«Hier ist die Pforte zum Himmel»
Zwischen der Kantonsschule Wettingen und dem Internat Schulpforta im ostdeutschen Bundesland Sachsen-Anhalt gibt es eine Schulpartnerschaft. Beide Orte waren einst Zisterzienserklöster. Zum Reformationsjahr 2017 drehten Wettinger und Portenser Schüler zusammen einen Film.Dimitri, Lynn und Johanna stehen in Wettingen vor der Klosteranalage und tauschen Erinnerungen aus. Sie denken zurück an den Besuch der Schüler aus dem ostdeutschen Internat Schulpforta. Die Schulpartnerschaft entstand anlässlich des 500-Jahr-Jubiläums der Reformation und lässt seit drei Jahren viele Gespräche über die Bedeutung dieses Ereignisses für beide Orte entstehen. Initiiert wurde die Partnerschaft durch die Reformationsbeauftragten der Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zürich und der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Begegnung mit Nietzsche
Zuvor wussten Dimitri, Lynn und Johanna nicht, wo dieses Pforta überhaupt liegt. Gelegen im Saaletal bei Naumburg, wurde die ehemalige Klosteranlage der Zisterziener schon 1543 vom Kurfürsten Moritz von Sachsen in eine Internatsschule umgewandelt, um begabte Knaben auf ein Universitätsstudium vorzubereiten. Heute lernen in Schulpforta Schüler und Schülerinnen in den drei Spezialisierungsbereichen Sprachen, Musik und Naturwissenschaften.Die Wettinger Schüler erinnern sich noch lebhaft an ihre Tage in Schulpforta. Johanna sagt: «Als unser Lehrer im Frühjahr 2016 fragte, ob ich nach Pforta mitgehen wolle, war ich gleich Feuer und Flamme dafür.» Begleitet wurden die Wettinger von ihren Lehrern und Christine Stuber, reformierte Pfarrerin und Beauftragte für kirchliche Arbeit an der Kantonschule Wettingen.Schüler aus Pforta, genannt Portenser, führten Dimitri, Lynn und Johanna durch die Anlage: Sie sahen alte Gedenktafeln, die an Geistesgrössen wie Nietzsche erinnern, die hier einst zur Schule gingen. Zu bestaunen gab es überdies ein Refektorium und die jahrhundertealte Klosterbibliothek, uralte zisterziensische Pflasterwege und den pittoreske Kreuzgang, die Seele des Ortes.
Wettinger Schüler drehen in Pforta
Die Schüler sprachen über die Unterschiede ihrer beiden Lernorte: Pforta als ein Internat mit 300 Schülern, Wettingen ein Gymnasium und Fachmittelschule mit rund 1000 Schülern. Beide Orte eint, dass die Schüler sich heute auf dem Boden von aufgehobenen Zisterzienserklöstern bewegen.Die Wettinger Schüler erinnern sich auch an die gemeinsamen Dreharbeiten zum Film «Hic porta coeli est!», der kurz vor der Fertigstellung steht. Der Titel ist lateinisch und heisst übersetzt: Hier ist die Pforte zum Himmel.Unter der Leitung von Pfarrerin Regine Huppenbauer-Krause machten sich die Wettinger Schüler zusammen mit den Portensern an die Dreharbeiten in dem über 500 Jahre alten Klosterinternat. Dimitri war bedruckt von Regine Huppenbauer-Krause: Die 66-jährige ist Diplombiologin, Theologin, Pfarrerin und Pferdezüchterin in Personalunion.Der aufwendig gedrehte Film erzählt die Geschichte der Aufhebung des Zisterzienser Klosters Pforta zur Zeit der Reformation und der Schulgründung durch Herzog Heinrich, genannt «der Fromme». Er endet mit dem Einzug der ersten Schüler in die Gebäude des aufgehobenen Klosters im Jahr 1540.
Schränke aus NS-Zeit
Die Wettinger Kantonsschülerin Lynn erinnert sich: «Durch Vorträge und dieses Filmprojekt habe ich viel über die Reformation gelernt und erfahren.» Zusammen mit den Portensern wurde mit Videoleuchten und Kameras das einstige Klosters Pforta in ein Filmset verwandelt. «Sogar Mönchskutten wurden genäht», so Dimitri.Die Wettiner Schüler sprechen gern von den vielen Orten in Schulpforta, die zu Drehorten wurden: Die uralte Platane im Park, die Sternwarte aus den 50er-Jahren mit ihrer charakteristischen Kuppel, die alte Schulbibliothek und die mystisch anmutende Abtskapelle aus dem Jahr 1240, in der Schüler gerne Kerzen anzünden.Lynn war überrascht, wie sehr auch die Nazi-Zeit noch präsent ist. Die alten Schränke im Internat stammen aus NAPOLA-Zeiten. Während des NS-Regimes war die Landesschule Pforta eine «Nationalpolitische Erziehungsanstalt».
Beeindruckendes Wettingen
Für den Film gedreht wurde auch in Wettingen. Der Portenser Schüler Niklas Kümmerling war dabei. Ausgestattet mit Ton, Kamera und Drehklappe machten sich die Schüler auch hier auf die Spur der Geschichte dieses Klosters, das als das besterhaltene Zisterzienserkloster der Schweiz gilt und 1841 durch einen grossrätlichen Beschluss aufgelöst wurde.Niklas Kümmerling fand es spannend, zu entdecken, «wie anders diese Klosterkirche ist». Er meint damit das «schmucklose Innere» der Kirche in Pforta, das in krassem Gegensatz zur Wettinger Rokoko-Ausstattung mit geschnitztem Chorgestühl steht. Besonders schwärmt der Deutsche noch heute vom Kabinettscheibenzyklus im Kreuzgang, wo viele Filmszenen entstanden.
Zwinglis und Luthers Spuren
Bei den gegenseitigen Besuchen der Schüler in ihren jeweiligen Ausbildungsstätten wurde die Gelegenheit genutzt, jeweils auf den Spuren der Reformation des Gastlandes zu wandeln. Während Portenser Schüler in der Schweiz in Zürich bei einer Stadtführung auf den Spuren Zwinglis folgten und das ehemalige Zisterzienserkloster Kappel am Alibis besuchten, reisten Wettinger Kantonsschüler zur mittelalterlichen Wartburg in Eisenach, wo Luther zehn Monate verbracht hatte.Dimitri zeigt sich noch heute beeindruckt vom spätromanisch-gotischen Naumburger Dom St. Peter und Paul. Schulpforta liegt in der Nähe der einstigen innerdeutschen Grenze. Entsprechend gebannt hörten Dimitri und die anderen Wettinger Schüler auch Regine Huppenbauer-Krause zu, wenn dies über ihr Leben in der DDR erzählte. Die Jugendlichen erfuhren, dass die Religionslehrerin 1981 die DDR erstmals für eine internationale Tagung der reformierten Kirche in Genf verlassen durfte.
Filmpremiere im Herbst
Durch die Schulpartnerschaft Wettingen-Schulpforta sind vielfältige Kontakte entstanden. Mitte September wird im Kloster Wettingen der gemeinsame Film «Hic porta coeli est!» gezeigt. Erneut werden dann auch Schüler aus Schulpforta anreisen. Der Portenser Schüler Felix sagt: «Dieses Filmprojekt hat uns alle zusammengeschweisst und unseren Horizont erweitert.» Symbolisch steht dafür eine grosse Uhr, die ein Lehrer aus Wettingen den Kollegen in Schulpforta als Geschenk übergab. An beiden Orten ticken nun dieselben Uhren — als Zeichen der Verbundenheit zwischen beiden Schulen.