Gene­ral­se­kre­tär Mar­cel Not­ter ver­lässt die Landeskirche

  • Ab Okto­ber 2008 amte­te Mar­cel Not­ter als Gene­ral­se­kre­tär der römisch-katho­li­schen Lan­des­kir­che Aargau. 
  • Ende Monat ver­lässt der 52-Jäh­ri­ge die Lan­des­kir­che und sucht eine neue Herausforderung. 
  • Im Inter­view blickt Mar­cel Not­ter auf Errun­gen­schaf­ten, Frust und Freu­de der letz­ten drei­zehn Jah­re zurück.

Mar­cel Not­ter, als Gene­ral­se­kre­tär der Aar­gau­er Lan­des­kir­che haben Sie die staats­kir­chen­recht­li­che Sei­te des dua­len Systems reprä­sen­tiert. Kön­nen Sie aus Ihrer Erfah­rung sagen: Ver­ste­hen die Leu­te – gera­de auch in den Pfar­rei­en – was ein Gene­ral­se­kre­tär macht? Oder muss­ten Sie das oft erklären?

Mar­cel Not­ter: Mei­ne Kon­tak­te zu den Mit­ar­bei­ten­den und Behör­den­mit­glie­dern in den Kirch­ge­mein­den gestal­te­ten sich sehr viel­sei­tig und oft so, dass ich Aus­kunft oder wei­ter­füh­ren­de Hin­wei­se für her­aus­for­dern­de Situa­tio­nen gab. Ich brauch­te gar nie zu erklä­ren, was ein Gene­ral­se­kre­tär macht, son­dern die Men­schen in den Kirch­ge­mein­den sahen den Gene­ral­se­kre­tär als erste Ansprech­per­son der Lan­des­kir­che. Dem Begriff «Gene­ral» in mei­ner Funk­ti­ons­be­zeich­nung liegt also mehr der Cha­rak­ter von «gene­rell für alles kom­pe­tent» inne als etwa ein gebie­te­ri­scher «Ober­be­fehls­ha­ber».

Sie sind seit Okto­ber 2008 im Amt. Wel­che The­men haben Sie in die­ser Zeit vor allem beschäftigt?

Mar­cel Not­ter: Mei­ne Funk­ti­on ist über­aus viel­sei­tig, span­nend und auch anspruchs­voll. Als Ver­ant­wort­li­cher für die Vor- und Nach­be­rei­tung der monat­li­chen Kir­chen­rats­sit­zun­gen bin ich mit der gan­zen The­men­brei­te der Geschäf­te und Res­sorts ver­traut. Das­sel­be gilt für die Syn­oden, von denen 25 unter mei­ner admi­ni­stra­ti­ven Lei­tung statt­fan­den. Zu Beginn mei­ner Amts­zeit 2011 stell­ten die Vor­be­rei­tung und Durch­füh­rung des Jubi­lä­ums «125 Jah­re Lan­des­kir­che» mit Zir­kus­vor­füh­rung für die Frei­wil­li­gen in Kirch­ge­mein­den und Pfar­rei­en sowie dem Kapel­len­pro­jekt einen beson­de­ren Höhe­punkt dar.

[esf_wordpressimage id=34693 width=half float=left][/esf_wordpressimage]Zu den Mei­len­stei­nen mei­ner Amts­zeit gehör­ten die Errich­tung der Kirch­li­chen Regio­na­len Sozi­al­dien­ste, die Schaf­fung der Fach­stel­le Dia­ko­nie und die neue Aus­ge­stal­tung der Lei­stungs­ver­ein­ba­rung mit Cari­tas Aar­gau. Die Spe­zi­al­seel­sor­ge wur­de mehr­fach neu orga­ni­siert und beinhal­tet heu­te auch das Enga­ge­ment bei Pal­lia­ti­ve Care zusam­men mit der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che und den Bereich Pasto­ral bei Men­schen mit Behin­de­rung. In den letz­ten zwei Jah­ren bil­de­ten die Auf­ga­ben­über­prü­fung mit dem Errei­chen des Spar­ziels sowie die Her­aus­for­de­run­gen im Umgang mit der Coro­na-Pan­de­mie zwei Schwerpunkte.

Wor­auf blicken Sie mit Stolz und Freu­de zurück?

Mar­cel Not­ter: Ein schö­ner Erfolg war der Um- und Anbau der Lie­gen­schaft Feer­stras­se 8 in Aar­au mit dem Zuzug von drei Fach­stel­len und der Jub­la-Arbeits­stel­le. Stolz bin ich auf die Fach­stel­len, die die Arbeit in den Pfar­rei­en aus­ge­zeich­net unter­stüt­zen, auf die Viel­falt in unse­ren leben­di­gen Anders­spra­chi­gen Mis­sio­nen und auf die sehr nach­ge­frag­ten Kir­chen­pfle­ge­ta­gun­gen in der Prop­stei Wislikofen.

Mit Freu­de und etwas Weh­mut schaue ich zurück auf die enga­gier­ten und inspi­rie­ren­den Sit­zun­gen des Kir­chen­ra­tes, des Büros der Syn­ode, der Vor­syn­oden und Syn­oden, der Geschäfts­prü­fungs­kom­mis­si­on und der Rech­nungs­exper­ten. Auch an die Gre­mi­en­ar­beit in der Römisch-Katho­li­schen Zen­tral­kon­fe­renz mit ihren wech­seln­den Tagungs­or­ten in der gan­zen Schweiz den­ke ich ger­ne zurück.

[esf_wordpressimage id=30973 width=half float=right][/esf_wordpressimage]Besonders freut mich, dass in vie­len Pfar­rei­en das neue Mit­glie­der­da­ten­ver­wal­tungs­pro­gramm im Ein­satz ist. Die­ses bedie­ner­freund­li­che Adress­pro­gramm mit auto­ma­ti­scher Daten­über­nah­me vom Kan­to­na­len Ein­woh­ner­re­gi­ster konn­te schnel­ler und kosten­gün­sti­ger rea­li­siert wer­den als ursprüng­lich geplant. Auch der erfolg­reich ver­lau­fe­ne erste Kon­voi zur Ein­füh­rung des Umwelt­ma­nage­ment­sy­stems «Grü­ner Güg­gel» für den Sitz der Lan­des­kir­che in Aar­au und drei Kirch­ge­mein­den war ein Aufsteller.

Wor­an haben Sie sich die Zäh­ne ausgebissen?

Mar­cel Not­ter: Der Kon­flikt in der Kirch­ge­mein­de Gebens­torf-Tur­gi berei­tet mir nach wie vor Zahn­schmer­zen. Ich fin­de es bedau­er­lich, dass sich die Kir­chen­pfle­ge gegen­über Lan­des­kir­che und Bis­tum wenig koope­ra­tiv verhält.

Wich­ti­ge Mei­len­stei­ne wie zum Bei­spiel die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung der Mit­glie­der­da­ten­ver­wal­tung wur­den zusam­men mit der Refor­mier­ten Lan­des­kir­che erar­bei­tet. Wie funk­tio­niert die öku­me­ni­sche Zusam­men­ar­beit im Aargau?

Mar­cel Not­ter: Die öku­me­ni­sche Zusam­men­ar­beit hat sich in den ver­gan­ge­nen Jah­ren stra­te­gisch und ope­ra­tiv inten­si­viert. Wich­ti­ges Gefäss für die Koor­di­na­ti­on von öku­me­ni­schen Pro­jek­ten ist das drei­mal im Jahr statt­fin­den­de Kir­chen­lei­tungs­tref­fen. An die­sen Sit­zun­gen neh­men die Kir­chen­rats­prä­si­den­ten aller drei Lan­des­kir­chen sowie die Ver­wal­tungs­chefs und Kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ten der Refor­mier­ten und Römisch-Katho­li­schen Lan­des­kir­chen teil. Da wur­den weg­wei­sen­de Geschäf­te vor­be­spro­chen und auf den Weg gebracht. Zum Bei­spiel die Lan­ge Nacht der Kir­chen, die nun eine schweiz­wei­te Dimen­si­on erreicht hat, oder der enge­re Aus­tausch mit der Kan­tons­re­gie­rung, dem Vor­ste­her des Bil­dungs- und Kul­tus­de­par­te­ments und das Polit­ge­spräch mit dem Gros­sen Rat. Auch alle Fach­stel­len pfle­gen einen regen und kon­struk­ti­ven Aus­tausch mit der Schwesterkirche.[esf_wordpressimage id=32199 width=half float=right][/esf_wordpressimage]

Was haben Sie bei die­ser öku­me­ni­schen Zusam­men­ar­beit gelernt?

Mar­cel Not­ter: Das Wich­tig­ste für mich ist, dass die unter­schied­li­chen Abläu­fe, Zustän­dig­kei­ten und Schwer­punkt­set­zun­gen der bei­den gros­sen Kon­fes­sio­nen auf­grund ihrer je eige­nen Orga­ni­sa­ti­ons­struk­tur die Zusam­men­ar­beit anspruchs­voll machen. Umso ver­dan­kens­wer­ter erach­te ich die gros­sen Erfol­ge, die durch das Über­win­den der dif­fe­ren­ten Kul­tu­ren mög­lich wur­den, so etwa bei der gemein­sam ver­ant­wor­te­ten Seel­sor­ge an Insti­tu­tio­nen des Gesundheitswesens.

Gibt es etwas, das Sie ger­ne noch erreicht hätten?

Mar­cel Not­ter: Ich habe die Ein­füh­rung der Geschäfts­ver­wal­tungs­soft­ware (GEVER) für den Kir­chen­rat und die Ver­wal­tung vor­be­rei­tet und wäre gern dabei gewe­sen, wenn GEVER näch­stes Jahr zum Ein­satz kommt und des­sen Vor­tei­le genutzt wer­den können.

Auch wäre ich gern nahe dran gewe­sen bei kom­men­den Opti­mie­run­gen in struk­tu­rel­ler Hin­sicht; damit mei­ne ich mög­li­che Ver­bes­se­run­gen in der Kirch­ge­mein­de­land­schaft. Mei­ne Master­ar­beit im Rah­men des Masters of Public Admi­ni­stra­ti­on befass­te sich mit die­sem The­ma. Eini­ge Kan­to­nal­kir­chen sind da bereits wei­ter als wir und machen sehr gute Erfah­run­gen damit.

Wenn Sie heu­te auf die römisch-katho­li­sche Kir­che im Aar­gau blicken: was berei­tet Ihnen Sor­gen? Und was macht Hoffnung?

Mar­cel Not­ter: Die Lan­des­kir­che ist in jeder Hin­sicht gut auf­ge­stellt, ver­fügt über einen sehr inno­va­ti­ven Kir­chen­rat und über moti­vier­te Mit­ar­bei­te­rin­nen und Mit­ar­bei­ter. Ähn­lich sieht es bei vie­len Kirch­ge­mein­den aus. Aller­dings wird die Per­so­nal­decke für die anspruchs­vol­ler wer­den­de Miliz­ar­beit dün­ner, vie­le Kirch­ge­mein­den kön­nen schon heu­te ihre Gre­mi­en nicht mehr voll­zäh­lig beset­zen. Ich befürch­te, die­ser Trend wird sich akzentuieren.

Es ist aus mei­ner Sicht für die Zukunft der Kir­che ent­schei­dend, dass die Stim­men der Gläu­bi­gen und ins­be­son­de­re jene aus dem Aar­gau auf dem aktu­el­len syn­oda­len Weg in Rom gehört wer­den. Papst Fran­zis­kus ist ganz Ohr.

Nun wer­den Sie etwas Neu­es anpacken. Haben Sie schon kon­kre­te Pläne?

Mar­cel Not­ter: Nach 13 gefreu­ten Jah­ren bei der Lan­des­kir­che, mit viel Erfah­rung im öffent­lich-recht­li­chen Bereich auf kan­to­na­ler und kom­mu­na­ler Ebe­ne, bin ich bereit für eine neue Her­aus­for­de­rung. Ein Bereich, der mir beson­ders gefiel, war die Bera­tung, die Hil­fe­stel­lung und das Zur­ver­fü­gung­stel­len mei­nes Wis­sens. Dies bezo­gen auf eine kon­kre­te Situa­ti­on vor Ort, sei es bei der Lan­des­kir­che oder in Kirch­ge­mein­den. Hier konn­te ich direkt Ein­fluss neh­men, einen Bei­trag zu einem pro­fes­sio­nel­len Vor­ge­hen lei­sten, heik­le Fäl­le lösen oder dees­ka­lie­rend wir­ken. Zudem lie­be ich es, Kon­tak­te zu knüp­fen und Neu­es ken­nen zu ler­nen. Mit einem Wei­ter­bil­dungs­ma­ster der Uni Bern im Köcher, wer­de ich künf­tig sicher­lich eine Tätig­keit aus­üben, bei der die­se Fähig­kei­ten zum Tra­gen kommen.

Marie-Christine Andres Schürch
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