Gebens­torf: Wer­te­de­bat­te mit Ger­hard Pfi­ster, Céd­ric Wer­muth, Maya Bal­ly und Tho­mas Burgherr

  • Die Podi­ums­dis­kus­si­on bil­de­te den Abschluss einer fünf­tei­li­gen Ver­an­stal­tungs­rei­he mit dem Titel «Unse­re Wer­te – unse­re Rechte»
  • Durch den Abend führ­te der bekann­te Publi­zist und ehe­ma­li­ge AZ-Chef­re­dak­teur Hans Fahrländer.
  • Am Bei­spiel der Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve und der SVP-Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve kon­kre­ti­sier­ten die gela­de­nen Polit-Gäste ihre Haltungen.
 Immer wie­der gelingt es der öku­me­ni­schen Erwach­se­nen­bil­dungs­grup­pe Gebens­torf, die seit die­sem Jahr unter dem Namen «Podi­um Was­ser­schloss» auf­tritt, hoch­ka­rä­ti­ge Gäste an ihren Ver­an­stal­tungs­rei­hen zu prä­sen­tie­ren. So auch die­ses Jahr. Unter dem Titel «Unse­re Wer­te – Unse­re Rech­te» refe­rier­ten die­ses Jahr Kory­phä­en wie alt Bun­des­rich­ter Giu­sep Nay über Men­schen­rech­te, Völ­ker­recht und Wer­te­wan­del. Zum tra­di­ti­ons­ge­mäs­sen Schluss­po­di­um kamen CVP-Prä­si­dent Ger­hard Pfi­ster, BDP-Gross­rä­tin Maya Bal­ly-Freh­ner, SP-Natio­nal­rat Céd­ric Wer­muth und der Aar­gau­er SVP-Prä­si­dent Tho­mas Burg­herr. Die Mode­ra­ti­on über­nahm der bekann­te Publi­zist Hans Fahr­län­der.

«Lan­des­kir­chen sol­len christ­li­ches Gedan­ken­gut verteidigen»

«War­um reden denn plötz­lich alle Poli­ti­ker von Links bis Rechts vom Wer­te­wan­del?» woll­te Mode­ra­tor Hans Fahr­län­der zum Ein­stieg von den Podi­ums­gä­sten wis­sen. «Weil der Westen seit dem Anschlag auf das World Trade Cen­ter in New York im Jah­re 2001 durch neue Ideo­lo­gien her­aus­ge­for­dert ist», mein­te CVP-Natio­nal­rat Ger­hard Pfi­ster. «Unter ande­rem ist in die­sem Zusam­men­hang die Poli­ti­sie­rung von Reli­gi­on zu einem neu­en Kon­flikt­feld gewor­den.»Die Aus­wir­kun­gen die­ser Ent­wick­lung sei­en bereits sicht­bar, ergänz­te Tho­mas Burg­herr, Prä­si­dent der SVP Aar­gau. «Mei­nes Erach­tens haben die Lan­des­kir­chen die Auf­ga­be, das christ­li­che Gedan­ken­gut zu ver­tei­di­gen. Beson­ders wenn eine Par­tei wie die SP den Islam zur Lan­des­re­li­gi­on machen möch­te. Das wol­len wir bei der SVP nicht sehen.»

«Wert­hal­tun­gen sind pro­ble­ma­tisch, wenn sie ausgrenzen»

Zur Fra­ge des Mode­ra­tors, inwie­weit man mit Wer­ten Wahl­kampf mache, kri­ti­sier­te Ger­hard Pfi­ster, dass eine sol­che Fra­ge nicht ziel­füh­rend sei. «Die Leu­te wol­len doch wis­sen, wo die Poli­ti­ker ste­hen. Wenn man dann sagt, es gehe bei den Wer­ten nur um Wahl­kampf, dann ist das ein Tot­schlag­ar­gu­ment.» Auch SP-Natio­nal­rat Céd­ric Wer­muth räum­te ein: «Wir Poli­ti­ker machen eigent­lich immer mit Wert­hal­tun­gen Poli­tik. Pro­ble­ma­tisch ist das nur, wenn Wert­hal­tun­gen dazu ver­wen­det wer­den, um Leu­te aus­zu­gren­zen.»Als­bald kam Hans Fahr­län­der auf die «Ger­hard Pfi­ster-Debat­te» zu spre­chen, wie er es nann­te. Für alle, denen sich nicht unmit­tel­bar erschloss was der ehe­ma­li­ge Chef­re­dak­tor der Aar­gau­er Zei­tung mein­te, prä­zi­sier­te Hans Fahr­län­der: «Herr Pfi­ster, Sie behaup­ten, unse­re Gesell­schaft basiert auf christ­li­chen Wer­ten. Wie kom­men Sie dazu?»

«Ja, wir leben in einer christ­lich-jüdi­schen Tradition»

Das ist eine Fest­stel­lung, die ich ein­mal gemacht habe – und ich bin nicht der ein­zi­ge. Erstaun­lich ist, dass mir auf­grund die­ser Fest­stel­lung vor­ge­wor­fen wird, ich betrei­be Aus­gren­zung.» Dabei sei das Chri­sten­tum doch jene Reli­gi­on, die als ein­zi­ge jedem ein­zel­nen eine Wür­de gebe. «Jeder ein­zel­ne Mensch ist gleich viel wert, weil jeder Mensch ein Kind von Gott ist.»BDP-Gross­rä­tin Maya Bal­ly-Freh­ner stimm­te Ger­hard Pfi­ster in Tei­len zu und bekann­te: «Ja, wir leben in einer christ­lich-jüdi­schen Tra­di­ti­on. Dar­auf beru­fen wir uns ja auch in der Prä­am­bel der Bun­des­ver­fas­sung.»

«Ein Staat darf heu­te kei­ne Reli­gi­on mehr bevorzugen»

«Aber wir sind ein säku­la­rer Staat», fiel Céd­ric Wer­muth ein. «Als Athe­ist kann ich mit die­ser Prä­am­bel nichts anfan­gen», so der Co-Prä­si­dent der SP Aar­gau. «Inso­fern bin ich da aus­ge­grenzt. Das zen­tra­le Prin­zip eines moder­nen libe­ra­len Staa­tes ist die Aner­ken­nung der indi­vi­du­el­len Frei­heit. Inso­fern darf ein Staat heu­te nicht mehr eine bestimm­te Reli­gi­on ein­fach bevor­zu­gen.Auf den Vor­wurf von Céd­ric Wer­muth, dass man sich mit dem Chri­sten­tum zudem auf eine Reli­gi­on stüt­ze, namens derer die Kir­che «vie­len Men­schen unend­lich viel Leid» zuge­führt habe, ent­geg­ne­te Ger­hard Pfi­ster, dass im Namen des Sozia­lis­mus min­de­stens genau so viel Leid über die Welt gekom­men sei.»

«Finanz­flüs­se spre­chen gegen öffent­lich-recht­li­che Aner­ken­nung des Islam»

Ob denn der Islam öffentlich–rechtlich aner­kannt wer­den soll, woll­te Hans Fahr­län­der als­bald wis­sen und lei­te­te zum näch­sten The­ma über. Für Maya Bal­ly-Freh­ner eine zwie­späl­ti­ge Fra­ge, wie sie ein­ge­stand. Wahr­schein­lich wür­de es den gemäs­sig­ten und gut inte­grier­ten Mus­li­men erlau­ben, sich von den radi­ka­len Mus­li­men zu distan­zie­ren, mut­mass­te die BDP-Gross­rä­tin zunächst und ergänz­te dann: «Es gibt auch Grün­de, die dage­gen spre­chen: Zum Bei­spiel die Finanz­flüs­se, die bei den Mus­li­men immer wie­der in der Kri­tik ste­hen.Für Tho­mas Burg­herr und Ger­hard Pfi­ster hin­ge­gen stand ein­mü­tig fest: Nein. «Sogar Mus­li­me sagen: Macht das ja nicht», argu­men­tier­te Ger­hard Pfi­ster. «Das Ziel des poli­ti­schen Islam ist näm­lich nicht die Inte­gra­ti­on. Viel­mehr wol­len die Mus­li­me mit­tels Struk­tu­ren einer Lan­des­kir­che Par­al­lel­struk­tu­ren auf­bau­en. Es sei ein Fehl­schluss, zu glau­ben, man müss­te den Islam zur Lan­des­kir­che machen, damit die Mus­li­me bes­ser inte­griert sei­en, resü­mier­te der CVP-Prä­si­dent. Céd­ric Wer­muth woll­te das nicht gel­ten las­sen und mein­te, dass für eine isla­mi­sche Lan­des­kir­che das katho­li­sche Modell Vor­bild sein könn­te, in wel­chem eine staat­kir­chen­recht­li­che Kör­per­schaft einer Kle­ri­kal­kir­che gegen­über ste­he.

«Kon­zern­in­itia­ti­ve ist gut gemeint, aber verheerend»

Im Zusam­men­hang mit Wert­hal­tun­gen the­ma­ti­sier­te Mode­ra­tor Hans Fahr­län­der auch zwei Volks­in­itia­ti­ven, über die das Schwei­zer Stimm­volk im kom­men­den oder über­näch­sten Jahr wird abstim­men müs­sen (Daten noch nicht fest­ge­legt): Die Kon­zern­ver­ant­wor­tungs­in­itia­ti­ve (ein­ge­bracht von ver­schie­de­nen NGOs, dar­un­ter auch Fasten­op­fer) und die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve der SVP (Schwei­zer Recht statt frem­de Rich­ter).Für die «Kovi» brach Céd­ric Wer­muth eine Lan­ze, wäh­rend Ger­hard Pfi­ster erklär­te, dass die Initia­ti­ve zwar gut gemeint, aber «ver­hee­rend» für die Schwei­zer Wirt­schaft sei. Jedes Unter­neh­men — auch ein KMU — kön­ne künf­tig auf­grund von Ver­flech­tun­gen mit dem Aus­land ein­ge­klagt wer­den. «Aber die Kla­gen kom­men dann nicht von den Opfern, son­dern von US-Anwäl­ten, wel­che Schwei­zer Fir­men in den Ruin kla­gen wer­den», pro­phe­zei­te der CVP-Prä­si­dent.Das stim­me doch über­haupt nicht, wehr­te sich Céd­ric Wer­muth. Es gehe dar­um, dass gegen Unter­neh­men wie Glen­co­re, die in Süd­ame­ri­ka oder Afri­ka Men­schen aus­beu­ten und die Umwelt ver­schmut­zen, gesetz­li­che Mass­nah­men wirk­sam wer­den könn­ten.

«Die Selbst­be­stim­mungs­in­itia­ti­ve ist unglaubwürdig»

Eben­falls auf Kri­tik stiess die SVP-Initia­ti­ve «Schwei­zer Recht statt frem­de Rich­ter». Deren Ziel: Die Bun­des­ver­fas­sung als ober­ste Rechts­quel­le über das Völ­ker­recht stel­len. Auch Urtei­le des Euro­päi­schen Gerichts­ho­fes für Men­schen­rech­te müss­ten dann nicht beach­tet wer­den, wenn sie der Schwei­zer Ver­fas­sung oder einem Ent­scheid von Volk und Stän­den wider­spre­chen.«Wenn wir uns zu Men­schen­rech­ten und Völ­ker­recht beken­nen, dann müs­sen wir auch gewis­se Ver­trä­ge ein­hal­ten», erklär­te Maya Bal­ly-Freh­ner und gab zu beden­ken, dass sie die Initia­ti­ve als «Gefähr­dung unse­rer Glaub­wür­dig­keit und Rechts­si­cher­heit» sehe. «Wir kön­nen doch hier nicht 60 Minu­ten lang sagen, die Mus­li­me müs­sen sich an Rechts­staat­lich­keit und Men­schen­rech­te hal­ten und sel­ber Men­schen­rech­te und Völ­ker­recht zur Dis­po­si­ti­on stel­len», ergänz­te Ger­hard Pfi­ster. «Das ist doch total unglaub­wür­dig. Die­se Initia­ti­ve ist genau­so unbrauch­bar wie die Konzernverantwortungsinitiative.»
Andreas C. Müller
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