«Mode und Reli­gi­on» interreligiös

  • Die Zei­tung «zVi­si­te» ist eine inter­re­li­giö­se Gemein­schafts­pro­duk­ti­on, an der auch Hori­zon­te mitgestaltet.
  • Jeweils zur «Woche der Reli­gio­nen» im Novem­ber erscheint die aktu­el­le Aus­ga­be. Die­ses Jahr zum The­ma «Mode und Religion».
  • Der Auf­takt­ar­ti­kel befasst sich mit Glau­be, Stil und Iden­ti­tät: Wie wir uns klei­den, zeigt, wer wir sind und wo wir hin­ge­hö­ren. Beein­flusst auch die reli­giö­se Über­zeu­gung den Griff in den Kleiderschrank? 
 Nicht nur der Teu­fel trägt Pra­da, auch der Papst. Und selbst wenn der Vati­kan beteu­ert, die roten Pra­da-Schu­he von Papst Bene­dikt XVI. sei­en kei­ne modi­schen Acces­soires, son­dern bewusst gewähl­tes lit­ur­gi­sches Sym­bol (rot wie das Blut Chri­sti), macht die media­le Auf­merk­sam­keit für die muti­ge Wahl des katho­li­schen Wür­den­trä­gers deut­lich: Mode und Reli­gi­on haben eine lan­ge und inni­ge Beziehung. 

Reli­gi­on macht Mode

Mode­de­si­gner beein­flus­sen einer­seits die kle­ri­ka­le Gar­de­ro­be, sie las­sen sich von ihr aber auch inspi­rie­ren. So fin­den sich etwa in den Kol­lek­tio­nen von Chri­sta de Carouge, Karl Lager­feld oder Jil San­der Klei­der und Män­tel, die durch­aus an klö­ster­li­che Tra­di­tio­nen erin­nern. Und Mode­ma­cher wie H&M und Nike ver­die­nen unter dem Label «Isla­mic Fashion»längst viel Geld, indem sie Mus­li­min­nen von oben bis unten stil­voll ver­hül­len.

Mit reli­giö­ser Klei­dung wird auch Poli­tik gemacht

Doch mit reli­giö­ser Klei­dung wer­den nicht nur Geschäf­te gemacht, son­dern auch Poli­tik. Der Reli­gi­ons­wis­sen­schaft­ler und Histo­ri­ker Valen­ti­no Lean­za beob­ach­tet, dass in den letz­ten Jah­ren die Auf­merk­sam­keit für die «Sicht­bar­keit von Reli­gi­on» hier­zu­lan­de deut­lich zuge­nom­men habe. Ein Grund dafür sei die ver­stärk­te Migra­ti­on von Men­schen aus dem ara­bi­schen und afri­ka­ni­schen Raum. «Wenn über ein Bur­ka-Ver­bot abge­stimmt wird, schafft man für die­ses Klei­dungs­stück viel Auf­merk­sam­keit. Und die Emo­tio­nen, die das Stück Stoff aus­löst, wer­den genutzt und ver­stärkt», meint Lean­za. Die fort­schrei­ten­de Säku­la­ri­sie­rung sei ein wei­te­rer Grund dafür, dass die Leu­te stär­ker auf reli­giö­se Signa­le im öffent­li­chen Raum reagier­ten. «Wo Reli­gi­on immer mehr an Bedeu­tung ver­liert und ins Pri­va­te gedrängt wird, gel­ten reli­giö­se Klei­der und Acces­soires oft­mals als rück­stän­dig und als Zei­chen für Unter­drückung und Nicht­in­te­gra­ti­on.»

Das Video der bei­den Foto­gra­fen Nora Stef­fen und Domi­nic Wen­ger zu die­ser «Mode­schau mit Tiefgang»

Mode macht Religion

Die Art, sich zu klei­den, ob reli­gi­ös, sport­lich, ele­gant, sexy oder bie­der, ist immer ein State­ment. Der Satz des Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­lers Paul Watz­la­wick, «Man kann nicht nicht kom­mu­ni­zie­ren», trifft auch auf unse­re Klei­der zu. Sie schüt­zen nicht nur vor Käl­te, Hit­ze und neu­gie­ri­gen Blicken, sie klä­ren auch Situa­tio­nen, stif­ten Iden­ti­tät und hel­fen, uns in der Gesell­schaft zu ver­or­ten. Das mus­li­mi­sche Kopf­tuch, das christ­li­che Schmuck­kreuz oder der Tur­ban der Sikhs signa­li­sie­ren ein­deu­tig, zu wel­cher Grup­pe die Trä­ge­rin­nen und Trä­ger gehö­ren. Die­se Signa­le wir­ken sowohl nach aus­sen als auch nach innen. Des­halb be- zeich­net Valen­ti­no Lean­za die Klei­dung als «Schnitt­stel­le» der Innen- und Aus­sen­per­spek­ti­ve. Eine Schnitt­stel­le, an der es zu kom­ple­xen Abwä­gungs- und Aus­hand­lungs­pro­zes­sen kom­me. Als Bei­spiel nennt er eine jun­ge Frau aus einer christ­li­chen Gemein­schaft, die sich expli­zit schlicht klei­de, fri­sie­re und eine Hals­ket­te mit Kreuz tra­ge. «Die Fra­gen ihrer Mit­schü­le­rin­nen zwin­gen sie, sich bewusst zu machen, war­um sie was tut», erklärt Lean­za. «Sie setzt sich mit ihrem Glau­ben aus­ein­an­der, was ihr letzt­lich zu einer reflek­tier­te­ren reli­giö­sen Hal­tung ver­hilft.»

Mode und Reli­gi­on zie­hen sich an und stos­sen sich ab

Mode und Reli­gi­on haben vie­les gemein­sam, beein­flus­sen sich gegen­sei­tig, zie­hen sich an und stos­sen sich ab. Der Mut­ter des ver­stor­be­nen Mode­schöp­fers Karl Lager­feld wur­de einst pro­phe­zeit, ihr Sohn wer­de Geist­li­cher. So ganz dane­ben lag das Ora­kel nicht: Lager­feld zeig­te sich der Öffent­lich­keit stets mit weis­sem Prie­st­er­kra­gen und wür­de­vol­lem Win­ken. Kein Wun­der, wur­de er «Mode­papst» genannt. 
Marie-Christine Andres Schürch
mehr zum Autor
nach
soben