Im Namen der Bibel, der Gerech­tig­keit und des Ser­vice public

Die Revi­si­on des Radio- und Fern­seh­ge­set­zes aber auch die Ein­füh­rung einer Erb­schafts­steu­er sor­gen für kon­tro­ver­se Dis­kus­sio­nen. Befür­wor­ter und Geg­ner füh­ren dabei aller­lei ins Feld, sogar die Bibel. Kirch­li­che Krei­se votie­ren für bei­de Vor­la­gen. Bei der Erb­schafts­steu­er stützt sich die Argu­men­ta­ti­on auf die christ­lich ori­en­tier­te Sozi­al­ethik, bei der RTVG-Revi­si­on hofft man auf eine lang­fri­sti­ge Siche­rung des Ser­vice public, von dem auch reli­giö­se Sen­dun­gen abhängen.Die Initia­ti­ve für eine bun­des­wei­te Erb­schafts­steu­er zugun­sten der AHV wie auch der Vor­schlag zur Revi­si­on des Radio- und Fern­seh­ge­set­zes wur­de in den Medi­en bereits kon­tro­vers dis­ku­tiert. Wie immer, wenn es um Steu­ern und Gebüh­ren geht, stellt sich die Fra­ge, inwie­weit die­se gerecht­fer­tigt und gerecht sind. Hier­bei pral­len jeweils reflex­ar­tig die bei­den der­zeit domi­nie­ren­den Staats­auf­fas­sun­gen auf­ein­an­der, wie auch Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki vom Sozi­al­in­sti­tut der Katho­li­schen Arbei­ter­be­we­gung der Schweiz bestä­tigt: «Auf der einen Sei­te haben wir jene, die in Anleh­nung an Adam Smith den Staat, über­haupt die Gemein­schaft, ledig­lich als Sum­me von Ein­zel­in­di­vi­du­en sehen und der Auf­fas­sung sind, dass sich der Staat so wenig als mög­lich in die Belan­ge des Gemein­wohls ein­zu­mi­schen habe. Ein mög­lichst frei­er Markt reg­le das Wohl aller bes­ser als staat­li­che Inter­ven­ti­on.» Dem­ge­gen­über stün­den Auf­fas­sun­gen wie die christ­lich ori­en­tier­te Sozi­al­ethik, die davon aus­ge­hen, dass Pri­vi­le­gi­en und Talen­te im Leben per se unge­recht ver­teilt sei­en und sich der Wert einer Gesell­schaft dar­in zei­ge, wie gut es jenen gehe, die am wenig­sten haben.Die Bibel als Stein­bruch Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki kri­ti­siert indes­sen eine weit ver­brei­te­te Argu­men­ta­ti­ons­schie­ne aus kirch­li­chen Krei­sen, wonach sich eine Erb­schafts­steu­er als gerech­te Steu­er allein schon biblisch begrün­den lässt. «Die Bibel als Stein­bruch zu gebrau­chen, dünkt mich der fal­sche Ansatz», so der Sozi­al­ethi­ker. «Hin­ge­gen lässt sich eine Erb­schafts­steu­er vom Gerech­tig­keits­ide­al her gut begrün­den, das die Kir­che ver­tritt. Dem­nach ver­pflich­tet Besitz zum Tei­len, ins­be­son­de­re wenn es sich um eine Erb­schaft han­delt, also qua­si Geld, das man geschenkt erhält.»Gefan­ge­ne des Wunsch­den­kens Geschenkt? Geld und ande­re Ver­mö­gens­wer­te wie Unter­neh­men und Immo­bi­li­en, die aus der eige­nen Fami­lie stam­men? Für vie­le Men­schen sind das Wer­te, die allen Fami­li­en­mit­glie­dern schon immer gehört haben, ledig­lich samt der damit ver­bun­de­nen Ver­ant­wor­tung für die näch­sten Gene­ra­tio­nen über­ge­ben wur­den? Vor dem Hin­ter­grund einer der­ar­ti­gen Auf­fas­sung muss ein­leuch­ten, wes­halb die Idee einer Besteue­rung der Nach­fol­ge­re­ge­lung zu Wider­stän­den führt, wäh­rend hin­ge­gen die Besteue­rung eines Lot­te­rie-Gewinns als unum­strit­ten erscheint. Letz­te­rer gilt in den Augen der mei­sten Men­schen tat­säch­lich als Geschenk, als Gewinn, der einem zufällt. Tho­mas Wal­li­man-Sasa­ki meint dem­ge­gen­über aller­dings, dass der Wider­stand gegen­über einer Erb­schafts­steu­er ganz ande­re Ursa­chen hat: « Das Pro­blem ist das­sel­be wie bei den Mie­tern und Haus­be­sit­zern. Nur weil die Leu­te glau­ben, sie wür­den der­einst auch ein­mal Wohn­ei­gen­tum besit­zen, reden sie der Poli­tik der Haus­ei­gen­tü­mer das Wort. Dabei trifft die Erb­schafts­steu­er ja erst Ver­mö­gen und Schen­kun­gen ab einer Höhe von 2 Mil­lio­nen Fran­ken. 90 Pro­zent der Bevöl­ke­rung sind davon nicht betrof­fen. Ich glau­be, ein Gross­teil der Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zer hat kei­ne Ahnung, wie es um die Ver­mö­gens­ver­tei­lung in unse­rem Land eigent­lich bestellt ist.»Gelei­tet von mythen­ge­nähr­ten Über­zeu­gun­gen Und wie steht es mit dem Reflex gegen wei­te­re Regu­lie­run­gen und Steu­ern? Der über Mythen genähr­te Wider­stand gegen die Steu­er­vög­te? Begrün­det sich die Oppo­si­ti­on gegen eine Erb­schaft­steu­er zudem nicht auch in der Auf­fas­sung, dass eine im Ver­gleich zum übri­gen Euro­pa kom­for­ta­ble Steu­er­be­la­stung den wirt­schaft­li­chen Erfolg der Schweiz und damit den Wohl­stand aller mit­ga­ran­tiert? «Eine Steu­er ist ja im Grun­de kei­ne Zwangs­ab­ga­be – auch wenn das vie­len Men­schen als das erscheint», meint Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki. «Steu­ern sind viel­mehr Aus­druck dafür, dass wir nur gemein­sam unse­re Gesell­schaft auf­bau­en und unter­hal­ten kön­nen», meint der Sozi­al­ethi­ker.Gibt es gerech­te Steu­ern? Bei der Dis­kus­si­on um die Ein­füh­rung einer jeden neu­en Steu­er oder Gebühr stellt sich immer wie­der die Fra­ge, inwie­weit die­se gerecht ist? Gibt es gerech­te­re und weni­ger gerech­te Steu­ern? Ist eine indi­rek­te Steu­er wie die Mehr­wert­steu­er eine gerech­te­re Steu­er? «Ein voll­stän­dig gerech­tes Steu­er­sy­stem gibt es nicht, wir leben ja auf der Welt und nicht im Him­mel», meint Tho­mas Wal­li­mann-Sasa­ki. «Auch eine Mehr­wert­steu­er bela­stet klei­ne­re Ein­kom­men stär­ker als jene der Bes­ser­ver­die­nen­den. Aber sie macht alle Kon­su­mie­ren­den an der Kas­se gleich.» Anders sähe es bei der Revi­si­on des Radio- und Fern­seh­ge­set­zes aus, meint der Lei­ter des KAB-Sozi­al­in­sti­tuts. «Gerech­ter wäre, da ja alle betrof­fen sind, wenn die Höhe die­ser Abga­be sich nach der Höhe des Ein­kom­mens rich­ten wür­de.»Kampf­spra­che und Stig­ma­ti­sie­rung Bei der Revi­si­on des Radio- und Fern­seh­ge­set­zes von einer Steu­er zu spre­chen, fin­det hin­ge­gen Charles Mar­tig bedenk­lich. «Das ist die Kampf­spra­che des Gewer­be­ver­ban­des, genau­so wie die Stig­ma­ti­sie­rung der SRG als „Staats­sen­der“, was sach­lich falsch ist. Die SRG ist als ein Ver­ein orga­ni­siert», meint der Direk­tor des Katho­li­schen Medi­en­zen­trums und Mit­glied des Publi­kums­ra­tes der SRG in der Deutsch­schweiz. Für Charles Mar­tig ist klar: Bei Annah­me der Vor­la­ge wird es für den Ein­zel­nut­zer gün­sti­ger. Da pro­fi­tie­ren alle Haus­hal­te, weil die Gebüh­ren um 50 Fran­ken gesenkt wer­den.» Gewiss gäbe es Über­schnei­dun­gen, doch dem tra­ge die Vor­la­ge Rech­nung. «Wer bei­spiels­wei­se in einem Alters­heim wohnt, ist von der Gebühr befreit.»Bedenk­li­che Stell­ver­tre­ter­dis­kus­si­on Egal, ob die RTVG-Vor­la­ge ange­nom­men wird oder nicht: Für kirch­li­che Medi­en ändert sich grund­sätz­lich nichts. Das Katho­li­sche Medi­en­zen­trum, obschon es TV- und Radio­sen­dun­gen pro­du­ziert, erhält nichts aus dem öffent­li­chen Gebüh­ren­fonds. In die Bre­sche sprin­gen die katho­li­sche Medi­en­kol­lek­te, Kir­chen­steu­ern der Lan­des­kir­chen sowie Bei­trä­ge von Fasten­op­fer, die fürs Inland zur Ver­fü­gung gestellt wer­den. Pro­ble­ma­tisch sei jedoch die «Stell­ver­tre­ter­dis­kus­si­on», die aktu­ell rund um die Vor­la­ge geführt wer­de, meint Charles Mar­tig. «Da hat sich eine Lob­by gebil­det, die den Auf­trag der SRG grund­sätz­lich in Fra­ge stellt.» Das wie­der­um kön­ne Aus­wir­kun­gen auf die Pro­duk­ti­on von reli­giö­sen Sen­dun­gen haben, ist der Direk­tor des Katho­li­schen Medi­en­zen­trums über­zeugt. «Wir arbei­ten mit der SRG zusam­men und sind dar­an inter­es­siert, dass die Finan­zie­rung die­ser Insti­tu­ti­on sta­bil bleibt. TV-Über­tra­gun­gen von Got­tes­dien­sten sind finan­zi­ell sehr auf­wen­dig und wür­den mit Sicher­heit unter Druck gera­ten, wenn bei den Sub­ven­tio­nen an die SRG gespart wird. Betrof­fen wären wahr­schein­lich auch ande­re Sen­de­for­ma­te.»Angst der Medi­en­häu­ser vor Kon­kur­renz Die Ursa­che für die aktu­el­le Dis­kus­si­on sieht Charles Mar­tig im wirt­schaft­li­chen Druck, dem die gros­sen Ver­lags­häu­ser im Zuge des aktu­el­len Medi­en­wan­dels aus­ge­setzt sind. «Die Vor­wür­fe lau­ten dahin­ge­hend, dass die SRG mit­tels Gebüh­ren­gel­der im Inter­net Kon­kur­renz­an­ge­bo­te auf­baut. Ent­spre­chend die Kri­tik an der Vor­la­ge. Zuerst soll über den Auf­trag der SRG dis­ku­tiert wer­den, erst spä­ter über die Gebüh­ren. Fak­tisch geht es aber nun zuerst um die aus­rei­chen­de Finan­zie­rung der SRG.» 
Andreas C. Müller
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