«Jesus war jemand, der ein­lädt — nicht abweist»

«Jesus war jemand, der ein­lädt — nicht abweist»

  • Die eng­ma­schi­gen Schutz­vor­ga­ben von Sei­ten des Bun­des und der Kan­to­ne im Zuge der Zwei­ten Coro­na-Wel­le machen den Kir­chen schwer zu schaf­fen. Über­all wer­den Got­tes­dien­ste und Anläs­se für Fami­li­en und Senio­ren abgesagt.
  • Die Hand­ha­be ist längst nicht ein­heit­lich. Wäh­rend Senio­ren­an­läs­se in den einen Pfar­rei­en abge­sagt wer­den, fin­den sie andern­orts statt.
  • Sor­ge berei­tet vie­len Seel­sor­gen­den das anste­hen­de Weih­nachts­fest. Vie­les wird nicht in gewohn­ter Art und Wei­se statt­fin­den. Man­che Seel­sor­gen­de befürch­ten nach­hal­ti­gen Schaden.

Erlins­bach folgt stren­gem Solo­thur­ner Regime

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Die Gemein­de Erlins­bach in der Nähe von Aar­au besteht aus einem Aar­gau­er und einem Solo­thur­ner Teil öst­lich und west­lich des Erz­bach­es. Zur Pfar­rei gehö­ren somit eben­so Aar­gau­er wie Solo­thur­ner. Da sich jedoch die Kir­che auf Solo­thur­ner Boden befin­det, gilt für Got­tes­dien­ste die stren­ge­re «Dreis­si­ger­re­gel». Pfar­rer Beda Baum­gart­ner ver­sucht, aus der Situa­ti­on das Beste zu machen und sagt: «Ich bin froh, dass ich immer­hin noch mit dreis­sig Leu­ten Got­tes­dienst fei­ern kann. Ein Kol­le­ge von mir ist Prie­ster im Wal­lis – da sieht es noch­mals ganz anders aus».

Klar: Senio­ren- und Spiel­nach­mit­ta­ge fin­den nicht mehr statt. Und wie andern­orts gibt es auch kei­ne Apé­ros mehr, kei­nen Chor­ge­sang, in den Got­tes­dien­sten sin­gen wir jedoch wei­ter­hin gemein­sam, jedoch redu­ziert. Dass sich nun Kir­chen­mit­glie­der defi­ni­tiv ver­ab­schie­den, wenn nun nicht ein­mal mehr tra­di­tio­nell Weih­nach­ten und Ostern in der Kir­che gefei­ert wer­den kann, hofft Beda Baum­gart­ner nicht.

Es sei ein schö­ner Zufall, dass ver­mehrt Sams­tag­abend­got­tes­dien­ste statt­fin­den, freut sich der Erlins­ba­cher Pfar­rer. «Die Erst­kom­mu­ni­on wur­de auf zwei Got­tes­dien­ste ver­teilt und pro Kind konn­ten zwei Ange­hö­ri­ge mit­fei­ern». Auch am Krip­pen­spiel für Weih­nach­ten will Beda Baum­gart­ner fest­hal­ten: «Die Akteu­re gehö­ren nicht zu den dreis­sig Per­so­nen dazu». Fazit: In Erlins­bach soll es auf jeden Fall ein kirch­li­ches Weih­nach­ten geben.

«Wir haben so man­ches span­nen­de Pro­jekt für Novem­ber und Dezem­ber auf Eis legen müs­sen. Zuerst Voll­gas, dann wie­der Voll­brem­sung», sagt Chri­sti­na Bur­ger, Seel­sor­ge­rin in Klein­döt­tin­gen und prä­zi­siert dann: «All das, was unse­re Arbeit aus­macht, ist beein­träch­tigt: Nähe suchen, Begeg­nung, Bezie­hung, Gemein­schaft. Das alles fällt weg und gilt nun als Risiko»

«Coro­na zer­stört die Gottesdienstgemeinschaft»

Schwe­ren Her­zens habe man bereits alle Senio­ren- und Spiel­nach­mit­ta­ge abge­sagt, so Chri­sti­na Bur­ger. Auch das gene­ra­tio­nen­über­grei­fen­de Weih­nachts­spiel, an dem sich über 50 Per­so­nen betei­li­gen, kann nicht statt­fin­den. Gera­de für älte­re Men­schen sei es schlimm, dass vie­les nicht mehr ange­bo­ten wer­den kön­ne, ist Chri­sti­na Bur­ger über­zeugt. «Die­se Men­schen ver­schwin­den mehr und mehr in der Einsamkeit.»

Noch deut­li­che­re Wor­te fin­det Andre­as Wie­land, Gemein­de­lei­ter der Pfar­rei­en Herz­nach, Hor­nus­sen und Zei­hen. «Es ist ein­drück­lich, wie Coro­na die Got­tes­dienst­ge­mein­schaft zer­stört. Auf­grund der Tat­sa­che, dass immer mehr auf­grund der gegen­wär­ti­gen Situa­ti­on abge­sagt wer­den muss, bricht der Kon­takt zu immer mehr Men­schen ab». Das Seel­sor­ge-Team von Andre­as Wie­land hat eben­falls alle Senio­ren­an­läs­se abge­sagt, und die tra­di­tio­nel­len Rora­te­fei­ern mit dem all­seits belieb­ten Früh­stück könn­ten auch nicht wie üblich durch­ge­führt wer­den. «Advent und Weih­nach­ten wer­den auf Spar­flam­me statt­fin­den, so der Frick­ta­ler Gemeindeleiter.

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Chri­sti­na Bur­ger macht die Situa­ti­on in den Got­tes­dien­sten eben­falls zu schaf­fen. «Du siehst ja die Gesich­ter der Men­schen gar nicht mehr, erkennst nicht mehr, wie es ihnen geht oder wie etwas bei ihnen ankommt», so die Seel­sor­ge­rin. Gleich­wohl ver­su­che man, aus der Situa­ti­on das Beste zu machen. Mit Anmel­dun­gen für Got­tes­dien­ste arbei­te man nicht. Das sei nur eine wei­te­re Hemm­schwel­le, so Chri­sti­na Bur­ger. Unse­re Lek­to­ren machen Begrüs­sungs­dienst vor der Kir­che, das kom­me gut an und schaf­fe Nähe in der aktu­el­len Situa­ti­on. Gera­de die älte­ren Men­schen schätz­ten das sehr, sei­en doch eini­ge ver­un­si­chert und wüss­ten nicht genau, wie sich ver­hal­ten müss­ten, wenn sie bei­spiels­wei­se die Mas­ke ver­ges­sen hätten.

Böse Reak­tio­nen, wenn es einer zu viel ist

Etwas opti­mi­sti­scher gibt sich Micha­el Lep­ke, Lei­ter des Pasto­ral­raums Sig­gen­thal. «Wir las­sen uns von der Situa­ti­on nicht depri­mie­ren und ver­su­chen ein­fach, das Beste aus der Situa­ti­on zu machen» sagt er stell­ver­tre­tend für sein Team. «Wir fei­ern schö­ne und hei­te­re Got­tes­dien­ste und ver­su­chen, den Men­schen Hoff­nung zu ver­mit­teln». Unschön sei nur, dass man­che Leu­te böse reagier­ten, wenn unvor­her­ge­se­hen doch mal ein paar Men­schen mehr in einem Got­tes­dienst seien.

«Jesus war jemand, der ein­ge­la­den hat, nicht abge­wie­sen», so Micha­el Lep­ke. Aus die­sem Grund wer­de es bei ihm auch sicher­lich kei­ne Weih­nachts­got­tes­dien­ste geben, an denen an der Tür bis 50 gezählt und den nach­fol­gen­den Per­so­nen gesagt wür­de: «Für dich hat es kei­nen Platz mehr.»

Sig­gen­thal hält an Senio­ren­an­läs­sen fest

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«Wenn das so bleibt, wer­den wir kei­ne Weih­nacht­got­tes­dien­ste fei­ern kön­nen», schätzt der Gemein­de­lei­ter. In sei­nem Pasto­ral­raum kom­men in man­chen die­ser Got­tes­dien­ste bis zu 450 Per­so­nen zusam­men. Schon die belieb­ten Fami­li­en­got­tes­dien­ste, die in der Regel von deut­lich mehr als 50 Per­so­nen besucht wer­den, wur­den gestri­chen. Die Senio­ren­an­läs­se fän­den aber weit­ge­hend statt – und zwar unter Ein­hal­tung des Sicher­heits­ab­stan­des und mit Mas­ken­pflicht. Klar gehö­ren älte­re Men­schen zur Risi­ko­grup­pe, aber die­se könn­ten ja selbst ent­schei­den, ob sie kom­men woll­ten oder nicht, meint Micha­el Lepke.

Froh ist der Pasto­ral­raum­lei­ter, dass man die Pfle­ge­hei­me noch besu­chen und dort auch Got­tes­dien­ste fei­ern dür­fe – wenn­gleich auch ohne Kom­mu­ni­on. «Der Lock­down mit Besuchs­ver­bot hat klar gezeigt: Vie­le älte­re Men­schen haben enorm abge­ge­ben in die­ser Zeit.»

Coro­na wird die Seel­sor­ge verändern

«Auch Chri­sti­na Bur­ger will die Situa­ti­on nicht ein­fach so hin­neh­men. «Wir als Seel­sor­gen­de sind her­aus­ge­for­dert, Seel­sor­ge neu zu gestal­ten», sagt sie und ist über­zeugt, dass da schon Auf­brü­che pas­sie­ren wer­den. «Ich sehe noch nicht, wie das gesche­hen soll, aber: Coro­na wird die Seel­sor­ge verändern».

Die Her­aus­for­de­rung anneh­men will auch Ste­phan Stad­ler, Pasto­ral­raum­pfar­rer in Muri. «Für die kom­men­de Zeit des Advents und der Weih­nachts­zeit wol­len wir ein viel­fäl­ti­ges Ange­bo­te anbie­ten», erklärt er gegen­über Hori­zon­te. So soll es – alters­spe­zi­fisch und nach Grup­pie­run­gen meh­re­re «klei­ne Fei­ern», «Impul­se» und «Sta­tio­nen­we­ge» geben. Ange­dacht sei­en auch Impul­se, Medi­ta­tio­nen und für Fami­li­en mit Kin­dern Geschich­ten und mit Bastel­an­lei­tun­gen zum Mitnehmen.

Andreas C. Müller
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