«Ich habe nichts allei­ne bewirkt»

«Ich habe nichts allei­ne bewirkt»

  • Kir­chen­rä­tin Doro­thee Fischer ver­lässt nach acht­ein­halb Jah­ren den Kir­chen­rat der Römisch-​Ka­tho­li­schen Kir­che im Aar­gau per Ende Jahr. 
  • Sie behält wei­ter­hin ein Teil­pen­sum als Heimseelsorgerin.
  • Im Inter­view mit Hori­zon­te ver­rät sie mehr über ihre Beweg­grün­de und Zukunftspläne.

Doro­thee Fischer-Hol­ler­bach hat ent­schie­den, ihr Amt als Kir­chen­rä­tin der Aar­gau­er Lan­des­kir­che nach acht­ein­halb Jah­ren per Ende 2022 nie­der­zu­le­gen. Um mehr Zeit für eine Stand­ort­be­stim­mung zu haben, hat sie die­sen Juli auch die Lei­tung des Pasto­ral­raums Regi­on Brugg-Win­disch abge­ge­ben. Wäh­rend der letz­ten zwölf Jah­re hat Doro­thee Fischer das Leben der römisch-katho­li­schen Kir­che in der Regi­on Brugg-Win­disch als Theo­lo­gin, Seel­sor­ge­rin und Ansprech­part­ne­rin im Kir­chen­zen­trum Pau­lus Birr­feld sowie als Gemein­de­lei­te­rin in der Pfar­rei St. Mari­en Win­disch mass­geb­lich geprägt. Ein Jahr lang amte­te sie auch als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ver­ant­wort­li­che des Pastoralraums. 

Als Kir­chen­rä­tin war sie ver­ant­wort­lich für das Res­sort Kate­che­se-Medi­en und somit auch für die öku­me­nisch getra­ge­ne Aus- und Wei­ter­bil­dung der kate­che­tisch Täti­gen. Nach wie vor bleibt die 55-Jäh­ri­ge im Auf­trag der Lan­des­kir­che mit einem 30-Pro­zent-Pen­sum im Pfle­ge­zen­trum Süss­bach und für die Alters­woh­nun­gen Schön­egg in Brugg als Heim­seel­sor­ge­rin tätig. Die­ses Inter­view, in gekürz­ter Fas­sung, lesen Sie auch in der Hori­zon­teprint­aus­ga­be Nr. 37/38, die am 8. Sep­tem­ber erscheint.

Frau Fischer, Sie haben zwei Legis­la­tur­pe­ri­oden als Kir­chen­rä­tin mit­ge­prägt und neh­men sich jetzt eine Aus­zeit für eine Stand­ort­be­stim­mung. Was hat Sie zu die­sem Schritt bewo­gen?
Doro­thee Fischer: Es sind ver­schie­de­ne Grün­de. In die­sen zwölf Jah­ren im Pasto­ral­raum war ich in ver­schie­de­nen Funk­tio­nen tätig und konn­te vie­les mit­ge­stal­ten, mit­prä­gen und Erfah­rung sam­meln. Neben der Arbeit im Kir­chen­rat und der seel­sorg­li­chen Arbeit in der Pfar­rei habe ich seit vier Jah­ren mei­ne Arbeit im Pfle­ge­heim. All die­se Auf­ga­ben zusam­men sind etwas viel gewor­den. Jetzt ist für mich auch von der Lebens­pha­se her ein idea­ler Moment, um zu schau­en, wie es beruf­lich wei­ter­geht, wo ich Schwer­punk­te set­zen will, wie mei­ne näch­sten zehn Jah­re Berufs­tä­tig­keit aus­se­hen sollen.

Was waren Ihre Höhe­punk­te und Erfol­ge wäh­rend die­ser Zeit im Kir­chen­rat?
Ich erleb­te vie­le schö­ne Begeg­nun­gen und durf­te inter­es­san­te Geschäf­te beglei­ten, bei­spiels­wei­se das neue Per­so­nal­re­gle­ment oder die Anstel­lungs­be­din­gun­gen für Kate­che­tin­nen und Kate­che­ten, an denen wir arbei­ten, oder auch die Inten­si­vie­rung öku­me­ni­scher Zusam­men­ar­beit im Bereich Kate­che­se. Das gute Team im Kir­chen­rat war einer der Grün­de, wes­halb ich mich hier lan­ge und ger­ne enga­giert habe. Wir hat­ten als Gre­mi­um ein sehr gutes Mit­ein­an­der. Auch in mei­nem Res­sort und im Sti­pen­di­en­fonds für Men­schen in Aus­bil­dung im Bereich Theo­lo­gie, Kate­che­se, Kir­chen­mu­sik, Sozi­al- oder Jugend­ar­beit konn­te ich immer mit sehr kom­pe­ten­ten und lie­bens­wer­ten Men­schen zusammenarbeiten. 

Spe­zi­ell in Erin­ne­rung blei­ben mir die Kir­chen­rats­klau­su­ren, an denen immer Per­sön­lich­kei­ten aus Gesell­schaft, Poli­tik oder Kir­che zu Kamin­feu­er­ge­sprä­chen ein­ge­la­den wur­den. Das war per­sön­lich eine wert­vol­le Hori­zont­er­wei­te­rung. Ein High­light war auch die jähr­li­che Diplom­über­ga­be an die neu aus­ge­bil­de­ten Kate­che­tin­nen und Kate­che­ten. Es war immer eine Freu­de zu sehen, was für tol­le Men­schen sich enga­gie­ren und sich auf die­sen Weg begeben.

Wel­che Anlie­gen stan­den für Sie als Kir­chen­rä­tin im Vor­der­grund?
Mein Anlie­gen war es, von der staats­kir­chen­recht­li­chen Sei­te her die Rah­men­be­din­gun­gen so zu gestal­ten, dass die Arbeit vor Ort in den Pasto­ral­räu­men, in der Seel­sor­ge, in der Kate­che­se mög­lichst gut umge­setzt wer­den kann.

Wor­auf sind Sie stolz?
Ich hat­te nie den Ein­druck, dass ich allein etwas bewirkt habe. Es war immer eine Team­ar­beit inner­halb des Kir­chen­rats, mit den Kom­mis­sio­nen und der Fach­stel­le Kate­che­se-Medi­en. Am ehe­sten möch­te ich hier die gute öku­me­ni­sche Zusam­men­ar­beit nen­nen, die sich noch inten­si­viert hat in der gan­zen Regi­on Nord­west­schweiz, wozu ich sicher einen Anstoss geben konnte.

Gab es auch Knack­punk­te in Ihrer Arbeit, in Ihrem Res­sort Kate­che­se-Medi­en?
Als gröss­te Her­aus­for­de­rung emp­fand ich die Kom­ple­xi­tät der Geschäf­te. Die­se sind äus­serst viel­fäl­tig, und es ist sehr wich­tig, sich da gut vor­zu­be­rei­ten. Wir behan­deln Finanz­fra­gen, Recht­li­ches oder Struk­tu­ren. Dem gerecht zu wer­den, neben der Arbeit in der Pfar­rei, im Pasto­ral­raum, im Pfle­ge­heim und mit Fami­lie, war nicht immer einfach.

Als Heim­seel­sor­ge­rin, Pasto­ral­raum­lei­te­rin und Kir­chen­rä­tin hat­ten sie eine Mehr­fach­rol­le inner­halb der Römisch-Katho­li­schen Kir­che im Aar­gau. Wie konn­ten sie damit umge­hen?
Es war anspruchs­voll. Gleich­zei­tig gab es auch vie­le Ver­bin­dungs­li­ni­en. Es ist mei­ne Stär­ke, ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven ein­zu­brin­gen. Denn es liegt mir, zu ver­net­zen, ver­schie­de­ne Erfah­run­gen und auch Wis­sen ein­zu­brin­gen und auf der ande­ren Sei­te den Infor­ma­ti­ons­vor­sprung aus dem Kir­chen­rat wie­der für die täg­li­che Arbeit mit­zu­neh­men. Es war für bei­de Sei­ten wert­voll und frucht­bar und nur mög­lich, weil ich als struk­tu­rier­ter Mensch mich gut orga­ni­sie­ren kann. Als Fami­li­en­frau mit drei erwach­se­nen Kin­dern, davon eines pfle­ge­be­dürf­tig, bin ich es gewohnt, dass alles sehr gut geplant wer­den muss.

Wel­che aktu­el­len The­men und Her­aus­for­de­run­gen ste­hen aus Ihrer Sicht für die römisch-katho­li­sche Kir­che im Vor­der­grund – im Aar­gau aber auch dar­über hin­aus?
Aus mei­ner Sicht ist es wich­tig, auf ein gutes Mit­ein­an­der zwi­schen Kan­to­nal­kir­che und Bis­tum zu ach­ten und den guten Bezie­hun­gen Sor­ge zu tra­gen, auch wenn es per­so­nell immer enger wird. Von Sei­ten des Bis­tums sehen wir schwin­den­de per­so­nel­le Res­sour­cen, zum Bei­spiel für die Kom­mis­sio­nen und Regio­nal­lei­tun­gen. Es wird all­ge­mein schwie­ri­ger, Stel­len in der Seel­sor­ge und in Lei­tungs­po­si­tio­nen zu beset­zen. Spür­bar wer­den auch die schwin­den­den finan­zi­el­len Mittel. 

Als gröss­te Her­aus­for­de­rung sehe ich den Rele­vanz­ver­lust unse­rer Kir­che. Die gute Arbeit, die vor Ort gelei­stet wird, hat zuneh­mend weni­ger gesell­schaft­li­che Bedeu­tung. Die Fra­ge ist, wie die Kir­che ihren wich­ti­gen gesell­schaft­li­chen Auf­trag wei­ter erfül­len kann, trotz schwin­den­der Res­sour­cen und der gros­sen Glaub­wür­dig­keits­kri­se. Dar­über hin­aus sind wir eine Migra­ti­ons­kir­che mit einer gros­sen Viel­falt an Natio­na­li­tä­ten, Kul­tu­ren und christ­li­chen Prä­gun­gen, die zusam­men­ge­führt wer­den müs­sen. Da wird das neue Pro­jekt «Zukunft Viel­falt Kir­che Aar­gau» hel­fen, die­se Ein­heit in der Viel­falt zu gestalten.

Wie sehen Sie die Rol­le der Frau in der römisch-katho­li­schen Kir­che?
In mei­nen ver­schie­de­nen Rol­len habe ich erfah­ren, dass ich als Frau sehr vie­les abso­lut gleich­be­rech­tigt mit­ge­stal­ten kann. Für mich war das eine schö­ne Erfah­rung, die in unse­rem Bis­tum mög­lich, jedoch nicht selbst­ver­ständ­lich ist. Aber das ist und bleibt ein The­ma. Alle fin­den es wun­der­bar, dass Frau­en in ver­schie­de­nen Gre­mi­en und Stu­fen gute Arbeit lei­sten. Den­noch ist für die Lei­tungs­ebe­ne der Kir­che nur das Geschlecht aus­schlag­ge­bend. Dar­un­ter lei­det die Glaub­wür­dig­keit der Kir­che, das ist mei­nes Erach­tens heut­zu­ta­ge so nicht mehr vermittelbar.

Gibt es etwas, das Sie Ihrer Nach­fol­ge­rin oder Ihrem Nach­fol­ger mit auf den Weg geben möch­ten?
Ich wün­sche ihr oder ihm Lei­den­schaft für das, was kate­che­tisch Täti­ge vor Ort lei­sten. Die Reli­gi­ons­leh­re­rin oder der Reli­gi­ons­leh­rer ist manch­mal noch der ein­zi­ge Kon­takt zur Kir­che. Zudem erwar­te ich einen gros­sen Ein­satz dafür, die Men­schen best­mög­lich zu unter­stüt­zen, die hier arbei­ten oder die sich in Aus- und Wei­ter­bil­dung auf den Weg machen. Und dann wün­sche ich Begei­ste­rung für ein ver­netz­tes Unter­wegs­sein als Lan­des­kir­che mit dem Bis­tum, in der Öku­me­ne und auch mit den kan­to­na­len Stellen.

In wel­che Rich­tung wird es für Sie wei­ter­ge­hen?
Ich bin jetzt noch in mei­ner Stand­ort­be­stim­mung. Im Kir­chen­rat blei­be ich bis Ende Jahr und füh­re auch mein Enga­ge­ment im Pfle­ge­zen­trum wei­ter. Aber da jetzt über­all erfah­re­ne Leu­te gesucht wer­den, bin ich in der luxu­riö­sen Lage, für die Zukunft aus­su­chen zu dür­fen, wo ich mei­ne Schwer­punk­te set­zen möch­te. Ich habe sehr ger­ne im Kir­chen­rat, in der Pfar­rei und in der Spe­zi­al­seel­sor­ge gear­bei­tet. Mein Wunsch ist es auf jeden Fall, mich wie­der etwas mehr auf einen Bereich zu fokussieren.

Christian Breitschmid
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