Gesprächsbedarf ist vorhanden
- Vor rund einem Monat, am 15. Januar, sind zum RS-Start mehr als 12’000 junge Männer und Frauen in die Rekrutenschulen der Schweizer Armee eingerückt.
- In der Armee treffen sich Menschen mit den unterschiedlichsten Ausbildungen, Lebensentwürfen und Weltanschauungen. Auch verschiedene Religionen treffen aufeinander.
- Eine immer wichtigere Rolle kommt den Armeeseelsorgerinnen und ‑seelsorgern zu.
Die Armeeseelsorge steht allen Armeeangehörigen für Begegnungen und Gespräche zur Verfügung. Sie können sich mit persönlichen, existenziellen, ethischen, weltanschaulichen, spirituellen oder religiösen Fragen und Anliegen an die Seelsorgeperson wenden. Chef der Armeeseelsorge ist Samuel Schmid. Der 51-Jährige hat reformierte Theologie studiert und ist seit 25 Jahren Seelsorger bei der Schweizer Armee. Seit 2018 arbeitet er auch beruflich für diesen Dienstzweig, seit zwei Jahren als dessen Chef. «Wo gibt es das heute noch?», ist der spontane Gedanke, wenn Schmid erklärt: «Wir Seelsorgenden haben keine ‹Fälle›, wir müssen kein bestimmtes Ziel erreichen und das Besprochene unterliegt dem Seelsorgegeheimnis und ist absolut vertraulich. Die Basis für unsere Arbeit sind Respekt, Toleranz und die Fähigkeit, offen und vorurteilsfrei auf Menschen zuzugehen.»
Ausbau der Seelsorge
Armeeseelsorgende sind Angehörige der Armee. Sie absolvieren die militärische Grundausbildung und teilen den militärischen Alltag der Truppe. Sie sind bei Übungen dabei, gehen mit auf einen Marsch, schauen in der Küche vorbei. Dabei ergeben sich Gespräche – oft Smalltalk, doch immer wieder auch tiefergehende Gespräche. Trotz Säkularisierung sei bei den mehrheitlich jungen Menschen in der Armee Gesprächsbedarf vorhanden, viele Fälle beträfen das zivile Leben, sagt Schmid.
Armeeseelsorger/in werden
Voraussetzungen für die Tätigkeit als Armeeseelsorger/in sind die Schweizer Staatsbürgerschaft, eine anerkannte theologische, seelsorgliche Ausbildung oder Qualifikation und die militärische Grundausbildung (schon absolviert oder dazu bereit) sowie die Empfehlung einer Kirche oder religiösen Gemeinschaft, welche eine Partnerschaft mit der Armeeseelsorge eingegangen ist. www.armee.ch/seelsorge
In den letzten Jahren wurde deshalb in der Armeeseelsorge ein Ausbau angestossen. Die Zahl der Armeeseelsorgerinnen und Armeeseelsorger soll kontinuierlich von 171 auf 242 erhöht werden. Ziel ist, dass pro Bataillon oder Abteilung je ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin zur Verfügung steht. Auch in den Rekrutenschulen soll es bald pro Rekrutenschulstart und Sprache eine Seelsorgeperson geben.
Partnerschaften mit verschiedenen Religionsgemeinschaften
Auch in qualitativer Hinsicht wird die Armeeseelsorge ausgebaut: Im Jahr 2020 wurden erstmals Seelsorgende mit freikirchlichem Hintergrund zum Dienst als Armeeseelsorger zugelassen. Ein Jahr später schloss die Armeeseelsorge Partnerschaften ab mit der Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz und dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund. Im Frühling 2022 haben die ersten Armeeseelsorger mit jüdischem und muslimischem Hintergrund den Lehrgang absolviert. Schmid sagt: «Unser Auftrag war schon immer, seelsorgliche Betreuung für alle zu gewährleisten. Dazu wollen wir unsere Kompetenzen erweitern, denn es gibt Fälle, in denen es auf die Religion ankommt. Zum Beispiel wenn ein Katholik bei einem Priester die Beichte ablegen möchte oder ein Imam für ein muslimisches Gebet gebraucht wird.»
Auf der Basis christlicher Werte
Offenheit bedeutet in der Armeeseelsorge nicht Beliebigkeit: Die gemeinsame Grundlage aller Armeeseelsorgenden sind die Weisungen zur Armeeseelsorge aus dem Jahr 2020, welche die damals vollzogene Öffnung für andere Religionen regeln. In diesen Weisungen ist ein Wertekanon definiert, auf dem die Schweiz und ihre Armee stehen. Samuel Schmid: «Es ist ein historischer Fakt, dass diese Basis christlich geprägt ist. Das Dokument mit den Weisungen zur Armeeseelsorge ist das einzige Dokument, das diese christliche Prägung explizit festhält. Zu den darin festgehaltenen Werten wie Respekt, Toleranz, Freiheit oder Gleichbehandlung müssen sich alle Partner der Armeeseelsorge klar bekennen.»
Die Tätigkeit in der Armee kann insbesondere gläubige Menschen in ein Dilemma bringen. Auch Feinde sind Geschöpfe Gottes, denen man mit Respekt begegnen sollte. Schmid sagt: «Die Armee lässt zu, dass solche Fragen gestellt werden. Widersprüche werden nicht ausgeblendet. Wir müssen sie ansprechen und aushalten, mit dem Ziel, handlungsfähig zu bleiben.»