In der Lit­ur­gie spricht Gott zu sei­nem Volk

In der Lit­ur­gie spricht Gott zu sei­nem Volk

Vor 50 Jah­ren hat das Zwei­te Vati­ka­ni­sche Kon­zil die Wei­chen für die Kir­che neu gestellt. Beson­ders anschau­lich und kon­kret sind die Ver­än­de­run­gen im Bereich des Got­tes­dien­stes. Erleb­ten die Gläu­bi­gen die­se vor dem Kon­zil als Anwe­sen­de, gestal­ten sie heut­zu­ta­ge aktiv die ver­schie­de­nen Got­tes­dienst­for­men mit. Im Rah­men des Jubi­lä­ums­jahr «Den Glau­ben fei­ern», zeigt das Lit­ur­gi­sche Insti­tut der deutsch­spra­chi­gen Schweiz in einer Arti­kel­rei­he an aus­ge­wähl­ten Bei­spie­len die Trag­wei­te der kon­zi­lia­ren Lit­ur­gie­re­form. Im drit­ten Teil der Rei­he beleuch­tet Gun­da Brüs­ke die Reform der Leseordnung. Wie wirkt es, wenn ein Prie­ster das Evan­ge­li­um mit dem Rücken zur Gemein­de spricht? Was geht in den Kirch­be­su­chern vor, wenn sie die Tex­te nicht ver­ste­hen, die gespro­chen wer­den? Wenn sie Gebe­te nicht hören, weil der Prie­ster sie lei­se spricht? Aus heu­ti­ger Sicht ist dies schwer vor­stell­bar, so gross ist der Kon­trast zwi­schen der Lit­ur­gie vor und nach dem Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil.Ein Man­gel als Hintergrund Schon vor dem Kon­zil wur­den Schwä­chen der Lese­ord­nung dis­ku­tiert: Die Beschäf­ti­gung mit dem Wort Got­tes for­der­te eine stär­ke­re Prä­senz der Bibel in der Lit­ur­gie; die Ver­kün­di­gung in der Volks­spra­che war ein gros­ses The­ma. Es bestand Hand­lungs­be­darf. Der nach­drück­li­che Auf­trag der Kon­zils­vä­ter hiess, dass «inner­halb einer bestimm­ten Anzahl von Jah­ren die wich­tig­sten Tei­le der Hei­li­gen Schrif­ten dem Volk vor­ge­tra­gen wer­den» soll­ten. Hin­ter­grund die­ses Auf­tra­ges ist ein Man­gel: Alle Sonn- und Fest­tags­le­sun­gen wie­der­hol­ten sich jähr­lich. Es wur­de fast nur aus dem Mat­thä­us­evan­ge­li­um gele­sen. Alt­te­sta­ment­li­che Lesun­gen fehl­ten bei­na­he ganz. Wochen­tags wie­der­hol­te man oft die Lesun­gen vom Sonn­tag. Ein mehr als tau­send Jah­re alter Zustand. Die Revi­si­on der Lese­ord­nung: eine epo­cha­le Ange­le­gen­heit.In der Pra­xis erprobt Dass die Auf­ga­be in weni­gen Jah­ren bewäl­tigt wur­de, liegt an Dis­kus­sio­nen und Vor­ar­bei­ten im Vor­feld des Kon­zils und zum erheb­li­chen Teil dar­an, dass vie­le Per­so­nen aus Lit­ur­gie­wis­sen­schaft und Pasto­ral, sogar Bischofs­kon­fe­ren­zen mit dem «Rat für die Aus­füh­rung der Lit­ur­gie­kon­sti­tu­ti­on» zusam­men­ar­bei­te­ten. Ver­schie­de­ne Model­le wur­den in zahl­rei­chen Län­dern erprobt. Erfah­run­gen aus der Pasto­ral gin­gen in Rom in die lau­fen­den Arbei­ten ein. Es folg­te eine welt­wei­te Ver­nehm­las­sung. Rück­mel­dun­gen wur­den ein­ge­ar­bei­tet. Am 25. Mai 1969 konn­te schliess­lich die neue Lese­ord­nung ver­öf­fent­licht wer­den: mehr als nur ein Schreib­tisch­werk.Alle vier Evangelien Und die kon­kre­te Umset­zung? Die Evan­ge­li­en nach Mat­thä­us, Mar­kus und Lukas wur­den jeweils einem (Lese)Jahr, das Johan­nes­evan­ge­li­um den Fest­zei­ten zuge­ord­net. Jeder Sonn- und Fest­tag erhielt drei Lesun­gen: eine alt­te­sta­ment­li­che, eine aus der neu­te­sta­ment­li­chen Brief­li­te­ra­tur und das Evan­ge­li­um. Die alt­te­sta­ment­li­che Lesung hat einen Bezug zum Evan­ge­li­um, wel­ches fort­lau­fend, Sonn­tag für Sonn­tag, gele­sen wird. Innert drei Jah­ren kom­men alle vier Evan­ge­li­en voll­stän­dig zu Gehör. Die Wochen­ta­ge beka­men eben­falls eige­ne Lesun­gen. Der Reich­tum der Schrift und die Man­nig­fal­tig­keit der bibli­schen Ver­kün­di­gung kom­men nun zur Gel­tung.Pro­ble­ma­ti­sche Zuordnung Den­noch: Es feh­len Lesun­gen, vie­le Tex­te, die von gros­sen Frau­en­ge­stal­ten erzäh­len oder wich­ti­ge alt­te­sta­ment­li­che Peri­ko­pen. Das wird zu Recht kri­ti­siert. Auch die Zuord­nung von alt­te­sta­ment­li­cher Lesung und Evan­ge­li­um kann zuwei­len pro­ble­ma­tisch sein, wenn das Erste Testa­ment als Nega­tiv­fo­lie für das befrei­en­de Han­deln Jesu her­hal­ten muss. Trotz­dem ist die­se Lese­ord­nung, wie ein durch­aus kri­ti­scher Lit­ur­gie­wis­sen­schaft­ler ein­mal fest­stell­te, die beste, die die römisch-katho­li­sche in ihrer Geschich­te jemals hat­te.Aus­le­gung in der Predigt Weil sich der Reich­tum der Schrif­ten nicht von selbst erschliesst, braucht es die Pre­digt. So haben die Kon­zils­vä­ter bestimmt, dass man die Pre­digt an Sonn- und Fei­er­ta­gen nicht aus­fal­len las­sen darf. Schliess­lich hat die bibli­sche Ver­kün­di­gung jetzt, nach dem Kon­zil, ganz real einen neu­en Platz im Kir­chen­raum gefun­den: Den Ambo, der die Kan­zel abge­löst hat. Er bil­de­te, als Tisch des Wor­tes, gemein­sam mit dem Altar, dem Tisch des Bro­tes, das lit­ur­gi­sche Zen­trum des Rau­mes.Gun­da Brüske/ajwww.liturgie.ch
Redaktion Lichtblick
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