Glück oder Unglück – wer weiss?
Eine alte chinesische Parabel und ein Gedanke aus dem Römerbrief
Eines Tages lief einem Bauern sein einziges Pferd davon. Die Nachbarn kamen zusammen und riefen entsetzt: „Was für ein Unglück!“Doch der Bauer antwortete ruhig: „Glück oder Unglück – wer weiss das schon?“
Einige Tage später kehrte das Pferd zurück – und brachte ein Wildpferd mit. Die Nachbarn staunten: „Jetzt hast du zwei Pferde! Was für ein Glück!“Der Bauer aber sagte nur: „Glück oder Unglück – wer weiss?“
Der Sohn des Bauern versuchte, das Wildpferd zu zähmen. Dabei stürzte er schwer und brach sich ein Bein. Die Nachbarn eilten herbei und sagten erschrocken: „Was für ein Unglück!“Der Bauer entgegnete: „Glück oder Unglück – wer weiss?“
Kurz darauf brach ein Krieg aus. Alle jungen Männer des Dorfes wurden eingezogen – nur der Sohn des Bauern nicht, weil er verletzt war. Und wieder sagten die Nachbarn: „Was für ein Glück!“ Der Bauer schwieg.
Diese alte chinesische Parabel erzählt von der Unvorhersehbarkeit des Lebens. Was im ersten Moment wie ein Unglück erscheint, kann sich später als Glück erweisen. Und umgekehrt. Vieles erkennen wir erst im Rückblick – wenn überhaupt.
Mich erinnert diese Geschichte an ein Wort aus dem Brief des Apostels Paulus an die Gemeinde in Rom:
„Wer Gott liebt, dem dient alles, was geschieht, zum Guten.“ (Römer 8,28)
Nicht, dass alles, was geschieht, gut ist. Aber alles, was geschieht, kann zum Guten führen – wenn wir vertrauen, hoffen und offen bleiben. Ein verpasster Zug kann dazu führen, dass man im nächsten die Liebe seines Lebens trifft. Eine nicht bestandene Prüfung kann am Ende den Weg zum Traumjob ebnen, weil genau dann eine neue Tür aufgeht.
Diese Geschichte kann uns auf zwei Arten Mut machen:
Erstens: Sie nimmt uns die Angst vor schwierigen Situationen. Denn auch wenn wir gerade keinen Sinn erkennen – vielleicht liegt in allem, was geschieht, ein verborgenes Potenzial. Wir müssen nicht alles verstehen. Aber wir dürfen hoffen, dass sich manches mit der Zeit ordnet.
Zweitens: Sie ermutigt uns, das Schöne im Leben bewusst zu geniessen – ohne Angst, es wieder zu verlieren. Wenn Dir etwas Gutes begegnet: Nimm es dankbar an. Geniesse es – wirklich. Dein Glück hängt nicht davon ab, dass es bleibt. Es darf auch wieder gehen. Aber jetzt – jetzt ist es da.
Ich wünsche Dir, dass Du in schweren Zeiten den Mut behältst – und in guten Momenten die Freude. Denn Glück oder Unglück? Wer weiss das schon.
Basil Schweri, Gemeindeleiter Dornach Gempen Hochwald, Koordinator Pastoralraum Birstal