Im Gespräch: Prie­ster Cae­sar Hen­ry enga­giert sich in Indi­en für eine unter­drück­te Bevölkerungsgruppe

Im Gespräch: Prie­ster Cae­sar Hen­ry enga­giert sich in Indi­en für eine unter­drück­te Bevölkerungsgruppe

«Alles, was ich möch­te, ist, die Adi­va­si lächeln zu sehen»

Im Gespräch: Prie­ster Cae­sar Hen­ry enga­giert sich in Indi­en für eine unter­drück­te Bevölkerungsgruppe

Die Adi­va­si leben im Nord­osten Indi­ens, vie­le in Hun­ger und Armut und sozi­al geäch­tet. Erst mit dem Fasten­op­f­er­pro­jekt konn­ten sie wie­der am gesell­schaft­li­chen Leben teil­neh­men und ihre Ernäh­rung sichern. Prie­ster Cae­sar Hen­ry, der sie dabei unter­stützt, ist wäh­rend der Öku­me­ni­schen Kam­pa­gne in den Schwei­zer Pfar­rei­en und Schu­len zu Besuch und erzählt.Prie­ster Cae­sar Hen­ry, wes­halb enga­gie­ren Sie sich für die Adivasi? Zusam­men mit den «Unbe­rühr­ba­ren», den Dalit, gehö­ren die Adi­va­si zur Bevöl­ke­rungs­grup­pe, die unter­drückt, aus­ge­grenzt und aus­ge­beu­tet wird, wie kei­ne ande­re in Indi­en: Sie besit­zen kei­ne Rech­te und sind geäch­tet in der Gesell­schaft. In den Adi­va­si sieht man in Assam bloss die Tage­löh­ner auf den Tee­plan­ta­gen. Hun­ger, Analpha­be­tis­mus, Ver­schul­dung und die Unter­drückung der Frau­en brin­gen die Adi­va­si dabei in exi­sten­zi­el­le Nöte.Wie sieht die Zusam­men­ar­beit mit den Adi­va­si aus? Die Adi­va­si müs­sen sich von Geld­ver­lei­hern und aus­nüt­zen­den Kräf­ten befrei­en kön­nen. Getrei­de- und Reis­ban­ken geben ihnen die nöti­ge Eigen­stän­dig­keit (sie­he Info­box). Mitt­ler­wei­le hat sich dar­aus eine gan­ze Bewe­gung gebil­det, von der nun rund 4000 Per­so­nen in 370 Dör­fern pro­fi­tie­ren kön­nen. Die Ani­ma­to­ren des Fasten­op­f­er­pro­jek­tes zei­gen den Adi­va­si, wie die Getrei­de- und Reis­ban­ken funk­tio­nie­ren. Aus­ser­dem müs­sen sie sich poli­tisch ein­brin­gen kön­nen, um für ihre Rech­te ein­zu­ste­hen. Auch dazu wer­den sie geschult. Wir beglei­ten lang­fri­stig Men­schen, damit sie ihre eige­ne Gesell­schaft ver­än­dern kön­nen.Wo lie­gen die gröss­ten Schwierigkeiten? Die Adi­va­si waren so lan­ge unter­drückt und in den Tee­plan­ta­gen so gefan­gen, dass sie ihr Ver­trau­en ver­lo­ren haben. Wir muss­ten ihnen zuerst auf­zei­gen, wie wich­tig es ist, das Land zu besit­zen, auf dem sie arbei­ten. Nur so ist ihre Nah­rungs­si­cher­heit lang­fri­stig gewähr­lei­stet. Und ihre Kul­tur, ihre Iden­ti­tät und Spi­ri­tua­li­tät sind dabei sehr wert­voll, um für die eige­nen Rech­te ein­zu­ste­hen. Mit der Stär­kung der Adi­va­si haben wir uns natür­lich nicht nur Freun­de ein­ge­han­delt, gera­de bei den Geld­ver­lei­hern, die nun ihr Geschäft ver­lo­ren haben.Kön­nen Sie auch über posi­ti­ve Erleb­nis­se berichten? Bis heu­te konn­ten in Assam rund 70 Pro­zent der Adi­va­si, wel­che ihr Land an stam­mes­fer­ne Grup­pen ver­pfän­det hat­ten, ihr Land zurück­ge­win­nen. In vie­len Dör­fern haben die Adi­va­si nun genug zu essen und kön­nen ein wür­di­ges Leben füh­ren. Ihre Kin­der wer­den in die Schu­le geschickt und nie­mand ver­hun­gert. Kein Kind muss mit lee­rem Magen ins Bett. Auch sind sie ins poli­ti­sche Leben ein­ge­bun­den, in der loka­len Selbst­ver­wal­tung. Sie küm­mern sich um die Sozi­al­hil­fe und die Ent­wick­lung der Regi­on. Und von den der­zeit 38 Adi­va­si-Regie­rungs­mit­glie­dern sind 19 Frau­en. Vie­le Adi­va­si lächeln wie­der. Das war alles, was ich woll­te, und es ist mein gröss­tes Glück.Was wün­schen Sie sich für Ihren Besuch bei uns in der Schweiz? Zuerst ein­mal möch­te ich Dan­ke sagen. Obwohl ihr von weit her seid und uns nicht kennt, habt ihr uns berührt, vie­le Adi­va­si leben heu­te befreit und gestärkt. Das moti­viert mich, wei­ter­zu­ma­chen. Zwei­tens möch­te ich sagen, dass wir eine gemein­sa­me Ver­ant­wor­tung haben, eine gerech­te Gesell­schaft auf­zu­bau­en. Ihr habt die Ver­ant­wor­tung, eure Hand aus­zu­strecken, eure Lie­be zu erwei­tern zu den Armen, Unter­drück­ten und an den Rand der Gesell­schaft Gedräng­ten.Inter­view: Dani­el Wie­der­kehr und Mad­lai­na Lippuner/Fastenopfer

Aus­weg Reisbank

Getrei­de- und Reis­ban­ken ermög­li­chen es den Adi­va­si, sich aus der Schul­den­fal­le von Kre­di­ten mit Wucher­zin­sen zu befrei­en. Die Ban­ken basie­ren auf Soli­da­ri­tät, indem die Mit­glie­der ein­an­der gegen­sei­tig zins­los aus­hel­fen. Erst wur­den Getrei­de­ban­ken bei Män­nern umge­setzt. Spä­ter haben die Frau­en ana­log dazu Reis­ban­ken gestar­tet. So wird etwa vor dem Kochen täg­lich eine Hand­voll Reis zurück­ge­hal­ten und gesam­melt. Die­sen legen die Frau­en zusam­men und geben davon an Fami­li­en, die kei­nen Reis für den Tag haben.

Zu Gast in der Schweiz

Cae­sar Hen­ry, der Kam­pa­gnen­gast von Fasten­op­fer, ist Prie­ster der Diö­ze­se Dibru­garh im Bun­des­staat Assam im Nord­osten Indi­ens. Cae­sar Hen­ry stu­dier­te Theo­lo­gie und Poli­tik­wis­sen­schaf­ten. Seit fast 30 Jah­ren arbei­tet er für und mit den Adi­va­si. Die­se gel­ten in Assam als nicht ein­hei­mi­sche eth­ni­sche Grup­pe und wer­den stark benach­tei­ligt. Sie wur­den in der Kolo­ni­al­zeit aus Zen­tral­in­di­en als Arbeits­kräf­te in die Tee­plan­ta­gen geholt. Heu­te arbei­ten noch immer vie­le in den Plan­ta­gen, ande­re bebau­en ihr eige­nes Land. Die einen sind sehr schlecht bezahlt, die ande­ren ver­lie­ren ihr Land auf­grund von Ver­schul­dung oder der Aus­deh­nung der Tee­plan­ta­gen auf ihren Böden. Auf die­sem Hin­ter­grund enga­giert sich Cae­sar Hen­ry für die Adi­va­si: «Ich betrach­te es als mei­ne Pflicht, die Men­schen von ihren Schul­den­fal­len und von der scham­lo­sen Aus­beu­tung der Geld­aus­lei­her zu befrei­en. Wir sichern ihre Land­rech­te ab, enga­gie­ren uns für Ernäh­rungs­si­cher­heit und poli­ti­sche Teilhabe.»
Redaktion Lichtblick
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