Gottsuche im World Wide Web
Fast alles, was es im realen Leben gibt, spiegelt sich in der digitalen Welt. So verhält es sich auch mit religiösen Angeboten, wie die folgenden vier Beispiele zeigen.
Die Online-Übertragungen der Gottesdienste halfen während der Coronapandemie ein minimales religiöses Angebot aufrecht zu erhalten. Die Pfarreien und Kirchgemeinden rüsteten sich technisch auf und erfuhren dadurch einen Digitalisierungsschub. Religiöse Angebote im Netz wurden seither stetig ausgebaut. Längst können Gläubige nicht nur den Pfarrer oder die Seelsorgerin am Altar beobachten, sondern auch an interaktiven Angeboten teilnehmen.
Geschichten, Brot und Wein teilen
Etwa beim Format «Brot und Liebe», einem digitalen ökumenischen Gottesdienst, der zweimal pro Monat am Sonntagabend stattfindet. Teilnehmende treffen sich in einer online Videokonferenz. Im Zentrum stehen drei Geschichten: eine biblische Geschichte und zwei persönliche Geschichten. Diese verhallen nicht in den Weiten des Netzes, sondern werden von den Teilnehmenden im Chat kommentiert. Gemeinsam eine Kerze anzünden, Gebete und ein Segen sind weitere Elemente von «Brot und Liebe». Ausserdem teilen die Netzgottesdienst-Besuchenden Brot und Wein. Bis zum nächsten Online-Gottesdienst bleiben die Teilnehmenden über Instagram verbunden.
Glauben und gamen
Im Minecraft-Gottesdienst treffen sich die meist jugendlichen Teilnehmenden, vertreten durch ihre Spielfiguren, innerhalb eines Videospiels. Minecraft gibt es seit 2009 und führt die Hitliste bei den zwölf- bis 17-Jährigen bis heute an. Die Spielerinnen und Spieler erschaffen mit Blöcken – Legosteinen ähnlich – digitale Welten und erleben darin Abenteuer. Die Minecraft-Gottesdienste finden in einer aus Blöcken gebauten Kirche statt. In der Liturgie finden sich durchaus klassische Elemente: Segen, Gebete, Lieder, Fürbitten. Von der Predigt allerdings werden die Jugendlichen verschont. Das Evangelium wird spielerisch erkundet in zuvor passend zum Thema gebauten Landschaften. Da schlüpfen die Spielenden in Rollen biblischer Figuren. In der Weihnachtsgeschichte etwa können sie dem Jesuskind gleich selbst ein Geschenk vorbeibringen. Das Angebot des Minecraft-Gottesdienstes stammt vom Berliner Bibellabor, das aus der 1710 gegründeten Cansteinschen Bibelanstalt gewachsen ist.
Virtuelles Kloster
Im Netzkloster kommen Menschen auf ihre Kosten, die nicht Spiel, sondern Kontemplation suchen. Das Netzkloster besteht seit 2021 und gehört zum Angebot der evangelisch-methodistischen Kirche. Es richtet sich aber nach eigenen Angaben an alle «Sucherinnen und Sucher». Im Zentrum der religiösen Praxis steht die Meditation des Herzensgebets, die in der christlichen Mystik verankert ist und mehrmals pro Woche gemeinsam online geübt wird. In einem zwölfwöchigen Lehrgang werden die Grundlagen für die regelmässige Teilnahme vermittelt. Physisch werden lediglich «Stilletage in der Natur» angeboten. Die Angebote sind kostenpflichtig.
Soziale Medien statt Kanzel
In den Sozialen Medien fallen die religiösen Influencerinnen auf, wie etwa die katholische Theologin Jacqueline Straub oder die reformierte Theologin Evelyne Baumberger. In Videos, Bildern und Texten erreichen sie Tausende von Followerinnen und Followern. Nicht nur am Sonntag im Gottesdienst, sondern zu jeder Zeit im Alltag teilen sie ihre Gedanken – oft ausgehend von ihrer persönlichen Befindlichkeit. Die Sinnfluencerinnen, wie sie auch genannt werden, kommentieren die Welt und zeigen dabei exemplarisch auf, wie der Glaube ihnen hilft, sich in ihr zurecht zu finden. Die Followerinnen und Follower reagieren darauf mit Kommentaren und Likes.