Gibt es den gerech­ten Krieg?

  • Alber­to Bon­dol­fi, eme­ri­tier­ter Pro­fes­sor für theo­lo­gi­sche Ethik, refe­rier­te über die Fra­ge nach dem gerech­ten Krieg.
  • Pazi­fi­stin­nen und Pazi­fi­sten habe es schon unter den ersten Chri­sten gege­ben, doch was bedeu­tet das heute?
  • Im Salon Theo­lo­gie tref­fen sich Men­schen online, die ver­tieft über theo­lo­gi­sche The­men nach­den­ken wollen.

Für Men­schen, die ihr Abend­essen bereits um 18 Uhr ein­neh­men, ist die Online-Ver­an­stal­tung des theo­lo­gisch-pasto­ra­len Bil­dungs­in­sti­tuts das per­fek­te Des­sert. Für den Rest ist der Salon Theo­lo­gie ein Apé­ro riche. Tief­grün­di­ge theo­lo­gi­sche The­men wer­den auf dem Sil­ber­ta­blett ser­viert. An die­sem Abend ist die Kost aller­dings schwer ver­dau­lich. Es geht um die Fra­ge nach dem gerech­ten Krieg. Selbst­ver­ständ­lich steht das Wort gerecht in der Kurs­aus­schrei­bung zwi­schen Anfüh­rungs- und Schluss­zei­chen. Denn was soll an Krieg schon gerecht sein?

Spal­ten­de Fragen

Seit dem Aus­bruch des Krie­ges in der Ukrai­ne, der Euro­pa geo­gra­fisch und ideell nahe ist, sind sol­che Fra­gen wie­der aktu­ell. Waf­fen­lie­fe­run­gen, ja oder nein? Die Dis­kus­sio­nen dar­über spal­ten gera­de die Gesell­schaft, die Poli­tik, Fami­li­en. Vie­le Men­schen füh­len gar sich selbst in die­ser Fra­ge gespal­ten. Als Chri­stin­nen und Chri­sten ken­nen wir das Lie­bes­ge­bot. Neben Gott sol­len wir Men­schen auch die Näch­sten lie­ben, wie uns selbst. Gilt das auch in Zei­ten des Krieges?

Alber­to Bon­dol­fi rät in die­sen heik­len Fra­gen zur «intel­li­gen­ten Gelas­sen­heit». Mit sei­nem Vor­trag im Salon Theo­lo­gie will er «die Span­nung mini­mie­ren». Der eme­ri­tier­te Pro­fes­sor für theo­lo­gi­sche Ethik nützt dazu den Blick in die Ver­gan­gen­heit. Inner­halb der Theo­lo­gie gebe es zur Fra­ge des gerech­ten Krie­ges drei ver­schie­de­ne Positionen.

Hei­li­ger Krieg in der Schweiz

Alber­to Bon­dol­fi unter­schei­det sie in eine Ableh­nung jeg­li­cher krie­ge­ri­schen Hand­lun­gen für Chri­stin­nen und Chri­sten, also ein Christ­li­cher Pazi­fis­mus. In eine teil­wei­se Legi­ti­mie­rung des Krie­ges in der Leh­re des gerech­ten Krie­ges und in die Leh­re des hei­li­gen Krie­ges. Als Bei­spiel für einen hei­li­gen Krieg, bei dem vie­le wohl zuerst Bil­der vom Isla­mi­schen Staat im Kopf haben, nennt Alber­to Bon­dol­fi den Son­der­bunds­krieg in der Schweiz, in dem Katho­li­ken und Refor­mier­te gegen­ein­an­der kämpf­ten – bei­de Sei­ten in der Über­zeu­gung, recht­gläu­big zu sein. Mit die­sem Bei­spiel macht der Refe­rent deut­lich, dass der geschicht­li­che Kon­text, in dem sich ein Krieg ereig­net, eine gros­se Rol­le spielt in Bezug auf des­sen Legitimation.

Pazi­fi­sti­sche Christen

Was haben also die ersten pazi­fi­sti­schen Chri­sten über den Krieg und krie­ge­ri­sche Hand­lun­gen von Chri­stin­nen und Chri­sten gedacht? Alber­to Bon­dol­fi erklärt es so: Sie glaub­ten, dass die Wie­der­kunft Chri­sti kurz bevor­stün­de und mit ihr ein Gericht, das über alle Men­schen urtei­len wer­de. Mit die­ser Erwar­tung hät­ten die Chri­stin­nen und Chri­sten in einer psy­cho­lo­gi­schen Distanz zu den welt­li­chen Pro­ble­men gelebt, denn alles Irdi­sche sei ledig­lich vor­läu­fig und dar­um nicht rele­vant gewe­sen. Für die rest­li­chen Tage der Mensch­heit soll­ten aber alle ihrem Stand ent­spre­chend leben, glaub­ten die Chri­stin­nen und Chri­sten. Auch die Sol­da­ten soll­ten ihren Dienst erfül­len, aller­dings ohne dem Kai­ser­kult zu hul­di­gen oder des­sen Göt­zen zu dienen.

Zeit­rei­se

Die Zeit­rei­se von Alber­to Bon­dol­fi geht wei­ter und macht Halt bei Augu­stin und sei­nen Ansät­zen zu einer Leh­re des gerech­ten Krie­ges. Wei­ter geht sie mit der Rezep­ti­on von Augu­stins Aus­sa­gen im Mit­tel­al­ter und in der Früh­neu­zeit und der ersten gros­sen Syste­ma­ti­sie­rung durch Tho­mas von Aquin. Auch die Refor­ma­to­ren lei­ste­ten ihren Bei­trag zur Fra­ge des gerech­ten Krie­ges. Hier stoppt die Rei­se nach kurz­wei­li­gen 90 Minu­ten. Der Salon Theo­lo­gie ist für heu­te zu Ende.

Ent­span­nung

Tat­säch­lich stellt sich wenig­stens bei mir eine gewis­se Ent­span­nung ein, wie es Alber­to Bon­dol­fi ver­spro­chen hat. Nicht, weil ich eine Ant­wort gefun­den hät­te, son­dern weil ich die aktu­el­len bren­nen­den Fra­gen in einem ande­ren Licht sehen kann. Aus­ser­dem tut es gut, mich als Fra­gen­de in Gesell­schaft zu wis­sen. Ob es den ande­ren Teil­neh­men­den auch so geht, erfah­re ich heu­te lei­der nicht. Für den zwei­ten Teil hat Micha­el Hart­lieb, Lei­ter der theo­lo­gi­schen Grund­bil­dung des tbi, einen Aus­tausch mit uns Teil­neh­men­den angekündigt.

Salon Theo­lo­gie «War­um muss­te Jesus von Naza­reth ster­ben?» oder «In Ver­ant­wor­tung gegen­über den Opfern», eine Ver­an­stal­tung zur Pilot­stu­die der Uni Zürich zum sexu­el­len Miss­brauch in der katho­li­schen Kir­che in der Schweiz, sind Pro­gramm­punk­te des Salon Theo­lo­gie. Die Ver­an­stal­tun­gen fin­den online am Diens­tag- oder Mitt­woch­abend um 19 Uhr statt. Wei­te­re Ver­an­stal­tun­gen fin­den Sie auf der Sei­te des tbi.

Salon Theo­lo­gie

Micha­el Hart­lieb hat das Ver­an­stal­tungs­for­mat Salon Theo­lo­gie kon­zi­piert. Das For­mat bie­tet den Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten seit Anfang Jahr die Mög­lich­keit, ihre Stecken­pfer­de zu prä­sen­tie­ren, Inhal­te vor­zu­tra­gen, die in den The­men­be­rei­chen der theo­lo­gi­schen Grund­bil­dung kei­nen Platz fän­den, sagt Micha­el Hart­lieb. Dass der Salon Theo­lo­gie nur vir­tu­ell besucht wer­den kann, habe ver­schie­de­ne Grün­de. Zum einen könn­ten so Teil­neh­men­de von über­all her mit­ma­chen, zum ande­ren sei es so mög­lich, die Ver­an­stal­tung auch für eine klei­ne Grup­pe durch­zu­füh­ren. Das For­mat rich­tet sich an alle, die sich mit theo­lo­gi­schen The­men ver­tieft aus­ein­an­der­set­zen möchten.

Näch­sten Mitt­woch, 29. März, geht es wei­ter mit der Fra­ge nach dem gerech­ten Krieg. Anmel­dun­gen wer­den bis einen Tag vor dem Salon ange­nom­men. Ich wer­de mir die Auf­zeich­nung der Ver­an­stal­tung anse­hen müs­sen, weil ich dann schon einen ande­ren Ter­min habe. Salon Theo­lo­gie zum Nach­schau­en, auch das ist möglich.

Eva Meienberg
mehr zum Autor
nach
soben