Kein absoÂluÂtes Verbot
Im antiÂken JudenÂtum und auch im RömiÂschen Reich gab es ein forÂmaÂliÂsierÂtes ScheiÂdungsÂrecht. Für die Jesus-NachÂfolÂgeÂgeÂmeinÂschaft stellÂte sich bald einÂmal die FraÂge, wie sie den Umgang mit BezieÂhungsÂkriÂsen in ihren ReiÂhen regeln wollÂte – zumal die gemeinÂsaÂme NachÂfolÂge von FrauÂen und MänÂnern in engem KonÂtakt mitÂeinÂanÂder selbstÂverÂständÂlich war, aber auch zu herÂausÂforÂdernÂden SituaÂtioÂnen fühÂren konnte.Die SpannÂbreiÂte der AnsichÂten ist dabei recht gross. Das gilt natürÂlich auch für die auf Jesus perÂsönÂlich zurückÂgeÂführÂten SätÂze. GeraÂde der bekannÂte Satz «Was nun Gott zusamÂmenÂgeÂfügt hat, darf/soll der Mensch nicht trenÂnen» (Mk 10,9; Mt 19,6) – bei dem nur schon die ÃœberÂsetÂzung mit «darf» oder «soll» eine wichÂtiÂge NuanÂce bilÂdet – steht neben andeÂren AusÂsaÂgen, die SituaÂtioÂnen aufÂzähÂlen, in denen dann doch geschieÂden werÂden darf (z.B. Mt 5,32; 19,9; 1 Kor 7,10–16).
In einem neuÂen Licht
OffenÂbar kommt es selbst in dieÂser wichÂtiÂgen FraÂge, bei der Jesus mit dem göttÂliÂchen SchöpÂfungsÂwilÂlen arguÂmenÂtiert (Mk 10,6–8; Mt 19,4–6), auf den EinÂzelÂfall und seiÂne konÂkreÂten UmstänÂde an. Genau solÂche konÂkreÂten UmstänÂde von EinÂzelÂfälÂlen hat Luzia SutÂter RehÂmann, ProÂfesÂsoÂrin für NeuÂes TestaÂment an der UniÂverÂsiÂtät Basel, unterÂsucht. Und sie hat bei der genauÂen LekÂtüÂre von Mk 10,1–12 – eine der wichÂtigÂsten StelÂlen zum TheÂma, die auch einiÂge der oben bereits zitierÂten AusÂsaÂgen entÂhält – eine EntÂdeckung gemacht, welÂche die entÂspreÂchenÂde TextÂstelÂle in ein neuÂes Licht stellt. Luzia SutÂter RehÂmann ist aufÂgeÂfalÂlen, dass das MarÂkusÂevanÂgeÂliÂum die DisÂkusÂsiÂon um TrenÂnung und ScheiÂdung in einen ZusamÂmenÂhang mit dem Weg Jesu und seiÂnen JünÂgeÂrinÂnen und JünÂgern nach JeruÂsaÂlem stellt (Mk 10,1f): «Von dort [GaliÂläa] brach Jesus auf und kam nach Judäa und in das Gebiet jenÂseits des JorÂdan. Da kamen PhaÂriÂsäÂer zu ihm und fragÂten: Darf ein Mann seiÂne Frau aus der Ehe entÂlasÂsen?»
GeoÂgraÂfisch verortet
DieÂse SituaÂtiÂon, der Weg Jesu nach JeruÂsaÂlem, ist der AusÂgangsÂpunkt. Und das finÂdet Luzia SutÂter RehÂmann wesentÂlich. Denn mit dieÂser scheinÂbar nur geoÂgraÂfiÂschen AngaÂbe ist die ganÂze folÂgenÂde DisÂkusÂsiÂon im GrenzÂbeÂreich zwiÂschen GaliÂläa und Judäa verÂorÂtet. DieÂse BezirÂke hatÂten aber eine wichÂtiÂge BedeuÂtung im jüdiÂschen EheÂrecht. So konnÂte ein EheÂmann seiÂne Frau beiÂspielsÂweiÂse nicht zwinÂgen, mit ihm in einen andeÂren Bezirk umzuÂzieÂhen. AndeÂrerÂseits durfÂte nieÂmand am Umzug in die HeiÂliÂge Stadt JeruÂsaÂlem gehinÂdert werÂden. Wenn sich EheÂpaaÂre über ihren gemeinÂsaÂmen LebensÂort nicht einiÂgen konnÂten, durfÂte das notÂfalls auch zur TrenÂnung oder ScheiÂdung fühÂren. Luzia SutÂter RehÂmann verÂmuÂtet, dass dies der HinÂterÂgrund der FraÂge der PhaÂriÂsäÂers ist: Wenn eine Frau mit Jesus nach JeruÂsaÂlem zieÂhen will – darf ihr Mann sie dann aus der Ehe entÂlasÂsen?
Nicht auf der ScheiÂdung bestehen
Vor dieÂsem HinÂterÂgrund, so Luzia SutÂter RehÂmann, arguÂmenÂtiert Jesus nun, die betrofÂfeÂnen MenÂschen sollÂten sich in ihrer BezieÂhungsÂkriÂse am SchöpÂfungsÂwilÂlen GotÂtes oriÂenÂtieÂren und ihre Ehe nicht vorÂschnell aufÂlöÂsen, sonÂdern nach einer gemeinÂsam, tragÂfäÂhiÂgen Lösung suchen. Der gegeÂbeÂnenÂfalls zurückÂbleiÂbenÂde EheÂpartÂner soll nicht hartÂherÂzig auf der ScheiÂdung bestehen. Und auch der mit Jesus nach JeruÂsaÂlem mitÂzieÂhenÂde EheÂpartÂner soll sich nicht als geschieÂden anseÂhen, sonÂdern die MögÂlichÂkeit einer RückÂkehr an einen gemeinÂsaÂmen LebensÂort offen halÂten. Die AufÂforÂdeÂrung Jesu, eine Ehe nicht vorÂschnell in FraÂge zu stelÂlen, wird damit nicht zum absoÂluÂten EheÂscheiÂdungsÂverÂbot, sonÂdern zur EinÂlaÂdung, schwieÂriÂge EheÂzeiÂten und unterÂschiedÂliÂche LebensÂentÂwürÂfe im LichÂte der Tora und der JesusÂnachÂfolÂge partÂnerÂschaftÂlich anzuÂgeÂhen.
MehÂreÂre Lesarten
Es ist schwer zu entÂscheiÂden, ob Luzia SutÂter RehÂmann mit ihrer InterÂpreÂtaÂtiÂon des TexÂtes aus histoÂriÂscher PerÂspekÂtiÂve Recht hat. Das ist aber auch die falÂsche FraÂge: Es gibt nie nur eine richÂtiÂge DeuÂtung von BibelÂstelÂlen! Die jüdiÂsche SchriftÂausÂleÂgung, in der Jesus und seiÂne JünÂgeÂrinÂnen und JünÂger tief verÂwurÂzelt waren, spricht späÂter davon, dass die Tora siebÂzig verÂschieÂdeÂne GesichÂter habe, mit der sie die LesenÂden anschaut. Es geht also darÂum, dass wir im aufÂrichÂtiÂgen Gespräch mit unseÂren heuÂtiÂgen LebensÂsiÂtuaÂtioÂnen und den GlauÂbens- und LebensÂzeugÂnisÂsen der Bibel nach Wegen suchen, die für alle BeteiÂligÂten zu mehr «Leben in FülÂle» fühÂren (Joh 10,10). Auch in FraÂgen von Lebens- und BezieÂhungsÂkriÂsen, TrenÂnung, ScheiÂdung und WieÂderÂheiÂrat.Peter Zürn und DetÂlef Hecking/aj