«Ich möchte nicht Bischof von Chur werden»

«Ich möchte nicht Bischof von Chur werden»

«Ich möchte nicht Bischof von Chur werden»

Der abtretende Generalminister der Kapuziner will als einfacher Mönch im Tessin leben

Zwölf Jahre lang hat der Bünd­ner Mau­ro Jöhri (71) als Gen­eralmin­is­ter die Kapuzin­er weltweit in Rom ange­führt. Im Inter­view betont er, er wolle wed­er Bischof noch Admin­is­tra­tor des Bis­tums Churs wer­den – son­dern ein ein­fach­es Mönch­sleben im Tessin führen.Seit ein­er Woche sind Sie nicht mehr Chef der weltweit­en Kapuzin­er. Wie fühlt sich das an?Mau­ro Jöhri: Ich bin erle­ichtert. Es fühlt sich gut an, nach zwölf Jahren nicht mehr die Last der Ver­ant­wor­tung auf den Schul­tern zu haben.Wenn Sie auf Ihre Zeit als Gen­eralmin­is­ter zurückschauen: Worauf sind Sie beson­ders stolz?Mir ist es gelun­gen, den Orden im brüder­lichen Respekt zu begleit­en. Wir sind gut vor­angekom­men. Wir haben unsere Satzun­gen erneuert und eine «Ratio For­ma­tio­n­is» ver­ab­schiedet, einen Aus­bil­dungs­plan für den gesamten Orden. Wir haben unser Haus in Jerusalem wieder erneuert und mit ein­er spe­ziellen Funk­tion betraut. Wir haben die Ge­neralkurie gründlich saniert. Das Wach­s­tum im Süden stimmt uns opti­mistisch. Dage­gen gehen die Zahlen in Europa und in den USA ­zurück, die zunehmende Säku­lar­isierung macht sich hier bemerk­bar.Ist Klerikalisierung in Ihrem Orden ein The­ma?Ja, viele Kapuzin­er in Afri­ka und in Indi­en wollen unbe­d­ingt Priester wer­den, unter anderem weil der Priester­beruf mit einem hohen sozialen Pres­tige ver­bun­den ist. Das passt nicht zu unser­er Spir­i­tu­al­ität: Wir ste­hen für Beschei­den­heit, Nähe zu den Armen und nicht für Pres­tige.Was haben Sie gegen diese Hal­tung unter­nom­men?Ich habe den Vatikan darauf aufmerk­sam gemacht: Gebt den Laien­brüdern die gle­ichen Rechte wie den Priestern. Ein Laien­brud­er darf bis jet­zt wed­er Prov­inzial noch Gen­eralmin­is­ter wer­den. Ich habe darüber schon mit Papst Benedikt und mit Papst Franziskus gesprochen. Die Sale­sian­er, Benedik­tin­er und Steyler Mis­sion­are sind auch dafür. Ich hake jet­zt bei Papst Franziskus nach, weil ich auf meinen Brief vom let­zten Jahr noch keine Antwort bekom­men habe.An Ostern 2019 wird Bischof Vitus Huon­der ­zurück­treten. Sie wer­den als möglich­er Nach­fol­ger gehan­delt. Wollen Sie Bischof von Chur wer­den?Nein. Ich bin jet­zt 71 Jahre alt gewor­den. Ein Bischof muss mit 75 Jahren seinen Rück­tritt anbi­eten – ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Amt­szeit von vier Jahren sin­nvoll ist.Aber Sie kön­nten Admin­is­tra­tor wer­den – um den Über­gang zu ver­wal­ten.Ich strebe dieses Amt nicht an. Und die Voraus­set­zun­gen dafür sind auch nicht gut. Der Papst ste­ht wegen der Miss­brauchs­fälle weltweit unter Druck. Auch im Orden der Kapuzin­er gab es Miss­brauchs­fälle. Würde mich der Papst zum Admin­is­tra­tor machen, kön­nten das Kri­tik­er des Pap­stes auss­chlacht­en.Eine unab­hängige Unter­suchungskom­mis­sion in der Schweiz hat Sie dieses Früh­jahr von Ver­tuschungsvor­wür­fen im Miss­brauchs­fall Joël Allaz ent­lastet. Gibt es den­noch etwas, was Sie mit dem heuti­gen Wis­sens­stand anders machen wür­den?Wir hat­ten kein Krisen­man­age­ment und waren auf solche Fälle nicht vor­bere­it­et. Über­haupt hat­te ich von diesen ganzen Abgrün­den nur wenig Ahnung. Mir haben eine Aus­bil­dung in Mon­tréal und ein Sym­po­sium an der Gre­go­ri­ana in Rom sehr geholfen, für diese The­matik sen­si­bler zu wer­den. Ich hätte den Täter dazu brin­gen sollen, dass er sich selb­st anzeigt, andern­falls hät­ten wir ihn anzeigen müssen, auch gegen den aus­drück­lichen Wun­sch der Opfer.Die Kirche wird gegen­wär­tig von Enthül­lun­gen über Miss­bräuche aufgewühlt. Was haben Sie an der Spitze der weltweit­en Kapuzin­er getan, damit sich so etwas nicht wieder­holt?Wir haben eine sehr strenge Poli­tik einge­führt. Jed­er Ver­dachts­fall wird genau unter­sucht und muss der Glauben­skon­gre­ga­tion gemeldet wer­den. An erster Stelle ste­ht der Schutz des Opfers. Kinder und Jugendliche müssen in einem geschützten Umfeld aufwach­sen.Wie wird Ihr Leben kün­ftig ausse­hen?Die let­zten zwölf Jahre waren sehr anstren­gend. Ich habe viel erlebt und bin viel gereist, da war wenig Zeit, um alles zu ver­ar­beit­en. Ich ziehe mich bis Wei­h­nacht­en in ein Kloster in der Steier­mark zurück. Und dann möchte ich zurück ins Tessin und wieder als ein­fach­er Brud­er leben. Zwölf Jahre in Rom sind genug. Bei aller Schön­heit der Stadt: Die Infra­struk­tur ist stark ver­nach­läs­sigt, die Stadt ist schmutzig. Ich freue mich auf die gute Luft im Tessin.Ihre Vorgänger sind teil­weise Bis­chöfe gewor­den. Warum wollen Sie ein ein­fach­es Mönch­sleben führen?Dafür wird man doch Kapuzin­er, um ein beschei­denes Leben für Gott und die Men­schen zu führen. Und ich kann doch nicht die Klerikalisierung bei meinen Mit­brüdern in Afri­ka und Indi­en kri­tisieren, sel­ber aber ein klerikales Leben führen. Ich sehe es als meine Auf­gabe an zu zeigen: Man kann auch nach zwölf Jahren in ein­er Leitungs­funk­tion wieder eine ein­fache Rolle in Demut ein­nehmen. Vielle­icht so wie der Kapuzin­er Pas­cal Rywal­s­ki. Er stammte aus dem Wal­lis und war von 1970 bis 1982 Gen­eralmin­is­ter der Kapuzin­er in Rom. Danach ist er als ein­fach­er Brud­er zurück ins Wal­lis. Ihn nehme ich mir zum Vor­bild.Inter­view: Raphael Rauch, kath.ch 
Redaktion Lichtblick
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