Hei­li­ge Unschuld, hei­li­ges Wunder

Hei­li­ge Unschuld, hei­li­ges Wunder

Mat­thä­us 10,27–31Jesus spricht: Was ich euch im Dun­keln sage, davon redet im Licht, und was man euch ins Ohr flü­stert, das ver­kün­det auf den Dächern! Fürch­tet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die See­le aber nicht töten kön­nen, son­dern fürch­tet euch eher vor dem, der See­le und Leib in der Höl­le ver­der­ben kann! Ver­kauft man nicht zwei Spat­zen für einen Pfen­nig? Und doch fällt kei­ner von ihnen zur Erde ohne den Wil­len eures Vaters. Bei euch aber sind sogar die Haa­re auf dem Kopf alle gezählt. Fürch­tet euch also nicht! Ihr seid mehr wert als vie­le Spatzen.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Hei­li­ge Unschuld, hei­li­ges Wunder

Ein Kind ist gestor­ben, eine Früh­ge­burt, gestor­ben nach einer Stun­de Leben. War­um hat es ster­ben müs­sen, war­um hat es über­haupt gelebt? Kann man einem so kur­zen Leben einen Sinn abge­win­nen? Ich wills ver­su­chen.Dafür muss ich ein wenig wei­ter aus­ho­len: Ich bin ein Kind aus armen Ver­hält­nis­sen. Und nach dem frü­hen Tod mei­nes Vaters war ich auf eine selt­sa­me Wei­se allein, allein näm­lich mit mei­nen Fra­gen. Und das hat mich geprägt. Ich konn­te nie sagen: Es ist eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, dass es mich gibt.Ich war auf der Suche nach einer befrie­di­gen­den Ant­wort auf die Fra­ge: «Was muss gesche­hen, dass ich sagen kann, mein Leben lohnt sich oder hat sich gelohnt?» Mit eini­gen Ver­su­chen bin ich geschei­tert: Ich habe ver­sucht, mich mit Lei­stung zu begrün­den, ver­geb­lich. Ich habe es mit Enga­ge­ment für Benach­tei­lig­te ver­sucht, ver­geb­lich, auch das ende­te im Lei­stungs­be­weis. Ich habe ver­sucht, den Plan Got­tes für mich zu erkun­den (des­halb habe ich wohl Theo­lo­gie stu­diert), auch ver­geb­lich. In all dem fand ich kei­ne Ant­wort auf die Fra­ge, war­um und wozu ich denn auf der Welt bin.Am Thu­ner­see hat­te ich ein Erleb­nis. Es war in einer Pau­se eines Semi­nars in Gwatt, ich sass am See­ufer auf einer Bank und sah den Enten zu. Und plötz­lich war die Fra­ge wie­der da, dies­mal aber in die ande­re Rich­tung: Wofür lohnt sich das Leben einer Ente? Sie schwamm ein­fach im Ufer­was­ser und quak­te einer Nach­ba­ren­te mun­ter zu. Und plötz­lich sah ich: Die­ses klei­ne Ent­lein ist ein Wun­der, und es reicht abso­lut, dass es ein­fach da ist. Das Leben ist etwas Gross­ar­ti­ges, Wun­der­ba­res. Und ich selbst bin eben­so etwas Wun­der­ba­res und Ein­ma­li­ges. Da brau­che ich nicht gros­se Taten und Lei­stun­gen. Ich habe plötz­lich über die Ente stau­nen kön­nen und über mich selbst auch.Ohne Lei­stun­gen des Wil­lens, ein­fach durch ihr Dasein hat sie vom Wun­der des Lebens erzählt. Mich hat sie damit erreicht, ohne es zu wol­len oder zu mer­ken. Das Leben ist hei­lig, längst bevor wir etwas dar­aus machen.Über Maria Goret­ti weiss ich eigent­lich nicht viel (sie­he Kasten). Aber sie scheint nicht durch Lei­stun­gen hei­lig gewor­den zu sein. Als ein miss­brauch­tes Kind wird sie zum Mahn­mal. Jedes Kind ist hei­lig, ist Wun­der, ist eine gan­ze Schöp­fung, und Miss­brauch ist …Im Spie­gel der hei­li­gen Unschuld (zum Bei­spiel Kind oder Natur, Feri­en sind eine Chan­ce dafür) darf sich jede und jeder als Wun­der des Lebens begrei­fen, mit Anteil am Wun­der der gan­zen Schöp­fung, Ster­nen­staub und Lie­be. Und aus dem quä­len­den Fra­gen kann lang­sam ein dank­ba­res Stau­nen wer­den.Der Satz eines Stras­sen­wi­schers in Fri­bourg hat mich beein­druckt. Er ist selbst auch ein Mensch mit vie­len Fra­gen. Eine Ant­wort, die er gefun­den hat, hat er auf­ge­schrie­ben. Da heisst es in sei­nem Büch­lein: «Es ist doch gleich­gül­tig, ob man das Fas­sungs­ver­mö­gen eines Fin­ger­huts oder einer Zister­ne hat. Was zählt, ist die Fül­le.» (Michel Simo­net, Mit Rose und Besen, Nyd­egg-Ver­lag Bern 2016, S. 125)Lud­wig Hes­se, Theo­lo­ge und Autor, war bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung Spi­tal­seel­sor­ger im Kan­ton Baselland.   
Christian von Arx
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