«Intel­li­gen­te Men­schen brau­chen kein Geld»

  • Der gebür­ti­ge Deut­sche Oswald Grü­bel lei­te­te wäh­rend Jah­ren die bei­den gröss­ten Ban­ken der Schweiz, die CS und die UBS. Mit Kolum­nen und Auf­trit­ten in Radio und Fern­se­hen wur­de er eine öffent­li­che Person.
  • Am 8. Novem­ber dis­ku­tiert er im Rah­men des Podi­ums Was­ser­schloss in Gebens­torf mit dem eme­ri­tier­ten Bas­ler Sozio­lo­gie­pro­fes­sor Ueli Mäder über die Macht des Geldes.
 Herr Grü­bel, nach lan­gen Jah­ren als erfolg­rei­cher CEO bei den gröss­ten Ban­ken der Schweiz tref­fen wir Sie in einem Büro mit­ten in Zürich. Sind Sie noch beruf­lich aktiv? Nein.Aber wozu dann die­ses Büro? Ich ver­wal­te mein Ver­mö­gen selbst. Ich bin glück­lich, dass ich mir durch Jah­re har­ter Arbeit ein Ver­mö­gen auf­bau­en konn­te. Aber «Ver­wal­ten» ist eigent­lich der fal­sche Aus­druck. Ich arbei­te damit. In jün­ge­ren Jah­ren habe ich mich dar­auf kon­zen­triert, mein Ver­mö­gen zu ver­meh­ren, im Alter wird mir zuneh­mend wich­ti­ger, wie ich es ein­set­ze.Am 8. Novem­ber dis­ku­tie­ren Sie in Gebens­torf über die Macht des Gel­des. Was bedeu­tet Ihnen Geld? Geld ist für mich, da ich aus der Finanz­bran­che kom­me, zunächst ein­mal ein Zah­lungs­mit­tel. Etwas, womit unse­re Arbeit ent­löhnt wird; etwas, das wir im All­tag brau­chen – etwas, das man gezwun­ge­ner­mas­sen haben muss, um in der heu­ti­gen Gesell­schaft leben zu kön­nen.Und jetzt mal ganz pla­ka­tiv gefragt: Was bedeu­tet es, von der Macht des Gel­des zu spre­chen? Wie mäch­tig ist das Geld Ihrer Ansicht nach? Je mehr Geld Sie zur Ver­fü­gung haben, desto mehr kön­nen Sie bewir­ken und beein­flus­sen. Ein­fluss klingt, wie ich fin­de, bes­ser als Macht. Geld ist neu­tral, wir Men­schen ent­schei­den, wie wir Geld ein­set­zen wol­len: ob fürs Gute oder Schlech­te.Schenkt Geld auch Frei­heit? Ja, Geld bedeu­tet auch eine gewis­se Frei­heit. Wirk­li­che Frei­heit haben wir nur, wenn unser Geist frei ist. Vie­le Men­schen, die ein gros­ses Ver­mö­gen besit­zen, sind nicht frei, weil sie dafür zu viel arbei­ten müs­sen.War­um denn? Die­se Men­schen könn­ten ja arbei­ten las­sen? So ein­fach ist es nicht. Natür­lich stel­len sie Leu­te an, aber es geht ihnen dar­um, das Erreich­te, das Geschäft, das sie betrei­ben, zu ver­grös­sern oder zu ver­bes­sern. Inso­fern haben ver­mö­gen­de Men­schen oft eine sehr begrenz­te Frei­heit, weil sie fort­wäh­rend bestrebt sind, erfolg­rei­cher zu wer­den.Wie viel Geld braucht man eigent­lich, damit es einem Macht ver­leiht? Das kommt auf Ihre Intel­li­genz an. Je intel­li­gen­ter Sie sind, desto weni­ger Geld oder Macht brau­chen Sie. Vie­le intel­li­gen­te Men­schen brau­chen weni­ger oder kein Geld.Wol­len Sie damit sagen: Wenn man wirk­lich intel­li­gent ist, braucht man kein Geld? Ja, weil Sie es sich jeder­zeit mit Ihrer Intel­li­genz beschaf­fen kön­nen. Wirk­lich Rei­che haben mei­stens ein Geschäft auf­ge­baut. Dem­ge­gen­über gibt es Men­schen, die stets Mög­lich­kei­ten fin­den, dass ande­re sie unter­stüt­zen. Sei es in der Kunst oder in ande­ren Betä­ti­gungs­fel­dern. Das sind bewun­derns­wer­te Men­schen… und sie sind bestimmt frei­er.Aber wie schafft man das? Ohne die Macht des Gel­des? Nur mit der Macht des Gei­stes.Was ist mäch­ti­ger als das Geld? Der Glau­be an eine Reli­gi­on. Wenn Sie über­le­gen, wel­chen Ein­fluss Reli­gio­nen in der uns bekann­ten Geschich­te hat­ten und auch heu­te haben, dann kommt Geld erst an zwei­ter Stel­le.Sind Sie ein gläu­bi­ger Mensch, Herr Grü­bel? Kommt dar­auf an…Wor­an glau­ben Sie? Ich glau­be an die Wer­te mei­ner christ­li­chen Erzie­hung.In den letz­ten Jahr­zehn­ten hat sich Geld in immer grös­se­ren Men­gen in den Hän­den von immer weni­ger Per­so­nen kon­zen­triert. Auch in der Schweiz. Inwie­weit scha­det dies einer Gesell­schaft? Dass es der Gesell­schaft scha­det, ist eine weit ver­brei­te­te The­se. Aber sie stimmt nicht.Sie stimmt nicht? Vor 100 Jah­ren hat­ten wir 80 Pro­zent hun­gern­de Men­schen in der Welt, heu­te sind es noch 10 Pro­zent, und in fast jedem Land zah­len die 20 Pro­zent reich­sten Men­schen 80 Pro­zent der Steu­ern. Ohne die Rei­chen wür­den unse­re Demo­kra­tien kol­la­bie­ren.Aber wie sieht es mit der Legi­ti­ma­ti­on aus? Bank­ma­na­ger wie Sie einer waren, ver­die­nen in der Aus­übung ihres Beru­fes sehr gut, die Kas­sie­re­rin im Super­markt mit 4000 Fran­ken im Monat hin­ge­gen nicht. Zudem lei­sten vor allem Frau­en ganz viel unent­gelt­li­che Care-Arbeit bei der Betreu­ung von kran­ken und alten Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen. Wie lässt sich das Ihrer Ansicht nach recht­fer­ti­gen? Es geht doch nicht um Recht­fer­ti­gung, heu­te ist jeder frei, zu wer­den was er will. Ich war immer bereit, jede Arbeit zu machen, um wei­ter zu kom­men. Aber ich habe mir auch nicht alles sagen las­sen – mit dem Risi­ko, dass ich ent­las­sen wer­den kann. Ich war stets über­zeugt, dass ich wie­der eine Arbeit fin­de.Aber ist es denn nicht unfair, wenn bei­spiels­wei­se Ban­ker mehr ver­die­nen als Men­schen mit einem ande­ren Büro­job? Wenn dem so wäre, wür­den alle Ban­ker wer­den. Als aus­ge­lern­ter Bank­lehr­ling habe ich 1963 im Monat 190 Deut­sche Mark ver­dient. Wenn Sie glau­ben, das wäre mehr gewe­sen als 4000 Fran­ken heu­te, dann täu­schen Sie sich. Auch müs­sen wir berück­sich­ti­gen, dass mehr und mehr Arbeit­neh­mer bewusst einen tie­fe­ren Lohn in Kauf neh­men, um eine aus­ge­gli­che­ne­re Work-Life-Balan­ce zu haben. .In der Schweiz besitzt laut Unter­su­chun­gen jede 40ste Per­son über eine Mil­li­on Fran­ken. Ist ein gut funk­tio­nie­ren­des, demo­kra­tisch abge­stütz­tes Staats­ge­bil­de för­der­li­cher für Ver­mö­gens­wachs­tum als bei­spiels­wei­se ein Land wie Chi­na oder Russ­land? Auf jeden Fall, und des­halb haben alle Schwei­zer ein bes­se­res Leben als die Men­schen in ande­ren Staa­ten.Man­che lei­ten aus der Ver­mö­gens­kon­zen­tra­ti­on eine gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung für die Wohl­ha­ben­den ab. Sehen Sie das auch so? Und wenn ja: Wie müss­te die­se aus­se­hen? Die­se Ver­ant­wor­tung gibt es schon durch Steu­ern und Abga­ben. Dar­über hin­aus ist jeder selbst ver­ant­wort­lich für das, was er tut. Wenn 20 Pro­zent über 80 Pro­zent der Steu­ern und Abga­ben zah­len, besteht aller­dings eine Abhän­gig­keit der Mehr­heit von der Min­der­heit.Und was machen Sie? Ich unter­stüt­ze Jahr für Jahr ver­schie­den­ste Orga­ni­sa­tio­nen, die ich unter­stüt­zens­wert fin­de. 
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben