Kir­che soll­te im Mit­ein­an­der funktionieren

Seit 2013 ist Chri­stoph Cohen in der Pfar­rei Rohr­dorf tätig, konn­te Anfang Sep­tem­ber 2016 als Pasto­ral­raum­lei­ter den «Pasto­ral­raum am Rohr­dor­fer­berg» mit aus der Tau­fe heben. Chri­stoph Cohen ist ein behut­sa­mer Beob­ach­ter, das macht auch sei­ne Lei­den­schaft für das Kino deutlich.Bit­ter­kal­ter Wind fegt den Schnee von den Dächern. Chri­stoph Cohen, stän­di­ger Dia­kon, eilt, vom Pfarr­haus her kom­mend, um die Kir­che St. Mar­tin, Ober­rohr­dorf, her­um zum Pfar­rei­se­kre­ta­ri­at. «Dort ist es wär­mer», sagt er mit fei­nem Lächeln. Der 62-jäh­ri­ge, rand­lo­se Bril­le, sil­ber­grau­es Haar, am Kinn mit Spu­ren von Braun, schaut neu­gie­rig, wach.

Ins Wal­lis und zurück

Sei­ne Fami­li­en­ge­schich­te erklärt, war­um Chri­stoph Cohen als katho­li­scher Seel­sor­ger, als Stän­di­ger Dia­kon, den Namen eines jüdi­schen Prie­ster­ge­schlechts trägt. «Mein Vater war Jude. Er leb­te in Deutsch­land und kon­ver­tier­te erst zum refor­mier­ten, als er mei­ne Mut­ter traf, zum katho­li­schen Chri­sten­tum. So kommt es, dass ich mei­ne Berufs­be­zeich­nung sozu­sa­gen im Nach­na­men tra­ge», erklärt Chri­stoph Cohen. Gebo­ren 1955 in Sin­gen (am Hoh­ent­wiel), Deutsch­land, über­sie­delt die Fami­lie 1963 ins Wal­lis. «Ich bin zwar im Wal­lis auf­ge­wach­sen, bin aber kein Wal­li­ser», dif­fe­ren­ziert Chri­stoph Cohen. Doch sei­ne Bin­dung an die katho­li­sche Kir­che beginnt im Wal­lis.Ein Jahr hilft er jeden Sonn­tag­abend als Mess­mer in sei­ner Pfarr­ge­mein­de aus. Ein Posten, den er auch spä­ter im Inter­nat der Pal­lo­ti­ner in Ebi­kon bei Luzern inne­hat. Irgend­wann in die­ser Zeit wird für ihn klar: Der Weg geht in die Theo­lo­gie. Er will ein Novi­zi­at bei den Kapu­zi­nern begin­nen. Doch einen Monat vor dem Ein­tritt ent­schei­det er: Der Weg soll nicht «auf einer Lüge auf­bau­en». Der Zöli­bat kommt für Chri­stoph Cohen nicht in Fra­ge. Er stu­diert Theo­lo­gie in Fri­bourg, macht ein Aus­lands­jahr in der west­fä­li­schen Stadt Mün­ster (Nord­rhein-West­fa­len) und fin­det nach dem Stu­di­en­ab­schluss Unter­schlupf in den Wei­ten des Bis­tums Basel, dem er sich mehr ver­bun­den fühlt als dem Bis­tum Sit­ten.

Inno­va­tiv und sei­ner Zeit voraus

Nach sei­nem ersten Ein­satz als Pasto­ral­as­si­stent in Rie­hen geht es nach Wabern-Kehr­satz. Er lernt sei­ne Frau ken­nen — eben­falls eine Theo­lo­gin. Die bei­den hei­ra­ten, bekom­men zwei Töch­ter. In Mün­sin­gen ist er eben­so im Ein­satz wie spä­ter in der Stadt Bern. 1993 geht es nach Dätt­wil im Aar­gau. Chri­stoph Cohen und sei­ne Frau tref­fen eine für die­se Zeit unge­wöhn­li­che Ent­schei­dung: Sie dre­hen das Rol­len­mo­dell um. Chri­stoph Cohen ist nun Haus­mann. Sei­ne Frau ver­dient als Pasto­ral­as­si­sten­tin das Geld.«Es war eine sehr inter­es­san­te Erfah­rung. Einer­seits hat sich die Bezie­hung zu mei­nen Kin­dern ver­än­dert. Ich war ein wich­ti­ger Ansprech­part­ner für sie und war nicht so sehr am Rand, wie Väter das sonst oft waren und noch sind. Ande­rer­seits war es span­nend, die Reak­tio­nen des Umfel­des auf mich als Haus­mann wahr­zu­neh­men. Im Kin­der­gar­ten erstar­ben die Gesprä­che der Müt­ter zunächst, wenn ich auf­tauch­te. Und in der Pfarr­ge­mein­de war ich der Mann der ‚Frau Pfar­rer‘», erin­nert sich Chri­stoph Cohen.

Mit­ein­an­der nicht gegeneinander

Nach einem kur­zen Zwi­schen­stopp in Baden beginnt 1996 in der Pfarr­ge­mein­de St. Kon­rad in Schaff­hau­sen eine 17 Jah­re dau­ern­de Zeit als Gemein­de­lei­ter, Deka­nats­lei­ter und Syn­odal­rat. Im Jahr 2000 erhält er die Dia­ko­nen­wei­he. «Es gab zwei Moti­va­tio­nen dafür. Ich woll­te eine noch enge­re und ver­bind­li­che­re Bin­dung an die Kir­che. Und – ganz pro­fan – ich woll­te auf Augen­hö­he mit den ande­ren Kle­ri­kern, den Prie­stern, sein. Das grün­de­te in einer schlech­ten Erfah­rung mit einem Vikar und der Über­zeu­gung, dass Kir­che nur im Mit­ein­an­der und nie im Gegen­ein­an­der funk­tio­nie­ren soll­te», erläu­tert Chri­stoph Cohen.Mit­ein­an­der – dass Chri­stoph Cohen die­ser Aspekt der Kir­che wich­tig ist, wird auch dar­an deut­lich, dass er am Rohr­dor­fer­berg den Pasto­ral­raum­pro­zess syn­odal und gemein­schaft­lich gestal­te­te und den Pasto­ral­raum dezen­tral auf­ge­baut hat. «Die Men­schen sol­len nicht das Gefühl haben, dass vor Ort nie­mand mehr ist. Und ihre Mei­nung ist mir wich­tig, wenn Ver­än­de­run­gen anste­hen», sagt Chri­stoph Cohen.

Kino­be­such statt Zugfahrt

Chri­stoph Cohen erzählt viel über die Sta­tio­nen sei­nes Berufs­le­bens. Was hät­te er gemacht, wäre er nicht Theo­lo­ge gewor­den? «Die Schrei­ne­rei hat mich inter­es­siert. Doch das stand vom Eltern­haus her ein­fach nie zur Debat­te. Dass ich nicht Schrei­ner wer­den konn­te, hat aber kei­nen Lei­dens­weg aus­ge­löst. Es ist gut so, wie es ist», erzählt Chri­stoph Cohen.Und der Aus­gleich zur Arbeit? Chri­stoph Cohen lacht und sagt mit fun­keln­den Augen: «Ich bin immer ger­ne ins Kino gegan­gen. Es war zur Inter­nats­zeit gün­sti­ger, am Wochen­en­de drei Fil­me im Kino zu schau­en, als die Fahr­kar­te heim und wie­der zurück zu zah­len. Also ging ich viel ins Kino». Ein Lieb­lings­gen­re hat er nicht. Auch kei­nen Lieb­lings­film, doch er erin­nert sich an sei­nen ersten Kino­film — Das flie­gen­de Klas­sen­zim­mer: «Das war mit mei­nen Eltern». Ihn inter­es­siert am Film vor allem, wie die Regis­seu­re den Stoff der Regie­bü­cher umset­zen. Sel­ber zu fil­men oder zu foto­gra­fie­ren reizt Chri­stoph Cohen weni­ger, auch wenn er mit allem, was er erzählt, zeigt, dass er ein guter Beob­ach­ter ist.
Anne Burgmer
mehr zum Autor
nach
soben