Gefäss des Hei­li­gen Geistes

Gefäss des Hei­li­gen Geistes

Römer­brief 8,26So nimmt sich auch der Geist unse­rer Schwach­heit an. Denn wir wis­sen nicht, was wir in rech­ter Wei­se beten sol­len; der Geist sel­ber tritt jedoch für uns ein mit unaus­sprech­li­chen Seufzern.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Gefäss des Hei­li­gen Geistes

Kurz vor Ostern erschien in der «Neu­en Zür­cher Zei­tung» ein Arti­kel, der über die teil­wei­se recht pre­kä­re wirt­schaft­li­che Lage der Bene­dik­ti­ner­klö­ster in der Schweiz infor­mier­te («Die Klö­ster wirt­schaf­ten wie KMU»; 20.4.2019). Der Bericht fasst die Situa­ti­on gut und prä­zis zusam­men. Wenn nur nicht der erste Satz wäre: «Schwei­zer Klö­ster kämp­fen mit Nach­wuchs­pro­ble­men.» Gleich drei­mal ist in dem Text die Rede von Nach­wuchs­pro­ble­men. Ich mag das Wort nicht mehr hören, denn es weckt den Ein­druck, als ob sich das klö­ster­li­che Leben der­art flos­kel­haft zusam­men­fas­sen, ja auf einen ein­zi­gen Begriff redu­zie­ren lies­se.Der Hei­li­gen­ka­len­der erzählt zum Glück noch ganz ande­re Klo­ster­ge­schich­ten, näm­lich von Mön­chen und Non­nen, die es ver­stan­den haben, ihre Bega­bun­gen und Talen­te nutz­bar zu machen, allen Pro­ble­men und Schwie­rig­kei­ten zum Trotz. Über Jahr­hun­der­te hin­weg haben sie uns, den Nach­ge­bo­re­nen, eini­ges zu sagen, denn «sie tra­gen Frucht noch im Alter und blei­ben voll Saft und Fri­sche» (Psalm 92).Einer von ihnen war Not­ker I. Als St. Gal­ler Klo­ster­schü­ler erhielt er in der Mit­te des 9. Jahr­hun­derts eine gedie­ge­ne Aus­bil­dung, wur­de spä­ter dort ein hoch­ge­schätz­ter Leh­rer, der wesent­lich bei­trug zur kul­tu­rel­len Blü­te und Aus­strah­lung sei­nes Klo­sters. Die ihm ange­bo­re­ne Schwä­che des Stam­melns glich er aus durch sein lite­ra­ri­sches Schaf­fen, Schrei­ben und Dich­ten. Sein «Buch der Hym­nen» erweist ihn als bedeu­tend­sten geist­li­chen Lyri­ker sei­ner Zeit. Er ver­fass­te und kom­po­nier­te lit­ur­gi­sche Tex­te, sog. «Sequen­zen», die wäh­rend Jahr­hun­der­ten in den Got­tes­dien­sten gesun­gen wur­den. Auch eine humor­vol­le Anek­do­ten­samm­lung über Karl den Gros­sen ver­fass­te er («eines der schön­sten Erzähl­bü­cher des deut­schen Mit­tel­al­ters»). Ekke­hard IV., auch er berühm­ter St. Gal­ler-Mönch (980‑1057), schrieb über sei­nen Mit­bru­der: «Im Beten, im Lesen, im Dich­ten war er uner­müd­lich. Und um all die Gaben sei­ner hei­li­gen Per­sön­lich­keit bün­dig zusam­men­zu­fas­sen: Er war ein Gefäss des Hei­li­gen Gei­stes – so über­quel­lend reich, wie es zu sei­ner Zeit kein ande­res gab.» Ein Aus­schnitt aus Not­kers Pfingst­hym­ne bestä­tigt dies:O Geist des Segens, der die Men­schen leuch­ten macht:In uns­rer Seele läut­re die grau­se Finsternis.Du Heh­rer, der die immer rege sin­nen­den Gedan­ken liebt:Gelin­de gies­se dei­nen Balsam tief in uns­re Sin­ne ein.(Über­set­zung: Wolf­ram von den Stei­nen, 1948)Not­ker bleibt bis heu­te ein Zeu­ge des Hei­li­gen Gei­stes, der sich – nach den Wor­ten (und wohl auch nach der Erfah­rung) des Apo­stels Pau­lus – unse­rer Schwach­heit annimmt und unse­re Schwä­chen, sogar einen Sprach­feh­ler, ver­edeln, kor­ri­gie­ren, zum Guten wen­den und wan­deln kann. Im Licht des Hei­li­gen Gei­stes gewin­nen des­halb selbst Nach­wuchs­pro­ble­me ande­re Kon­tu­ren. Dich­ten­de Non­nen und tex­ten­de Mön­che wei­sen auf tie­fe­re Zusam­men­hän­ge, ver­mit­teln über­ra­schen­de Ein­sich­ten, deu­ten die Zeit­läu­fe aus ande­rer War­te: «Der Geist des Segens, der die Men­schen leuch­ten macht»!Es lohnt sich, Kennt­nis zu neh­men von den Ver­an­stal­tun­gen zum 100. Geburts­tag der Bene­dik­ti­ne­rin Sil­ja Wal­ter (1919–2011) aus dem Klo­ster Fahr; die Web­sei­te www.siljawalter.ch kann wei­ter­hel­fen.Peter von Sury, Abt des Bene­dik­ti­ner­klo­sters Mariastein 
Redaktion Lichtblick
mehr zum Autor
nach
soben