«Integration lässt sich nicht einfordern»

«Integration lässt sich nicht einfordern»

«Integration lässt sich nicht einfordern»

Interreligiöses Gespräch zum Eidgenössischen Dank‑, Buss- und Bettag

Bun­des­gericht­sentschei­de zu Schwimm­unterricht und Kopf­tuch und der Umgang mit Radikalen – diese und andere ­Berührungspunk­te von Staat und Religion waren in Basel The­ma eines interre­ligiös beset­zten Podi­ums­ge­sprächs am Bet­tag.Tol­er­anz und Neu­tral­ität – die bei­den Begriffe ste­hen im Zen­trum, wenn es um Reli­gions­frei­heit und das Ver­hält­nis von Staat und Reli­gion­s­ge­mein­schaften geht. Tol­er­anz sei die säku­lar­isierte Form von Näch­sten­liebe und gehe über ein bloss­es Dulden hin­aus, erläuterte der Jurist Kon­rad Sahlfeld im Impul­srefer­at zum Podi­ums­ge­spräch, zu dem das Inter­re­ligiöse Forum Basel am Bet­tag in die Aula der Uni­ver­sität Basel ein­ge­laden hat­te. Der Staat ist zu religiös­er und weltan­schaulich­er Neu­tral­ität verpflichtet und muss die Rechte aller Bürg­er schützen. «Reli­gions­frei­heit kann nicht uneingeschränkt gewährleis­tet wer­den», sagte Sahlfeld.Die juris­tis­che Zun­ft war mit der ehe­ma­li­gen Bun­desrich­terin Vera Rot­ten­berg Lia­tow­itsch auch auf dem Podi­um vertreten. Sie hat an der zivil­rechtlichen Abteilung gear­beit­et, sei aber an reli­gion­srechtlichen Entschei­den sehr inter­essiert gewe­sen, berichtete sie. Ihr Cre­do lautet: Der Staat sollte nur ein­schre­it­en, wenn es nötig sei. Rechtlich ein­fordern lasse sich nur das Ein­hal­ten von Geset­zen, betonte sie. «Inte­gra­tion lässt sich nicht ein­fordern.» Diese passiere auf gesellschaftlich­er Ebene.Sie illus­tri­ert dies am Beispiel des Schwimm­unterrichts, bei dem das Bundes­gericht seine Prax­is geän­dert hat. Nun sind alle Kinder an staatlichen Schulen verpflichtet, am gemis­cht­geschlechtlichen Schwimm­unterricht teilzunehmen. Aus der Sicht der ehe­ma­li­gen Bun­desrich­terin ist dies falsch. Man müsse auf den konkreten Fall bezo­gene Lösun­gen find­en.Einigkeit bestand auf dem Podi­um darüber, dass in vie­len Fällen im Gespräch Kom­pro­misse erre­icht wer­den kön­nten. So hätte man sich in der Ther­wiler Hand­schla­gaffäre über­legen kön­nen, was der Hand­schlag aus­drücke, und dass es andere Möglichkeit­en der Respek­t­bezeu­gung gebe, sagte Marie-Theres Beel­er, die als Liestaler Stadträtin die Exeku­tivpoli­tik ver­trat. Miteinan­der reden sei schön, aber man dürfe das Prob­lem auch nicht banal­isieren, gab Vera Rot­ten­berg zu bedenken. Wichtig sei, die Moti­va­tion hin­ter ein­er Hal­tung anzuschauen. So habe die Prob­lematik beim Hand­schlag­fall darin bestanden, dass die Ver­weigerung Aus­druck von Frauen­ver­ach­tung war.Die Gren­zen des Gesprächs sieht Rot­ten­berg auch, wenn es um extreme Grup­pierun­gen geht, welch­er religiös­er Couleur auch immer. Hier sei der Staat gefordert, zumal es auch um Dinge gehe, die gegen das Recht ver­stossen. Rab­bin­er Moshe Baumel sieht die Reli­gion­s­ge­mein­schaften selb­st in der Pflicht und ver­weist im Übri­gen auf den Staatss­chutz.In der Wun­schrunde zum Schluss sprachen sich die meis­ten für einen ver­stärk­ten und bre­it­eren Dia­log aus. Auch der Wun­sch nach mehr Aufk­lärung und Infor­ma­tion war zu hören. «Mehr Kinder sollen die anderen Reli­gio­nen ken­nen ler­nen», sagte Baumel, der an Ver­anstal­tun­gen wie dem Bet­tagspodi­um die jün­gere Gen­er­a­tion ver­misst.Reg­u­la Vogt-Kohler
Redaktion Lichtblick
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