Gros­se Not und lee­re Betten

  • Das Cari­tas Baby Hos­pi­tal ist in Betrieb aber nur weni­ge Kin­der sind vor Ort.
  • Die Kin­der­hil­fe Beth­le­hem mit Sitz in der Schweiz ist die Betrei­be­rin des ein­zi­gen Kin­der­spi­tals im Westjordanland.
  • Seit dem Angriff der Hamas ist die Geschäfts­füh­re­rin des Ver­eins, Sybil­le Oet­li­ker, in täg­li­chem Kon­takt mit der Spi­tal­lei­tung und spürt: «Die Unsi­cher­heit wächst und die Angst wird grösser.»

Seit dem Ter­ror­an­griff der Hamas am 7. Okto­ber steht Sybil­le Oet­li­ker, als Geschäfts­lei­te­rin der Kin­der­hil­fe Beth­le­hem, täg­lich im Kon­takt mit dem Cari­tas Baby Hos­pi­tal in Beth­le­hem. Als ehe­ma­li­ge Nah­ost­kor­re­spon­den­tin der Aar­gau­er Zei­tung hat Sybil­le Oet­li­ker vie­le Kon­tak­te nach Isra­el und Palä­sti­na und sagt: «Die Ver­un­si­che­rung der Men­schen ist gross und die Angst vor einer Aus­wei­tung des Kon­flikts belastend.»

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Der Ver­ein Kin­der­hil­fe Beth­le­hem ist die Trä­ge­rin und Betrei­be­rin des Cari­tas Baby Hos­pi­tals. Es ist das ein­zi­ge auf Päd­ia­trie spe­zia­li­sier­te Spi­tal im West­jor­dan­land und ver­sorgt Kin­der und Jugend­li­che bis 18 Jah­re und berät deren Eltern. Nach dem Angriff kämen nur noch etwa 40 Pro­zent der Kin­der ins Ambu­la­to­ri­um zur Behand­lung. Auch sta­tio­när sei­en ledig­lich ein Vier­tel der 70 Bet­ten belegt, sagt Sybil­le Oet­li­ker. Zu gross sei die Angst der Eltern, die Kin­der nicht mehr besu­chen zu kön­nen oder vom Besuch im Spi­tal nicht mehr nach Hau­se zu kom­men. Über­all blockier­ten israe­li­sche Check­points die Zugangs­stras­sen zu den Städ­ten und Dör­fer im West­jor­dan­land. Nur in Aus­nah­me­fäl­len sei es mög­lich die Schran­ken zu pas­sie­ren. In Not­fäl­len füh­ren die Ambu­lan­zen noch aber die Wege sei­en län­ger, weil Stras­sen­sper­ren umfah­ren wer­den müssten.

Die Chef­ärz­tin des Spi­tals, Hiyam Marz­ou­qa, habe ihr ver­si­chert, dass sie momen­tan über genü­gend Medi­ka­men­te ver­füg­ten. Auch Lebens­mit­tel sei­en aus­rei­chend vor­han­den. Für kom­pli­zier­te medi­zi­ni­sche Fäl­le arbei­tet das Kin­der­spi­tal mit Spi­tä­lern in Jeru­sa­lem zusam­men. Bis jetzt bestehe die­se Zusam­men­ar­beit noch. Auch die Zusam­men­ar­beit mit ande­ren palä­sti­nen­si­schen Spi­tä­lern und Apo­the­ken funk­tio­nie­re gut.

Medi­ka­men­te für chro­nisch kran­ke Kinder

Neben dem Ambu­la­to­ri­um und der Kran­ken­sta­ti­on betreibt das Spi­tal auch einen Sozi­al­dienst. Momen­tan sei es den Sozi­al­ar­bei­ten­den aber nicht mög­lich die Fami­li­en auf­zu­su­chen. Tele­fo­nisch sei­en sie aber im Kon­takt mit ihnen und hel­fen, die not­wen­di­gen Medi­ka­men­te etwa für chro­nisch kran­ke Kin­der in nahe­ge­le­ge­nen Apo­the­ken oder Spi­tä­lern zu organisieren.

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Obwohl im Spi­tal die klei­nen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten feh­len, wer­de der Spi­tal­be­trieb sie­ben Tage die Woche rund um die Uhr wei­ter­ge­führt. Das Spi­tal­per­so­nal nut­ze die frei­ge­wor­de­ne Zeit, um an Wei­ter­bil­dun­gen teil­zu­neh­men und Arbei­ten zu erle­di­gen, die in der hek­ti­schen Tages­rou­ti­ne auf spä­ter ver­scho­ben wor­den sei­en. «Wir wol­len, wenn immer mög­lich kei­ne Mit­ar­bei­ten­den ent­las­sen», sagt Sybil­le Oetliker.

Spi­tal als wich­ti­ger Arbeitgeber

Vie­le Men­schen in Beth­le­hem leben vom Tou­ris­mus und haben im Moment kein Ein­kom­men. Wo in fried­li­che­ren Zei­ten Rei­se­bus­se und hupen­de Autos Beth­le­hems Stras­sen ver­stopf­ten und alle Men­schen über die Staus klag­ten, sei­en die Stras­sen nun leer, sagt Sybil­le Oet­li­ker. «Beth­le­hem ist tot», habe die Chef­ärz­tin die Stadt beschrie­ben. Palä­sti­nen­se­rin­nen und Palä­sti­nen­ser, die in Isra­el arbei­ten, dür­fen das West­jor­dan­land nicht ver­las­sen. Umso wich­ti­ger sei es, dass das Spi­tal als einer der wich­tig­sten Arbeit­ge­ber in der Regi­on nie­man­den ent­las­se, sagt die Geschäftsleiterin.

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Das Cari­tas Baby Hos­pi­tal wür­de ger­ne Sofort­hil­fe lei­sten und chro­nisch kran­ke Kin­der aus Gaza auf­neh­men aber im Moment sei selbst für kran­ke Kin­der die Gren­ze geschlos­sen. Auch vor dem Krieg hät­ten sie kaum Kin­der aus Gaza hos­pi­ta­li­sie­ren kön­nen. Zu restrik­tiv waren die Geneh­mi­gun­gen des israe­li­schen Staa­tes zur Aus­rei­se, sagt Sybil­le Oetliker.

Sofort­hil­fe für Gaza

Aktu­ell lei­stet der Ver­ein Kin­der­hil­fe Beth­le­hem mit 20’000 US-Dol­lar Hil­fe, um die Was­ser­ver­sor­gung von Zivi­li­sten in Gaza-Stadt zu unter­stüt­zen. Die Mit­tel stam­men aus Reser­ven des Ver­eins und die Spen­de geht über das Latei­ni­sche Patri­ar­chat von Jeru­sa­lem. Nach Luft­an­grif­fen auf Gaza-Stadt wur­de sowohl die ortho­do­xe Kir­che des Hei­li­gen Por­phy­ri­us als auch die katho­li­sche Pfar­rei beschä­digt, wohin sich vie­le Men­schen geflüch­tet hatten.

Cari­tas Baby Hospital

Das Cari­tas Baby Hos­pi­tal geht auf die Staats­grün­dung von Isra­el im Jahr 1948 zurück. Damals leb­ten tau­sen­de palä­sti­nen­si­sche Ver­trie­be­ne in Zel­ten. Die Cari­tas-Mit­ar­bei­te­rin Hed­wig Vet­ter und Dr. Antoine Dabdoub rich­te­ten in Beth­le­hem medi­zi­ni­sche Hil­fe für Müt­ter und ihre Kin­der ein. 1978 wur­de das Cari­tas Baby Hos­pi­tal eingeweiht.

Die Lei­tung des Cari­tas Baby Hos­pi­tal ist in loka­ler Hand. Betrie­ben und finan­ziert wird das Spi­tal vom Ver­ein Kin­der­hil­fe Beth­le­hem mit Sitz in Luzern. Sybil­le Hard­eg­ger ist die Prä­si­den­tin des Ver­eins. Bischof Felix Gmür vom Bis­tum Basel und Ste­phan Bur­ger, Erz­bi­schof von Frei­burg im Breis­gau sind die Pro­tek­to­ren des Kin­der­spi­tals. Spen­den wer­den aus­schliess­lich für die medi­zi­ni­sche Ver­sor­gung der Kin­der verwendet.

Der Betrieb des Cari­tas Baby Hos­pi­tals ist zu zwei Drit­teln von Spen­den aus der Schweiz, Deutsch­land und Ita­li­en abhän­gig. Der Trä­ger­ver­ein über­weist monat­lich Geld für Löh­ne, Medi­ka­men­te und Unter­halts­ko­sten. Glück­li­cher­wei­se funk­tio­nie­re der Zah­lungs­ver­kehr bis jetzt unein­ge­schränkt. Nach drei Tagen sei das Okto­ber-Geld ange­kom­men. Ein Drit­tel erwirt­schaf­tet das Spi­tal durch Lei­stungs­ver­trä­ge mit dem Gesund­heits­mi­ni­ste­ri­um und der United Nati­ons Reli­ef and Works Agen­cy, kurz UNRWA. Die­se Ver­trä­ge wür­den ein­ge­hal­ten. Ein wei­te­rer Teil der Erträ­ge schliess­lich stammt aus dem Selbst­be­halt der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Da vie­le Ein­kom­men nun weg­fie­len und die Armut der Bevöl­ke­rung zuneh­me, sei das Spi­tal ver­mut­lich auf wei­te­re Spen­den angewiesen.

Treue Spen­de­rin­nen in der Schweiz

«Wir haben vie­le treue Spen­de­rin­nen und Spen­der», sagt die Geschäfts­lei­te­rin der Kin­der­hil­fe Beth­le­hem. Dar­un­ter sind Ein­zel­per­so­nen, Stif­tun­gen, Städ­te, Gemein­den, Kan­to­ne, Kirch­ge­mein­den und Pfar­rei­en. In der Schweiz wird die Arbeit der Kin­der­hil­fe Beth­le­hem zudem durch die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz unter­stützt, die seit 1964 den Pfar­rei­en vor­gibt, die Weih­nachts­kol­lek­te für das Cari­tas Baby Hos­pi­tal aufzunehmen.

In den täg­li­chen Tele­fo­na­ten mit dem Spi­tal­di­rek­tor, Issa Bandak und der Chef­ärz­tin Hiyam Marz­ou­qa spürt Sybil­le Oet­li­ker, wie die Unsi­cher­heit wächst und die Angst grös­ser wird. Vie­le Palä­sti­nen­se­rin­nen und Palä­sti­nen­ser fühl­ten sich ver­las­sen von der Welt und macht­los, solan­ge Rake­ten auf den Gaza­strei­fen geschos­sen wer­den. Das hat die Prä­si­den­tin der Kin­der­hil­fe Beth­le­hem, Sybil­le Hard­eg­ger, zum Anlass genom­men, allen Mit­ar­bei­ten­den des Spi­tals einen Brief zu schrei­ben, indem sie ihnen unge­bro­che­ne Soli­da­ri­tät und Unter­stüt­zung zuge­si­chert hat.

Eva Meienberg
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