«Ich hof­fe, ich bekom­me im Him­mel Farbtöpfe»

  • Am Wech­sel des Kir­chen­jah­res kommt es zur Stab­über­ga­be bei den Hori­zon­te-Jah­res­künst­lern. Fabi­an Emch über­gibt an Kla­ra Fricker — die bei­den könn­ten gegen­sätz­li­cher nicht sein.
  • Fabi­an Emch bear­bei­tet Fotos per Pho­to­shop zu pop­pig-knal­li­gen Front­bil­dern. Kla­ra Fricker trägt die Far­be mit den Fin­gern auf.
  • Fabi­an Emch zeich­net seit Kin­der­jah­ren. Kla­ra Fricker ging einen lan­gen Weg bis zur Kunst.
 Das Ate­lier in Muri platzt aus allen Näh­ten. Anwe­send sind Fabi­an Emch, beglei­tet von sei­nem Vater Mar­kus, Kla­ra Fricker, ein Foto­graf, eine Redak­to­rin. Das erste Front­bild für Hori­zon­te von Kla­ra Fricker hängt an der Ate­lier­wand, es muss aus­ge­leuch­tet und foto­gra­fiert wer­den für den Druck, zwei Beleuch­tungs­schir­me zwin­gen zum Hin­der­nis­lauf. «Es ist viel klei­ner als mein frü­he­res Ate­lier», sagt Kla­ra Fricker, Kunst­the­ra­peu­tin mit Fach­be­reich Kör­per­be­zo­ge­nes Malen. Sie ver­teilt Kaf­fee und Was­ser, dann geht es los. Fast eine hal­be Stun­de dau­ert es, bis Fabi­an Emch und Kla­ra Fricker eine Gemein­sam­keit fin­den: Bei­de fei­ern im zeit­li­chen Dunst­kreis zur Jah­res­künst­ler­tä­tig­keit bei Hori­zon­te ihre erste Ver­nis­sa­ge. Fabi­an Emch 2016 mit 20 Jah­ren, Kla­ra Fricker 2017 mit 72 Jah­ren.

Pop­pig knal­li­ge Farben

Fabi­an Emch ori­en­tier­te sich mit sei­ner Kunst an Patro­zi­ni­en zum jewei­li­gen Hoch­fest. Sechs Aar­gau­er und ein Bas­ler Kirch­ge­bäu­de gestal­te­te er mit dem Com­pu­ter­pro­gramm Pho­to­shop zu pop­pig knal­li­gen Hin­guckern. Gab es ein Hoch­fest, wel­ches beson­ders her­aus­for­dernd war? Fabi­an Emch über­legt einen Moment. «Das kann ich so nicht sagen, sie waren vom Anspruch her gleich­wer­tig. Den pas­sen­den Text zu schrei­ben, habe ich anspruchs­vol­ler gefun­den. Dass er nicht zu lang oder zu kurz wur­de und alles drin­stand, was mir wich­tig war», erklärt der jun­ge Mann dann. Sein Vater Mar­kus Emch ergänzt. Die Schu­le habe gut unter­stützt. Die Jah­res­künst­ler­tä­tig­keit von Fabi­an sei das gan­ze Jahr The­ma gewe­sen. Fabi­an Emch ist Teil­au­tist, besucht die sozi­al­the­ra­peu­ti­sche Ein­rich­tung «Bue­che­hof» im solo­thur­ni­schen Los­torf. Ver­trau­tes gibt ihm Sicher­heit, des­halb beglei­tet ihn sein Vater.

Die Fin­ger als Pinsel

Der jun­ge Fabi­an Emch arbei­tet mit Foto­gra­fie und der Wei­ter­be­ar­bei­tung am Com­pu­ter, das klingt nüch­tern. Die rund 50 Jah­re älte­re Kla­ra Fricker trägt die Far­ben mit den Fin­ger­spit­zen auf Mal­kar­ton auf. Es ist eine sinn­li­che Her­an­ge­hens­wei­se, deren Grund­la­ge das Gefühl, die Intui­ti­on für das eige­ne Inne­re ist. War­um ver­wen­det sie kei­nen Pin­sel? Kla­ra Fricker lächelt. «Der Pin­sel schafft Distanz und die möch­te ich nicht zwi­schen mei­nem Bild und mir. Sel­ten ver­wen­de ich einen sehr fei­nen Pin­sel. Doch die Far­ben mit den Fin­gern auf­zu­tra­gen ist für mich ein Hoch­ge­nuss». Die Far­ben mischt Kla­ra Fricker mit dem Spa­tel; die Pin­sel, die ordent­lich auf dem Farb­ge­stell lie­gen, stam­men noch aus der Zeit ihres frü­he­ren Schaf­fens mit Kli­en­ten. Vie­le Men­schen grei­fen lie­ber zum Pin­sel, statt es Kla­ra Fricker gleich­zu­tun. Fabi­an Emch ist da unent­schlos­sen: «Ich habe mal mit Fin­ger­far­ben gemalt. Das hat mir gleich­zei­tig Spass gemacht und kei­nen Spass gemacht».

Lan­ger Weg zum Malen

Fabi­an Emch zeich­ne­te früh (aus­schliess­lich drei­di­men­sio­nal) und ver­dient sich jetzt, mit Anfang zwan­zig, durch sei­ne Kunst den einen oder ande­ren Bat­zen ins Käs­se­li. Ganz anders Kla­ra Fricker. «Ich bin da ein biss­chen eine Spät­zün­de­rin», sagt sie und erzählt, wie sie nach lan­gen Jah­ren der Krank­heit den Weg zum Aus­drucks­ma­len fand. Irgend­wann erkann­te sie: «Malen und Zeich­nen lieb­te ich schon immer». Eine Berufs­be­ra­te­rin in Luzern gibt ihr schliess­lich Unter­la­gen drei­er Schu­len. «Ich habe mir dann die her­aus­ge­pickt, die das schlan­ke­ste Papier hat­te und am ver­ständ­lich­sten war und nur weni­ge Leu­te auf­ge­nom­men hat», erin­nert sich Kla­ra Fricker. So in der Rück­schau sei das ein elend lan­ger, mehr als zwan­zig Jah­re dau­ern­der, Weg gewe­sen. Zu sei­nem Ein­stand als Jah­res­künst­ler sag­te Fabi­an Emch im Novem­ber 2016, Kunst mache ihn mutig. Für die Kir­che zum Aller­hei­li­gen-Front­bild hat er es gewagt mit einem Kol­le­gen nach Basel zu fah­ren. Kein ein­fa­cher Schritt für einen Teil­au­ti­sten. Kla­ra Fricker sagt über ihre Kunst: «Aus­drucks­ma­len ist das Mit­tel, das mir zum Leben ver­hilft. Es ist mein Weg – leben, malen, ver­ste­hen. Mit Far­ben beten». Nach einer Pau­se setzt sie neu an: «Ich hof­fe, im Him­mel wer­de ich Farb­töp­fe bekom­men!»

Gewinn­spiel als Anfang

Der Zufall hat Kla­ra Fricker zur Jah­res­kunst ver­hol­fen. Die Teil­nah­me an einer Ver­lo­sung im Hori­zon­te-News­let­ter brach­te ihr zwar nicht den Gewinn, doch die Jah­res­kunst. «Als die Anfra­ge kam, war ich erst skep­tisch, wie das gehen soll. Im Novem­ber die Ver­nis­sa­ge. Woher soll­te die Zeit kom­men, noch ein Bild für das Pfarr­blatt zu malen», ruft sie sich ihre Über­le­gun­gen in Erin­ne­rung. Doch dann habe es ange­fan­gen in ihr zu sin­gen: «Oh Hei­land reiss die Him­mel auf» — der Advent sei im Som­mer über sie her­ein­ge­bro­chen. Kla­ra Fricker sagt dem Hori­zon­te zu. Wenn ein Werk fer­tig­ge­stellt sei, bekom­me sie die Tex­te zu ihren Innen­welt-Bil­dern meist als «Zuga­be vom lie­ben Gott» geschenkt, erklärt Kla­ra Fricker. Sie hofft, auf erneu­tes Sin­gen in ihr. Denn für die Front ein Bild zu ver­wen­den, wel­ches schon fer­tig sei, ent­spre­che nicht ihrer Art zu malen: «Leben heisst Ver­än­de­rung. Heu­te ste­he ich nicht mehr da, wo ich gestern stand», betont Kla­ra Fricker. Fabi­an Emch sagt, er kön­ne es nicht in Wor­te fas­sen, doch auch er habe gemerkt, wie sich «etwas» bei ihm gewan­delt habe. Am Ende des Gesprä­ches sit­zen Kla­ra Fricker und Fabi­an Emch, die Köp­fe dicht bei­sam­men, über den Hori­zon­te-Jah­res­künst­ler Aus­ga­ben von Fabi­an. Sie fragt, er erklärt. Es ist ein inni­ges Bild. Fest­kunst Die Jah­res­kunst hat Tra­di­ti­on beim Hori­zon­te. Der Künst­ler oder die Künst­le­rin setzt sich in der eige­nen Aus­drucks­form ver­tieft mit den Hoch­fe­sten des Kir­chen­jah­res aus­ein­an­der und ver­mit­telt den Lese­rin­nen und Lesern sei­ne Sicht auf das Fest. Das kann eine Knack­nuss sein. Das Bild wird durch Text ergänzt. Ein Märk­li weist die ent­spre­chen­den Bil­der als Teil der Rei­he aus. Male­rei, Kal­li­gra­phie, Kari­ka­tur und Foto­gra­fie – die Aus­drucks­for­men wech­seln mit den jewei­li­gen Kunst­schaf­fen­den. Ein­zel­ne Front­bil­der erzie­len brei­te Reso­nanz. Teils errei­chen die Hori­zon­te-Redak­ti­on auch Fra­gen nach der Mög­lich­keit, Kopien oder Ori­gi­na­le der Titel­wer­ke zu erwer­ben. Hori­zon­te ver­mit­telt in einem sol­chen Fall via den Kon­takt zum Künstler/zur Künst­le­rin.…mit Far­ben beten Aus­stel­lung von Kla­ra Fricker, Pfar­rei­zen­trum St. Maria, Pro­me­na­den­stras­se 23,  Schaff­hau­sen. Geöff­net bis Pfing­sten, 20. Mai 2018. Di bis Fr 13.30 bis 17.30 Uhr. Sa/So 9 bis 19.15 Uhr. Aus­kunft: T 052 625 41 08
Anne Burgmer
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