Sie vereint das Beste aus zwei Welten
- Seit dem 1. November 2021 ist Tatjana Disteli (50) die neue Generalsekretärin der Römisch-Katholischen Kirche im Aargau.
- Die gebürtige Oltnerin verfügt über einen prall gefüllten professionellen Rucksack, gepaart mit hohen sozialen Kompetenzen.
- Im Gespräch mit Horizonte erzählt sie von ihrem Empfang an der Feerstrasse 8 in Aarau und von dem, was sie in ihrem Leben antreibt.
Synthese ist ein zentraler Begriff in Tatjana Distelis Wortschatz. Das verwundert einen wenig, wenn man sich ihren eindrücklichen Werdegang einmal kurz vor Augen hält: Mit 20 machte sie ihr Diplom als Medizinisch-Technische Laborassistentin SRK (heute: Biomedizinische Analytikerin HF) und arbeitete als solche in den Kantonsspitälern Olten und Aarau. Berufsbegleitend studierte sie Theologie in Luzern, Freiburg im Breisgau und Basel. 2006 schloss sie mit dem Lizentiat/Master an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern ab.
Es folgte der einjährige Pastoralkurs im Bistum Chur, währenddem sie bereits im Team der katholischen Spitalseelsorge des Unispitals Zürich arbeitete. 2008 übernahm sie die Leitung der Spitalseelsorge im Stadtspital Triemli und absolvierte in dieser Zeit das CAS Freiwilligen-Management an der Fachhochschule für Wirtschaft in Olten. Von 2015 bis 2019 leitete sie die Dienststelle Spital- und Klinikseelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich und machte in dieser Zeit das Diplom Non Profit-Managerin VMI an der Universität Freiburg i. Üe. Ab Mai 2019 und bis zu ihrem Wechsel in den Aargau wurde sie ins Generalvikariat Zürich-Glarus berufen, um die neu geschaffene Leitungsfunktion Spezialseelsorge der Katholischen Kirche im Kanton Zürich aufzubauen. Damit stand sie den acht dezentralen Dienststellen in den Bereichen «Gesundheitswesen und Inklusion» sowie «Ökumenische Seelsorge» vor.
«Ich wurde herzlich empfangen»
Und nun arbeitet die 50-jährige Powerfrau aus Olten seit gut drei Monaten, fast 100 Tage schon, als neue Generalsekretärin für die Römisch-Katholische Kirche im Aargau. Auch diese Tätigkeit sei für sie eine Synthese aus dem, was sie bisher beruflich getan und gelernt habe, erklärt sie im Gespräch an der Feerstrasse 8 in Aarau, dem Sitz der Aargauer Landeskirche. «Ich wurde hier sehr herzlich und mit einem grossen Vertrauensvorschuss empfangen. Dafür bin ich echt dankbar. Das ist sicher auch einer der Vorteile von kleinräumiger Kirche. Ich bin schon vielen Leuten begegnet, die ich von früher noch kannte, aus der Kirchenarbeit in Olten, Solothurn und Zürich. Leute, die ich zum Teil schon 20 Jahre nicht mehr gesehen hatte. Das ist sehr interessant und bereichernd.»
Dass sie mitten in der Coronapandemie ihre neue Stelle angetreten hat, war nicht gerade ideal, keine Frage. Dennoch hat sie sich schnell eingelebt und die Ärmel hochgekrempelt. Es blieb ihr auch nichts anderes übrig, denn am 10. November tagte in Aarau die Synode, und die Organisation dieses Grossanlasses steht nun mal im Pflichtenheft des Generalsekretariats. «Es war wirklich ein sehr intensiver Einstieg, das darf ich sagen, und ich lerne jeden Tag Neues dazu. Aber eine Generalsekretärin ist auch nur so stark wie das Team, mit dem sie arbeitet – und das ist es, also wirklich!»
Das Profil noch schärfen
Disteli scheint sehr zufrieden zu sein an ihrem neuen Arbeitsort. Sie schwärmt geradezu: «Man spricht von uns ja einfach so als ‹Verwaltung›, aber die Menschen, die hier arbeiten, sind ausserordentlich motiviert, sie arbeiten wirklich sehr viel und helfen einander auch.» Die Mehrarbeit, die im Generalsekretariat geleistet wird, ist natürlich auch den aktuell vakanten Stellen geschuldet. So gehört es, nebst der weiteren Einarbeitung in alle Gremien und Fachbereiche der Aargauer Landeskirche, zu den vordringlichsten Aufgaben der neuen Generalsekretärin, die passenden Fachpersonen für die Kommunikation, die Assistenz der Generalsekretärin und das Sekretariat zu rekrutieren.
Ihr Ziel ist es, für die neuen Mitarbeiter ein gutes Team zu bilden: «Auch hier wollen wir ein Stück Kirche sein. Das ist schon mein Anspruch, denn ich bin und bleibe da auch Theologin. Was in der Seelsorge wichtig ist, ist bei der Führung von Menschen genauso wichtig.» Aber Distelis Aufgabenbereich reicht natürlich weit über die Personalführung hinaus: «Das Generalsekretariat umfasst ein wahnsinnig breites Gebiet. Es ist die interne Kommunikationsstelle und Drehscheibe, die mitorganisiert, die Brücken baut. Eigentlich ist es eine Geschäftsführung, auch wenn das in der Funktion der Generalsekretärin nicht so offensichtlich ist. So ist aber mein Selbstverständnis: Es ist eine Drehscheibenfunktion. Ich will dieses Profil weiter schärfen und es anreichern mit dem doppelten Verständnis aus beiden Bereichen, aus denen ich komme und in denen ich schon gearbeitet habe.» Disteli spielt damit auf ihre ganz persönliche Synthese an, denn sie kennt das duale Kirchensystem ja nicht nur als Seelsorgerin von der pastoralen Seite her, sondern hat auch während acht Jahren als Kirchenrätin in Olten-Starrkirch-Wil und natürlich in der Kantonalen Körperschaft in Zürich ausreichend Erfahrungen im Umgang mit diesem System gesammelt.
«Kirche dient der Gesellschaft»
Und wieder taucht das Zauberwort Synthese auf. Tatjana Disteli will in ihrer neuen Funktion als Generalsekretärin der Landeskirche die Synthese aus ihrer pastoralen Berufung als Theologin und ihrem öffentlich-rechtlichen Auftrag als Verwaltungsangestellte der römisch-katholischen Kirche schaffen, um ihrem Ziel gerecht zu werden: «Es geht um den Dienst an der Kirche, mehr noch, um den Dienst der Kirche an der Gesellschaft.» Das sei auch die Arbeit, die in den verschiedenen Fachstellen der Landeskirche geleistet werde. Dafür würden die Kirchensteuern eingesetzt, und sie betrachte es als einen ehrenvollen Auftrag, dafür zu sorgen, dass diese Gelder verantwortungsvoll und richtig eingesetzt würden.
Natürlich rücke das Theologische in ihrer neuen Aufgabe mehr zurück in den privaten Bereich, denn: «Eine Entscheidung ist immer mit einem Verzicht verbunden. Organisation, Führung und Management stehen jetzt halt beruflich stärker im Vordergrund als Theologie und Seelsorge. Aber dennoch befruchtet sich beides. Es ist letztlich auch Eines und gehört in der Schweiz zusammen. Bei mir lässt sich Privates und Beruf ohnehin nicht so strikte trennen.» Liegt in diesem Wesenszug vielleicht das Geheimnis ihrer bisherigen Karriere? Disteli winkt ab: «Ich habe die Schritte in meinem Lebenslauf ganz natürlich gemacht. Ich wollte keine ‹Karriere› machen, wie man so sagt, das war nie mein Ziel. Ich wollte optimieren und weiterbauen, mit dem Ziel, dass die Kirche und ihre Seelsorge noch besser arbeiten und noch besser bei den Leuten ankommen können.»