Hei­li­ges Versteckspiel

Hei­li­ges Versteckspiel

Jere­mia 29,13–14Ihr wer­det mich suchen und ihr wer­det mich fin­den, wenn ihr nach mir fragt von gan­zem Her­zen. Und ich las­se mich von euch fin­den – Spruch des Herrn – und ich wen­de euer Geschick und samm­le euch aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch ver­sprengt habe – Spruch des Herrn. Ein­heits­über­set­zung 2016 

Hei­li­ges Versteckspiel

Wie oft haben wir doch als Kin­der «Ver­stecken» gespielt: «Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sie­ben, acht, neun, zehn – ich kom­me!» Der Reiz des Spiels: ver­stecken, suchen und gefun­den wer­den. Suchen und Fin­den sind aber auch jen­seits von Kin­der­spie­len ganz wesent­li­che Erfah­run­gen. Dazu eine typi­sche chas­si­di­sche Geschich­te:Rab­bi Baruch hat­te einen Enkel mit Namen Jekiel. Eines Tages spiel­te der Jun­ge mit sei­nen Freun­den Ver­stecken. Ein gutes Ver­steck hat­te er sich aus­ge­sucht. Schwer nur war er zu fin­den, lan­ge war­te­te er im Ver­bor­ge­nen. End­lich, nach lan­ger Zeit, merk­te er, dass die Freun­de ihn gar nicht mehr such­ten. Nein, sie spiel­ten längst ganz etwas ande­res. Wei­nend ver­liess der Jun­ge das Ver­steck und lief zu sei­nem Gross­va­ter, um sich über die Spielgefährten zu bekla­gen. Da stie­gen auch dem grei­sen Rab­bi Baruch die Tränen in die Augen, und er sprach: «Jekiel, jetzt hast du am eige­nen Leib erfah­ren, wie es Gott zumu­te ist, der spricht: Ich bin ver­bor­gen, und nie­mand will mich suchen.»Eine alte Geschich­te, die etwas zur Spra­che bringt, wor­an wir immer wie­der erin­nert wer­den soll­ten: Ich bin geliebt, ich wer­de sehn­suchts­voll gesucht und hof­fent­lich gefun­den bzw. ich suche und wer­de mein Gegen­über sicher fin­den, weil er sich ja auch fin­den las­sen will.Ja, Gott will gesucht – und gefun­den wer­den von sei­nen Men­schen. Aber er stellt sich mir nicht in den Weg. Er ist ein ver­bor­ge­ner Gott, der sich mir nicht auf­drängt. Er hin­ter­lässt sei­ne Spu­ren in der Welt, er stellt mir Weg­be­glei­ter an die Sei­te, er lockt mich, zieht mich – immer wei­ter ins Leben und in die Welt hin­ein. Und zu sich hin. Aber ich kann ihn nur erken­nen, wenn ich mich auf die Suche nach ihm ein­las­se. Wenn ich nach ihm fra­ge, wenn ich die Augen offen­hal­te, in Bewe­gung blei­be, mich über­ra­schen las­se. Von neu­en Mög­lich­kei­ten, Begeg­nun­gen und Spiel­räu­men – von Gott.Eine, die sich voll und ganz auf die­ses «Ver­steck­spiel» mit Gott ein­ge­las­sen hat, ist Edith Stein. Ich fra­ge mich, was sie uns wohl sagen wür­de, wenn sie heu­te vor uns stün­de – denen, die wis­sen­schaft­lich arbei­ten oder theo­lo­gisch for­schen, sowie denen, die als Chri­sten ihr Leben gestal­ten oder den Weg der Nach­fol­ge Chri­sti gehen. Ich kann mir vor­stel­len, dass sie uns vor allem eines ans Herz legen wür­de: Ihr sollt suchen! Wer­det immer mehr Suchen­de nach der Wahr­heit! Lernt nicht nur theo­lo­gi­sche Mei­nun­gen aus­wen­dig, die ihr dann in kon­ser­va­ti­ve oder pro­gres­si­ve, in tra­di­tio­na­li­sti­sche oder libe­ra­le, in zeit- oder frei­gei­sti­ge ein­teilt, son­dern sucht nach dem Wesent­li­chen!Und das Tröst­li­che dar­an: Ob ich skep­tisch nach Gott Aus­schau hal­te, ob ich ver­zwei­felt nach ihm rufe, ob ich ihm freu­dig dan­ke – ich kann dar­auf ver­trau­en: Er ist schon da!Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, arbei­tet als Spi­tal­seel­sor­ge­rin am St. Cla­ra­spi­tal in Basel
Christian von Arx
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