Herausforderung Mangellage
Matthäus 14,29–31 Jesus sagte: Komm! Da stieg Petrus aus dem Boot und kam über das Wasser zu Jesus. Als er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst. Und als er begann unterzugehen, schrie er: Herr, rette mich! Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?Einheitsübersetzung 2016 Herausforderung Mangellage
Die Monate des Krieges in der Ukraine haben die Welt und auch unser Leben verändert. Auch wer sich von gezielt platzierten und immer häufiger wiederholten staatsmännischen Drohworten nicht beeindrucken lässt, spürt in seinem oder ihrem Alltag das Ächzen und Auseinanderbrechen einer weltweiten Wirtschafts- und Friedensordnung, die die Meisten von uns schon für fast selbstverständlich gehaltenen hatten. Die Preise steigen, höhere Kosten für Brot, Benzin und Strom sind nur ein paar Beispiele. Einiges, was es zum Leben braucht, wird nicht nur einfach teurer, es wird nun auch deutlich knapper. Die Verteilung notwendiger Güter – schon bisher in der Welt nicht wirklich gerecht geregelt – kommt ins Stocken. Europa zittert schon heute vor der Kälte, die erst noch kommen wird. Die «Mangellage» bei Gas und Strom ist in aller Munde. Einschränkungen beim Strom werden, als ich diese Zeilen schreibe, von den Fachleuten noch als Möglichkeit angekündigt, wenn Sie nun diesen Impuls lesen, sind sie vielleicht schon Wirklichkeit. Wer sich umhört, kann schnell entdecken, dass viele Menschen vor diesen Aussichten beginnen, ihre Bedürfnisse zu überprüfen, Möglichkeiten zur persönlichen Einschränkung zu suchen und auch kreative Ideen zu entwickeln. Nach den Corona-Wintern der letzten beiden Jahre lässt uns nun auch dieser Winter keine Normalität erwarten. Eines ist sicher: wir werden herausgefordert!Dabei sind für uns als katholische Christinnen und Christen bedrängende Mangellagen durchaus keine neue Erfahrung. Der Mangel an kirchlichen Mitarbeitenden ist in unserer Kirche vielerorts unübersehbar. Dem voraus geht aber offensichtlich ein wachsender Mangel an Gläubigen, die sich wirklich als Glied der Kirche verstehen, und ihr Christsein nicht einfach als Familientradition, sondern als Sauerteig für die Welt leben. Diese Mangellage des Glaubens ist jedoch nicht plötzlich und unerwartet aufgetreten, sie hat sich – wie der Klimawandel – langsam entwickelt und kann nun aber – wie der Klimawandel – nicht mehr schöngeredet und geleugnet werden. Und so haben wir natürlich schon seit Jahren gemerkt, wie grundlegende Werte in unserer Gesellschaft sich verändern, wie frühere Selbstverständlichkeiten im Zusammenleben zur Mangelware geworden sind und längst nicht mehr «einfach» gelten. Genauso wie bei der Aussicht auf nicht mehr ganz so kuschelige Heiztemperaturen im Winter und allenfalls auch Stromunterbrüche, die uns im Dunkeln sitzen lassen und unsere Heizungen, Kochherde, Fernseher und Telefone lahmlegen, fordert diese Mangellage mehr als warme Socken und einen Vorrat an Kerzen, nämliche eine ehrliche Besinnung auf das, was wir wirklich brauchen.
Felix Terrier, Priester im Seelsorgeverband Angenstein