Gross­zü­gi­ger Aar­gau, gei­zi­ges Zürich

Gross­zü­gi­ger Aar­gau, gei­zi­ges Zürich

Bund und Kan­to­ne müs­sen spa­ren. Das trifft auch die Ent­wick­lungs­hil­fe, was von kirch­li­cher Sei­te gern kri­ti­siert wird. Hori­zon­te hat dar­um geschaut: Wie viel inve­stie­ren denn die katho­li­schen Lan­des­kir­chen in die Ent­wick­lungs­hil­fe, und ist der Bund dem­ge­gen­über wirk­lich so knau­se­rig, wie er oft dar­ge­stellt wird?Drei Fra­gen, die bei den Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­chen der Kan­to­ne Aar­gau, Zürich, Basel-Land­schaft und Stadt sowie in Bern und Solo­thurn Über­ra­schen­des erga­ben: Wie viel wur­de 2015 für Ent­wick­lungs­hil­fe aus­ge­ge­ben? Gemes­sen an wel­chen zur Ver­fü­gung ste­hen­den Ein­nah­men ins­ge­samt? Bei wie vie­len Mit­glie­dern?

Basel-Stadt mit Spielraum

Die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau inve­stier­te im ver­gan­ge­nen Jahr 228 000 Fran­ken in Ent­wick­lungs­hil­fe im Aus­land, das sind 1,58 Pro­zent der gesam­ten Ein­nah­men aus jenem Jahr (14,4 Mil­lio­nen). Knapp dahin­ter folgt Basel­land mit 157 000 Fran­ken, umge­rech­net 1,33 Pro­zent der Gesamt­ein­nah­men (11,8 Mil­lio­nen). Wei­ter zurück fällt Basel-Stadt. Dort inve­stier­te die katho­li­sche Kir­che 88 000 Fran­ken, das sind ledig­lich noch 0,41 Pro­zent der Gesamt­ein­nah­men aus dem Jah­re 2015 (21,3 Mil­lio­nen).Doch hät­te Basel-Stadt eigent­lich mehr Spiel­raum: «Ein Fonds für Mis­si­on, Ent­wick­lungs­hil­fe und Kata­stro­phen­hil­fe kann jähr­lich einen von der Syn­ode bud­ge­tier­ten Betrag aus­ge­ben. Im Jah­re 2015 wären dies bis zu 100 000 Fran­ken gewe­sen», erklärt Mat­thi­as Schmitz, Infor­ma­ti­ons­be­auf­trag­ter des Kir­chen­ra­tes. «Die tat­säch­lich gespro­che­ne Sum­me hängt aber von der Art und Anzahl der Hilfs­ge­su­che ab. Das nicht ver­wen­det Geld bleibt zweck­ge­bun­den für Ent­wick­lungs­hil­fe und wird bei gros­sen Pro­jek­ten oder Kata­stro­phen­fäl­len abge­ru­fen.»

Nicht ein­mal 0,1 Pro­zent aus Zürich 

Die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Zürich hat gegen­über den bereits erwähn­ten staats­kir­chen­recht­li­chen Kör­per­schaf­ten das gröss­te Bud­get. Mehr als das Dop­pel­te der Bas­ler Lan­des­kir­che und in etwa das Vier­fa­che der Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­che Aar­gau. Doch die Zür­cher Lan­des­kir­che zahl­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ledig­lich zwi­schen 55 000 und 230 000 Fran­ken für Ent­wick­lungs­pro­jek­te. Das macht bei 60 Mil­lio­nen Fran­ken Ein­nah­men maxi­mal 0,4 Pro­zent an den Gesamt­ein­nah­men. Im Jah­re 2015 waren es mit 55 000 gera­de ein­mal 0,09 Pro­zent.«Eigent­li­che Ent­wick­lungs­hil­fe wird von der Kan­to­nal­kir­che selbst nicht gelei­stet», erklärt Simon Speng­ler, Bereichs­lei­ter Kom­mu­ni­ka­ti­on der Katho­li­schen Kir­che im Kan­ton Zürich auf Nach­fra­ge. «Die Kan­to­na­le Kör­per­schaft lei­stet Not­hil­fe bei aktu­el­len Kri­sen­si­tua­tio­nen – zum Bei­spiel für Flücht­lin­ge in Syri­en oder Irak.» Vie­le Kirch­ge­mein­den im Kan­ton Zürich unter­stüt­zen aber in die­sem Bereich diver­se Pro­jek­te, ergänzt Simon Speng­ler.An den Bud­gets spie­geln sich die Mit­glie­der­zah­len: Mit 394 000 und 220 000 Katho­li­ken ste­hen die bevöl­ke­rungs­rei­chen Kan­to­ne Zürich und Aar­gau weit vorn. Dahin­ter fol­gen Solo­thurn mit 91 000, Basel­land mit 79 000 und Basel-Stadt mit 27 000 Mit­glie­dern. Inter­es­sant beim Ver­gleich: die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che in Basel-Stadt hat bei weni­ger Mit­glie­dern mehr Ein­nah­men als die Schwe­ster­kir­che im Land­kan­ton – und erhebt, wie der Aar­gau, erst noch kei­ne Kir­chen­steu­ern für juri­sti­sche Per­so­nen.

Son­der­fäl­le Bern und Solothurn

Wei­ter über­ra­schen die Zah­len aus Solo­thurn. Dort, wie in Bern, ste­hen den Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­chen jeweils kei­nen Fran­ken für Ent­wick­lungs­hil­fe zur Ver­fü­gung. «Im Kan­ton Bern ver­fü­gen die Kirch­ge­mein­den über teil­wei­se sehr hohe Bud­gets für Ent­wick­lungs­hil­fe. Dafür stel­len sie der Lan­des­kir­che kein Geld für sol­che Auf­ga­ben zur Ver­fü­gung», erklärt die Ver­wal­te­rin der Römisch-Katho­li­schen Kir­che im Kan­ton Bern, Regu­la Fur­rer. «Im Ver­gleich zu ande­ren Kan­to­nen haben wir in Bern ganz ande­re Kir­chen­struk­tu­ren, und dem­zu­fol­ge hat die Lan­des­kir­che auch ganz ande­re Auf­ga­ben mit ent­spre­chend ande­ren Mit­teln.»Ähn­lich prä­sen­tiert sich die Situa­ti­on auch in Solo­thurn, wo der Lan­des­kir­che rund 4 Mil­lio­nen Fran­ken jähr­lich zur Ver­fü­gung ste­hen. «In frü­he­ren Jah­ren wur­den bei ein­zel­nen Kata­stro­phen­fäl­len zehn bis fünf­zehn Tau­send Fran­ken zur Ver­fü­gung gestellt» , so Kurt von Arx, Vize­prä­si­dent der Römisch-katho­li­schen Syn­ode des Kan­tons Solo­thurn.

Über­ra­schung 1: Stadt Bern sogar vor Aargau

Die Ent­wick­lungs­hil­fe fällt dem­nach sowohl in Solo­thurn als auch in Bern direkt und aus­schliess­lich in die Zustän­dig­keit der Kirch­ge­mein­den. Von Sei­ten der «Gros­sen» — Bern, Biel, Thun, Lan­gen­thal und Inter­la­ken kom­me jedes Jahr eine beträcht­li­che Sum­me zusam­men, heisst es von Sei­ten der Ber­ner Ver­wal­te­rin Regu­la Fur­rer. Und in der Tat: Auf Nach­fra­ge bei der Gesamt­kirch­ge­mein­de Bern und Umge­bung erklärt Rolf Frei: «Wir haben einen Fonds für Ent­wick­lungs­hil­fe, aus dem jähr­lich 450 – 500 000 Fran­ken in ver­schie­de­ne Pro­jek­te flies­sen.» Auf die Gesamt­ein­nah­men von 28 Mil­lio­nen Fran­ken im Jah­re 2015 macht das 1,79 Pro­zent – also mehr als die Römisch-Katho­li­sche Lan­des­kir­che Aar­gau für Ent­wick­lungs­hil­fe zur Ver­fü­gung stellt.

Über­ra­schung 2: Bund gross­zü­gi­ger als Kirchen

Und macht man nun die Rech­nung auch noch beim Bund auf glei­che Art und Wei­se, also nimmt man nicht das Brut­to­na­tio­nal­ein­kom­men als Refe­renz­wert, son­dern die Ein­nah­men, dann resul­tiert für die Ent­wick­lungs­hil­fe nicht bloss ein Anteil von ledig­lich 0,5 Pro­zent. 3,4 Mil­li­ar­den Fran­ken für Ent­wick­lungs­hil­fe zahl­te der Bund im Jah­re 2015. Das waren bei einem Gesamt­ein­kom­men von 67,5 Mil­li­ar­den sage und schrei­be 5 Prozent.
Andreas C. Müller
mehr zum Autor
nach
soben