Hin­ter die Kulis­sen der Welt sehen

Ein Jahr lang anders leben? Das macht das Frei­wil­li­gen-Pro­gramm der Jesui­ten­mis­si­on mög­lich. Die Luzer­ne­rin Andrea Gis­ler ver­mit­telt Welt­be­gei­ster­ten Lebens­er­fah­rung. Nicht etwa Abenteuerferien.  «Ein sol­ches Jahr kann einen durch­schüt­teln», sagt Andrea Gis­ler. Sie hat nach­denk­li­che Rück­keh­rer erlebt und begei­ster­te, und sie weiss aus eige­ner Erfah­rung, was eine sol­che Zeit bewir­ken kann. Die 30-jäh­ri­ge Theo­lo­gin aus Luzern mach­te nach der Matu­ra ein Prak­ti­kum mit der Beth­le­hem Mis­si­on in Ecua­dor, stu­dier­te spä­ter ein Seme­ster in Costa Rica und lern­te in El Sal­va­dor die Jesui­ten ken­nen. Ihre neue Stel­le – sie ist seit Sep­tem­ber Refe­ren­tin für das Frei­wil­li­gen­pro­gramm der Jesui­ten­mis­si­on, das «Jesu­it Vol­un­teers» – gefällt ihr «extrem». Hier kön­ne sie ande­ren Men­schen ermög­li­chen, was sie selbst habe erle­ben dür­fen. «Da steckt auch viel Herz­blut von mir drin», sagt sie.Umfang­rei­che Vor­be­rei­tung Andrea Gis­ler war nach ihrem Stu­di­um ein Jahr wis­sen­schaft­li­che Mit­ar­bei­te­rin an der Theo­lo­gi­schen Fakul­tät Luzern unter Wal­ter Kirch­schlä­ger, danach Pasto­ral­as­si­sten­tin in Dag­mer­sel­len. An ihrem neu­en Arbeits­platz in Zürich beglei­tet und betreut sie die Frei­wil­li­gen vor, wäh­rend und nach ihrem Ein­satz. Bis Ende Okto­ber kön­nen sich Inter­es­sier­te bewer­ben, im Novem­ber wer­den sie zu einem Ori­en­tie­rungs­se­mi­nar ein­ge­la­den. Wer dabei bleibt, macht ein umfang­rei­ches Vor­be­rei­tungs­pro­gramm mit 14 Bil­dungs­ta­gen durch, in dem es um Fra­gen von Soli­da­ri­tät und Gerech­tig­keit, der Glo­ba­li­sie­rung, von Reli­gi­on im glo­ba­len Kon­text geht. Andrea Gis­ler weiss: Frei­wil­li­gen­ein­sät­ze kann man mitt­ler­wei­le auch im Rei­se­bü­ro buchen. Drei Wochen Indi­en, Gewis­sens­ent­la­stung gegen Bezah­lung. «Dage­gen gren­zen wir uns ab», betont sie. Vor­be­rei­tung, Beglei­tung und Nach­be­treu­ung sind bei uns des­halb sehr wich­tig.Sich aus­sen­den las­sen Wer sich für die Jesu­it Vol­un­teers ent­schei­det, bewirbt sich auf das Pro­gramm, nicht auf eine Stel­le. Dem igna­tia­ni­schen Sen­dungs­ge­dan­ken des Ordens ent­spre­chend, wer­den Ein­satz­ort und ‑art erst wäh­rend der Vor­be­rei­tung fest­ge­legt, je nach Wunsch und Eig­nung. Schwer­punk­te sind die Län­der Ost­eu­ro­pas, dane­ben gibt es Pro­gram­me in Indi­en, Afri­ka und Latein­ame­ri­ka, meist dort, wo ohne­hin Jesui­ten tätig sind. Andrea Gis­ler besuch­te im Okto­ber bei­spiels­wei­se drei deut­sche Abitu­ri­en­ten in Bos­ni­en, die dort in Tages­zen­tren für Behin­der­te, mit Stras­sen­kin­dern und in einem Kin­der­gar­ten arbei­ten. Frei­wil­li­ge aus der Schweiz sind zur­zeit nicht im Ein­satz, stecken aber in der Vor­be­rei­tung für die Aus­rei­se kom­men­den Som­mer. Von hier sind es laut Andrea Gis­ler eher älte­re Per­so­nen, die sich für das Pro­gramm inter­es­sie­ren, wäh­rend es in Deutsch­land auf­grund der staat­li­chen För­de­rung gera­de umge­kehrt sei. «Eine Chan­ce», fin­det die Pro­gramm­ver­ant­wort­li­che, «das bringt Gene­ra­tio­nen mit­ein­an­der in Kon­takt».Offen­heit und Mut gefragt Gleich­wohl ist es eine der Haupt­auf­ga­ben von Andrea Gis­ler, «Jesu­it Vol­un­teers» bei jun­gen Men­schen bekann­ter zu machen – zum Bei­spiel über kirch­li­che Jugend­ver­bän­de oder die Hoch­schul­seel­sor­gen. Ein­la­dend an dem Pro­gramm sei, dass «Jesu­it Vol­un­teers» nicht Fach­per­so­nen­ein­sät­ze mit Lei­stungs­zie­len ver­mitt­le, son­dern auch Frei­wil­li­ge ohne Berufs­er­fah­rung. Katho­lisch zu sein ist kei­ne Bedin­gung. «Alles, was es bei uns braucht, ist gros­se Offen­heit.» Und Lust auf ein Aben­teu­er? Durch­aus, räumt Andrea Gis­ler ein. «Aber wer sich nur mit die­ser Moti­va­ti­on mel­det, wird wahr­schein­lich schei­tern.» Gefragt sei­en viel­mehr Mut und die «Bereit­schaft, sich auf ein Wag­nis ein­zu­las­sen oder ein­mal eine schwie­ri­ge Situa­ti­on aus­zu­hal­ten».An sich wach­sen Wer dies mit­brin­ge, erreicht im besten Fall, was «Jesu­it Vol­un­teers» errei­chen will: dass Men­schen mit ande­ren und an sich wach­sen und auf­grund der gemach­ten Erfah­run­gen sich an ihrem eige­nen Lebens­ort für die Gesell­schaft ein­set­zen.   Domi­nik Thali 30 Plät­ze pro Jahr Die Jesui­ten sind mit rund 17 000 Mit­glie­dern eine der gröss­ten katho­li­schen Ordens­ge­mein­schaf­ten. «Jesu­it Vol­un­teers» ist das gemein­sa­me Frei­wil­li­gen­pro­gramm der Jesui­ten­mis­sio­nen Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Es rich­tet sich an Erwach­se­ne ab 18 Jah­ren. Pro Jahr gibt es Plät­ze für etwa 30 Frei­wil­li­ge. Jesu­it Vol­un­teers ver­mit­telt nicht Fach­per­so­nen­ein­sät­ze mit Lei­stungs­zie­len, son­dern auch Frei­wil­li­ge ohne Berufs­er­fah­rung. Die Teil­neh­men­den betei­li­gen sich in gerin­gem Umfang an den Vor­be­rei­tungs­ko­sten, der Rest ist bezahlt, inklu­si­ve ein Taschen­geld. www.jesuit-volunteers.org 
Marie-Christine Andres Schürch
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