Gottesdienst am AutoScooter
Adrian Bolzern, 35 Jahre jung, wird nicht nur neuer Priester in der Pfarrei Peter und Paul in Aarau. Er ist seit diesem Jahr auch Nachfolger von Zirkusseelsorger Ernst Heller. Im Gespräch mit Horizonte erklärt er, wie es dazu kam und warum ein Eintritts-Billet im Zirkus für 35 Franken nicht zu teuer ist.Adrian, du hast meinen jüngsten Sohn getauft, wir kennen uns länger, deshalb bleiben wir beim Du. Erklär mir bitte, wie kam es zum Kontakt mit Ernst Heller?
Adrian Bolzern: Er und mein Vater sind Studienfreunde. Während mein Vater heiratete und Diakon wurde, liess Ernst Heller sich zum Priester weihen. Ich wusste, dass sie befreundet sind, doch ich hatte keinen Kontakt mit Ernst Heller. Scheinbar hat er meinen Weg verfolgt, gerade, als der in die Kirche führte. Dann hat er in Berikon eine Beerdigung gehalten und so wurden wir bekannt. Er kam auch zu meiner Priesterweihe nach Basel, so wurde der Kontakt enger. Und nachdem er fast fünf Jahre einen Nachfolger für sich gesucht und nur Absagen erhielt, hat er mich gefragt.
Sind dreissig Stellenprozent genug für diese Aufgabe?
Ich fände es schöner, wenn es fünfzig wären.
Für wen genau bist du zuständig?
Ich bin verantwortlich für die Zirkusmenschen, also in der Hauptsache die Familien. Dann auch für die Artisten, wobei diese ja jeweils nur für die Saison kommen. Dann für die Schausteller und Markthändler, die zum Beispiel in Basel auf der «Herbschtmäss» oder am Handwerkermarkt in Bremgarten oder sonstwo in der Schweiz unterwegs sind.
Fallen die Fahrenden auch in deine Zuständigkeit?
Nein. Für die gibt es eine Schwester im Welschen. Den Zirkusfamilien ist es auch wichtig, dass das getrennt wird. Die Fahrenden suchen sich unterwegs ihre Arbeit. Bei den Zirkusleuten ist das Unterwegs-Sein die Arbeit. Ausserdem sind sie an einem Ort gemeldet, an dem sie auch Steuern zahlen.
Gibt es ökumenische oder interreligiöse Angebote?
Wenn ein Muslim zu mir kommt, spreche ich selbstverständlich auch mit ihm. Doch gibt es kein ausdrücklich interreligiöses Angebot. Ich habe eine reformierte Kollegin in Zürich. Mit der gibt es ein gutes Einvernehmen. Und zum Beispiel einen ökumenischen Gottesdienst am Auto Scooter an der «Herbschtmäss».
Was ist dir besonders wichtig, wenn du an die Zirkusleute denkst?
Dass den Leuten, die den Zirkus besuchen, klar wird, was alles hinter den Kulissen einer Vorstellung steckt. Damit meine ich noch nicht mal die Proben, oder dass der Auf- und Abbau eine Knochenarbeit ist. Die Zirkusse werden – anders als Theater – nicht subventioniert. Sie müssen an jedem Ort grosse Beiträge für Wasser und Strom zahlen und zum Beispiel ihre Kinder in eine eigene Schule schicken. Dafür muss der Zirkus eine Lehrerin anstellen. Das zahlen die Zuschauer alles mit ihrem Eintrittsbillet. Da sind 35 Franken nicht zu viel, finde ich.
Ein grosses Thema ist immer wieder die Haltung und Dressur der Tiere? Wie nimmst du das wahr?
Ja, das ist ein grosses Thema. Der Zirkus Monti zeigt, dass es ohne Tiere geht. Andererseits gehören Tiere irgendwie zum Zirkus dazu. Es gibt in Deutschland und auch in Spanien Städte, die Zirkussen mit Tieren verbieten, auf das Stadtgebiet zu kommen. Hier in der Schweiz sagen die Zirkusdirektoren sehr richtig: Zoos werden vielleicht zweimal im Jahr kontrolliert. Ein Zirkus dagegen wird jedesmal, wenn er über eine Kantonsgrenze zieht, vom Kantonstierarzt kontrolliert. Im Minimum also 26 Mal pro Jahr.
Du beschreibst dich selber als kontaktfreudig, was sicher von Vorteil ist für die Zirkusseelsorge. Gibt es etwas, was dir noch fehlt?
Ich müsste eventuell die Fremdsprachen etwas mehr pflegen. Mit Englisch geht es schon. Französisch und Italienisch, da fehlt es sicher noch. Und ich bin gespannt, wie ich das Miteinander meiner beiden Stellen regeln kann. Bestimmte feste Termine von Messen oder Ähnlichem stehen früh fest. Doch eine Beerdigung kann man nicht planen.Anne Burgmer