Gewalt?
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Mariano Delgado, Direktor des Instituts für das Studium ​der Religionen und den interreligiösen Dialog, ​Universität Freiburg i.Üe.
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Gewalt?


Gewalt, die im Namen eines Got­tes aus­ge­übt wird, ist kein neu­es Phä­no­men – wie gera­de die Chri­sten­tums­ge­schich­te zeigt. Aus ihr lässt sich aber auch etwas über die Ein­däm­mung von Gewalt und die Ent­schär­fung von reli­giö­sen Gewalt­po­ten­zia­len lernen.​So ist es heu­te in der christ­li­chen Exege­se Kon­sens, dass man sich nicht auf die Bibel zur Recht­fer­ti­gung von Gewalt beru­fen kann. Eben­so hat das Chri­sten­tum (mit Hil­fe der Staats­ent­wick­lung) gewis­se Patho­lo­gien über­wun­den, etwa dass man das Mis­si­ons­recht gewalt­sam durch­set­zen oder die Ket­zer ver­fol­gen könn­te. Reli­gi­ons- und Mei­nungs­frei­heit gehö­ren heu­te zu den Grund­rech­ten von Rechts­staa­ten. Christ­li­che Theo­lo­gen und Phi­lo­so­phen haben auch die Theo­rie des «gerech­ten Krie­ges» zur Ein­däm­mung des Krie­ges (als Ver­tei­di­gungs­krieg mit vie­len Auf­la­gen) und nicht zu des­sen För­de­rung entwickelt.​Religionen und Ideo­lo­gien kön­nen aber wei­ter­hin in Gewalt umschla­gen. Ver­ges­sen wir nicht, dass nach dem bibli­schen Nar­ra­tiv die Mensch­heit eine ver­wun­de­te, eine «kai­ni­ti­sche» Natur hat. Daher mutet die Mensch­heits­ge­schich­te wie eine «Höl­len­ma­schi­ne» an, um es mit dem Phi­lo­so­phen Ador­no zu sagen. Zwi­schen der Stein­schleu­der der Vor­zeit und den Mas­sen­ver­nich­tungs­waf­fen unse­rer Zeit gibt es zwei­fel­los einen tech­ni­schen Fort­schritt – gibt es aber auch einen mora­li­schen? ​Reli­gio­nen haben die Men­schen­na­tur bis­her nicht «zäh­men» kön­nen. Aber mit ihren Frie­dens­vi­sio­nen sind sie ein wich­ti­ger Fak­tor zur Gestal­tung einer fried­li­che­ren Welt.

Mariano Delgado
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