein­er Mappe. «Mit diesem Fly­er rufen wir die Leute aus den Dör­fern Brit­tnau, Vordemwald und Stren­gel­bach ‚her­aus’ und laden sie ein, bei uns mitzusin­gen.» Dann erk­lärt Albert Blum-Kolb den bib­lis­chen Zusam­men­hang: Das Her­aus­rufen nimmt das alt­griechis­che Wort «Ekkle­sia» auf, das ursprünglich «die Schar der Her­aus­gerufe­nen» bedeutet und später im Neuen Tes­ta­ment für die Gesamtheit der Gläu­bi­gen ste­ht. Dass die erfol­gre­ichen Singpro­jek­te im Pfar­rek­torat St. Maria Stren­gel­bach auch bib­lisch und the­ol­o­gisch auf fes­tem Boden ste­hen, ist Albert Blum-Kolb wichtig. Schliesslich kön­nen wir uns Gott als Klang vorstellen.

Mitfeiernde statt Konsumenten

Für das aktuelle Oster-Singpro­jekt haben sich 20 «her­aus­gerufene» Frauen und Män­ner in der Kirche St. Marien in Stren­gel­bach zur Chor­probe ver­sam­melt. Auch Albert Blum-Kolb sitzt zwis­chen den Sän­gerin­nen und Sängern. Der Platz am Diri­gen­ten­pult gehört sein­er Frau Reg­u­la, die das Singpro­jekt musikalisch leit­et. Der Chor studiert mehrstim­mige Lieder ein und stimmt sich in den drei Proben auf die Osterzeit ein. Mit den Liedern wer­den die Pro­jek­t­sänger den Oster­nachts­gottes­di­enst mit­gestal­ten. Auch ein Grossteil der 50 Min­is­tran­tinnen und Min­is­tran­ten wird in der Oster­nacht im Ein­satz sein, Albert Blum-Kolb hat jedem Einzel­nen einen Dienst zugedacht. Die Kirche wird voll sein – und zwar mit mit­feiern­den Men­schen, die mehr tun, als «nur knien und das Opfer­kör­bli weit­ergeben», wie Albert Blum-Kolb trock­en bemerkt. Die ‚par­tic­i­pa­tio actu­osa’, das aktive Mit­machen der Gemeinde bei der Liturgie, ist dem Seel­sorg­er ein gross­es Anliegen. Und Reg­u­la Blum-Kolb betont: «Wer mits­ingt, feiert mit — wir geben kein Konz­ert.»

Ohne Vorwissen

Drei Mal im Jahr formieren Reg­u­la und Albert Blum-Kolb einen solchen Pro­jek­tchor aus frei­willi­gen Sän­gerin­nen und Sängern. Singpro­jek­te begleit­en die Liturgien an Wei­h­nacht­en, in der Oster­nacht und im Auf­nah­megottes­di­enst für die neuen Min­is­tran­ten. Vom Kindergärtler bis zur Pen­sion­ierten sind alle Altersstufen vertreten, Frauen und Män­ner, Schweiz­er und Aus­län­der, erfahrene Sän­gerin­nen und Neulinge tre­f­fen sich zu drei bis vier Probe­aben­den. Sin­gles, Ver­witwete, Geschiedene, ganze Fam­i­lien und Fre­undin­nen: alle sin­gen mit. Musikalis­ches Vor­wis­sen ist nicht nötig. In einem Punkt aber sind die Blums kon­se­quent: «Wer sich zum Mitsin­gen meldet, muss dann auch die Proben besuchen».

Existenzielle Erfahrung

Bere­its bei der ersten Durch­führung des Chor­pro­jek­ts an Wei­h­nacht­en 2009 kamen 25 Leute. Voraus­ge­gan­gen waren für Reg­u­la und Albert Blum-Kolb einige Jahre des Suchens. Sie spürten, dass das Erleben der hohen Feste zu wenig «dicht» war. Dann ein erster Impulsmo­ment: Reg­u­la Blum-Kolb besuchte eine Weit­er­bil­dung des Kirchen­musikver­bands und merk­te, was mit Musik möglich war. Die gel­ernte Kindergärt­ner­in ist aus­ge­bildete Kirchen­musik­erin und Chor­lei­t­erin. Die Freude am Sin­gen und Musizieren, die sie ausstrahlt, überträgt sich auf die Mitsin­gen­den. Das Sin­gen kommt bei den Leuten an, weil es genau jene Verdich­tung bewirkt, die sich die Blums gewün­scht hat­ten. Ihre Erfahrung zeigt: Fürs Sin­gen kom­men die Leute, auch wenn sie eine gewisse Strecke auf sich nehmen müssen. Es ist rel­e­vant genug, um Men­schen zu bewe­gen. «Chorge­sang ist eine exis­ten­zielle Erfahrung», sagt Reg­u­la Blum-Kolb: «Ger­ade auch für die Kinder. Sie ste­hen vorne und hören und spüren die Män­ner­stim­men im Rück­en.» Sie fühlen sich gestützt und einge­bet­tet in die Chorge­mein­schaft. Der Klang geht direkt ins Herz.

Plädoyer gegen den Perfektionismus

So wur­den die Sän­gerin­nen und Sänger im Lauf der Jahre stets mehr. An der let­zten Wei­h­nacht umfasste der Chor 90 Sän­gerin­nen und Sänger. Reg­u­la Blum-Kolb ist überzeugt, dass jede und jed­er sin­gen kann. Sie und ihr Mann haben die wohltuende Fähigkeit, über kleine Unregelmäs­sigkeit­en hin­wegse­hen zu kön­nen: «Unsere Art mit den Leuten zu arbeit­en, ist auch ein Plä­doy­er gegen den Per­fek­tion­is­mus», sagt Albert Blum-Kolb. Das gemein­same Sin­gen in der Oster­nacht, an Wei­h­nacht­en und an der Min­is­tran­te­nauf­nahme ist liebge­wor­den­er Brauch in Stren­gel­bach. Und in der Oster­nacht wird die Aufer­ste­hung dort ihren ganzen Klang ent­fal­ten.
Marie-Christine Andres Schürch
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