Got­tes grü­ner Daumen

Got­tes grü­ner Daumen

Eze­chi­el 17,22–24So spricht Gott, der Herr: Ich selbst neh­me ein Stück vom hohen Wip­fel der Zeder und pflan­ze es ein. Einen zar­ten Zweig aus den ober­sten Ästen bre­che ich ab, ich pflan­ze ihn auf einen hoch auf­ra­gen­den Berg. Auf die Höhe von Isra­els Berg­land pflan­ze ich ihn. Dort treibt er dann Zwei­ge, er trägt Früch­te und wird zur präch­ti­gen Zeder. Aller­lei Vögel woh­nen dar­in; alles, was Flü­gel hat, wohnt im Schat­ten ihrer Zweige. Dann wer­den alle Bäu­me auf den Fel­dern erken­nen, dass ich der Herr bin. Ich mache den hohen Baum nied­rig, den nied­ri­gen mache ich hoch. Ich las­se den grü­nen­den Baum ver­dor­ren, den ver­dorr­ten erblü­hen. Ich, der Herr, habe gespro­chen, und ich füh­re es aus.Ein­heits­über­set­zung 

Got­tes grü­ner Daumen

Dort steht sie! Schaut sie an! Bewun­dert sie in ihrer ein­zig­ar­ti­gen Pracht! Strah­lend, lin­den­blü­ten­weiss steht sie dort, eine wah­re Augen­wei­de, die Lin­de beim Bahn­hof Aesch, zwi­schen dem Per­ron und dem Wen­de­platz der Post­au­to­li­nie 68, am Mor­gen des 3. Juni, kurz nach 8 Uhr. Ein wahr­haft sonn­täg­li­cher Anblick. Als ich knapp zwölf Stun­den spä­ter heim­kehr­te, stand sie immer noch da, genau­so ent­zückend, und ver­ström­te zu allem Über­fluss ihren zar­ten, berau­schen­den Duft. Dazu das gleich­mäs­si­ge Sum­men und Sir­ren der Bie­nen und Insek­ten, die im abend­li­chen Son­nen­licht ihrer Arbeit nach­gin­gen. Drum­her­um das Schwat­zen und Lär­men der Spat­zen. Wer mag sie gepflanzt haben, die­se Lin­de, vor wie vie­len Jah­ren? Wer mag dafür gesorgt haben, dass sie eine so eben­för­mi­ge Kro­ne ent­wickeln konn­te? Wird jemand ihre Blü­ten ein­sam­meln und trock­nen und als heil­sa­men Lin­den­blü­ten­tee auf­brü­hen, zur Lin­de­rung gegen Fie­ber­schü­be, bei win­ter­li­chen Erkäl­tun­gen, Kran­ke zum Gesund­schwit­zen brin­gend?So etwas von lebens­prall und wür­de­voll, die­ser Lin­den­baum. «Und weiss nicht wie. Die Erde bringt von selbst ihre Frucht», kom­men­tiert das Evan­ge­li­um. Der­weil freue ich mich im Klo­ster­gar­ten über die Nuss­bäu­me, an denen wie­der reich­lich jun­ge Früch­te han­gen – es wird ein Buben­jahr! – und an den Bir­nen am Spa­lier, den Kir­schen, den Reben, den Zwetsch­gen und Mira­bel­len und Rei­ne­clau­den … Es scheint, als möch­ten sie kom­pen­sie­ren, was ihnen letz­tes Jahr durch den Käl­te­ein­bruch in der Oster­wo­che ver­lo­ren ging. «Was durch die Kräf­te der Natur und die Mühe des Men­schen gewach­sen ist», heisst es im Wet­ter­se­gen, ein­fach und wahr. Wenn jetzt nur nicht der Hagel drein­fährt!Welt­frem­de Roman­tik? In der glei­chen Woche hat der Che­mie­gi­gant Bay­er für über 65 Mil­li­ar­den Dol­lar den Saat­gut­rie­sen Monsan­to über­nom­men und wird damit zum gröss­ten Agro­in­du­strie­kom­plex der Welt, der auch gleich die Pesti­zi­de lie­fert, «Pflan­zen­schutz­mit­tel» genannt, damit die Ern­ten noch üppi­ger aus­fal­len und die Erträ­ge noch rei­cher flies­sen. Natür­lich auch, damit die hung­ri­gen Mäu­ler der wach­sen­den Welt­be­völ­ke­rung gestopft wer­den kön­nen, da gibts nichts zu kri­ti­sie­ren und nichts zu beschö­ni­gen. Die Lin­de beim Bahn­hof Aesch und die lebens­lu­sti­gen Spat­zen in ihrem Geäst – dür­fen sie noch sein in einer Zukunft, in der die Agro­che­mie und das Ren­di­te­den­ken den Tarif durch­ge­ben? Fin­den sie den Lebens­raum, der ihnen zusteht und der ihnen mehr bie­tet als ein dürf­ti­ges Über­le­ben?Die blü­hen­de Lin­de in Aesch und die Zedern des Liba­non! Der Bahn­hof­vor­platz von Aesch und das Berg­land Isra­els! Der Abt von Maria­stein und der Pro­phet Eze­chi­el! Für alles und jeden gibts einen Platz im Gar­ten Eden. Wie schön ist es, Gott vor­ge­stellt zu bekom­men als Land­schafts­gärt­ner, als Baum­wär­ter und Win­zer, als Gemü­se­bau­er und Bee­ren­far­mer, als För­ster und Blu­men­lieb­ha­ber, einer, der sein Metier ver­steht und mit sei­nem grü­nen Dau­men das Beste aus Pflan­zen, Bäu­men und Büschen, aus den Trie­ben und Schöss­lin­gen, aus Saat­gut, Bee­ten und Pflanz­plät­zen her­aus­zu­ho­len ver­steht, der mit dem Blick des erfah­re­nen, gedul­di­gen Exper­ten die Erde pflegt und hegt, um sie in sein Para­dies zu ver­wan­deln. So schön kann das Reich Got­tes sein.Abt Peter von Sury, Mariastein
Redaktion Lichtblick
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