Für Kir­che, Kul­tur und Vaterland

Für Kir­che, Kul­tur und Vaterland

  • Seit 30 Jah­ren ver­kauft Hele­na Gua­ris­co-Mey­er aus Woh­len die 1.-August-Abzeichen der Stif­tung Pro Patria.
  • Sie tut das mit aus­ge­zeich­ne­tem Erfolg, aus Über­zeu­gung und aus Heimatliebe.
  • Die­ses Jahr fei­ert die Stif­tung Pro Patria ihr 100. Abzei­chen, durch des­sen Ver­kauf auch Kir­chen­kul­tur­gü­ter der Schweiz erhal­ten bleiben.

Nie­mand, der der quir­li­gen, kon­takt­freu­di­gen und sym­pa­thi­schen 1.-August-Abzeichenverkäuferin mit den stahl­blau­en Augen begeg­net, wür­de glau­ben, dass die­se Frau im Okto­ber ihren 72. Geburts­tag fei­ert. Hele­na Gua­ris­co hat aber auch sel­ber gar kei­ne Zeit, über so etwas wie Jahr­zah­l­en gross nach­zu­den­ken. Dafür ist sie viel zu beschäf­tigt. Wäh­rend Herr und Frau Schwei­zer näm­lich am 1. August gemüt­lich am Grill ste­hen und ihre Cer­ve­lats wen­den, wei­belt die gebür­ti­ge Woh­le­rin, wie schon in den Wochen vor dem Bun­des­fei­er­tag, durch die Stras­sen ihres Hei­mat­dor­fes, steht im Coop, zwi­schen Kas­sen und Wäge­li­park, da, wo man sie nicht über­se­hen kann, und pen­delt zwi­schen Solo­thurn, Dot­ti­kon, Din­ti­kon, dem Rüt­li und Zürich hin und her, wo sie über­all die Pro-Patria-Abzei­chen verkauft.

Hun­dert mal Schweiz

Seit 30 Jah­ren schon setzt sich Gua­ris­co auf die­se Wei­se dafür ein, dass das kul­tu­rel­le Erbe der Schweiz gepflegt wird und erhal­ten bleibt. Die­ses Jahr darf sie auf ihren Tou­ren gleich zwei­fach Jubi­lä­um fei­ern. Da ist zum einen ihr eige­nes, das 30-jäh­ri­ge, und auf der ande­ren das­je­ni­ge der Stif­tung Pro Patria, die in die­sem Jahr ihr 100. 1.-August-Abzeichen prä­sen­tiert. Die aus Kunst­stoff geform­te, trans­pa­ren­te Hun­dert mit einem sil­ber­nen X und einem weis­sen Kreuz auf je einer der Nul­len, bedeu­tet ganz ein­fach: hun­dert mal Schweiz. Den Erlös aus dem Ver­kauf die­ser Abzei­chen – eines kostet fünf Fran­ken – ver­wen­det Pro Patria dafür, zum Geden­ken an die Grün­dung der Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft kul­tu­rel­le und sozia­le Wer­ke und Pro­jek­te der Schweiz zu fördern.

«Ich lie­be die Schweiz»

Mit den Zie­len ihrer Auf­trag­ge­be­rin kann sich Hele­na Gua­ris­co voll und ganz iden­ti­fi­zie­ren: «Ich lie­be die Schweiz mit all ihren kul­tu­rel­len Eigen­hei­ten und Schät­zen. Für mich ist auch die Kir­che ein Kul­tur­gut. Pro Patria unter­stützt ja auch immer wie­der kirch­li­che Pro­jek­te.» Als Bei­spiel nennt sie etwa die Reno­vie­rung der Kir­che St. Georg und Anna in Bün­zen, deren kunst­vol­le Gri­sail­le­ma­le­rei­en dank Pro Patria wie­der in alter Fri­sche das Auge täu­schen. Aber auch in Woh­len sel­ber hat Gua­ris­cos uner­müd­li­cher Abzei­chen­ver­kauf mit dazu bei­getra­gen, dass nicht nur der denk­mal­ge­schütz­te «Ster­nen» sei­ne Fas­sa­de auf­fri­schen konn­te, son­dern auch das Woh­ler Stroh­mu­se­um eine Anschub­fi­nan­zie­rung erhielt.

Für das Vor­zei­ge­mu­se­um Woh­lens hat sich Gua­ris­co sogar in des­sen hei­li­gen Hal­len vor lau­fen­der Kame­ra inter­view­en las­sen. Das Ergeb­nis ist auf der Web­site von Pro Patria unter der Rubrik «Kul­tur­schatz­kar­te» zu sehen: www.propatria.ch/kulturschatzkarte. Zur Ein­wei­hung der fer­tig reno­vier­ten Bün­zer Kir­che wur­de sie denn auch als offi­zi­el­le Ver­tre­te­rin der Pro Patria ein­ge­la­den. Als eine der erfolg­reich­sten Abzei­chen­ver­käu­fe­rin­nen der Stif­tung erhielt sie schon drei­mal eine Aus­zeich­nung. Die erste, ein Gold­v­ren­e­li, hat sie damals im Nach­hin­ein einem ihrer fleis­sig­sten Mit­ver­käu­fer, einem Mini­stran­ten aus Woh­len, zum Abschied geschenkt.

Zuerst mit der Tochter

Mit den Mini­stran­ten hat damals auch alles ange­fan­gen. In Woh­len lief der Ver­kauf der 1.-August-Abzeichen ursprüng­lich über die katho­li­sche Kir­che. Eines Tages kam Gua­ris­cos Toch­ter, Gian­na, nach Hau­se und frag­te, ob sie auch Abzei­chen ver­kau­fen dür­fe, der Sakri­stan habe sie ange­fragt. «Sie war noch eine Pri­mar­schü­le­rin und im Rech­nen und im Umgang mit Geld noch nicht soweit, dass sie damit allei­ne klar­ge­kom­men wäre», erin­nert sich die Mut­ter, «also sag­te ich zu ihr: ‹Ja, du darfst das. Aber ich beglei­te dich.›» 

In der Fol­ge ver­kauf­ten Mut­ter und Toch­ter 300 Abzei­chen. Es wur­den dann jedes Jahr mehr. Irgend­wann über­nahm Gua­ris­co die gan­ze Orga­ni­sa­ti­on des Abzei­chen­ver­kaufs. Anfangs unter­stütz­ten sie beim Ver­kauf auch nach wie vor die Mini­stran­ten der Pfar­rei, doch im Lau­fe der Jah­re hat­ten die­se immer weni­ger Zeit dafür. Heu­te sind es nur noch ein paar weni­ge Erwach­se­ne, die mit ihr zusam­men die Abzei­chen ver­kau­fen, unter ihnen etwa der «Chlaus­va­ter» von Woh­len, Rolf Wüst, und – wann immer es ihr Ter­min­ka­len­der zulässt – Toch­ter Gianna.

«Die­ser Fünf­li­ber ist gut investiert»

Hele­na Gua­ris­co erlebt nor­ma­ler­wei­se viel Schö­nes beim Ver­kau­fen der Abzei­chen. Vie­le Men­schen ken­nen ihre Tour und ihre Stand­or­te und war­ten jedes Jahr schon auf sie, um ihr ein Abzei­chen abzu­kau­fen. «Ich schät­ze die­sen Aus­tausch mit den Men­schen sehr», sagt Gua­ris­co, «und wenn ich den skep­ti­schen dann erklä­re, wofür Pro Patria den Erlös aus dem Abzei­chen­ver­kauf ein­setzt, dann haben schon vie­le eines gekauft, die erst gar kei­nes woll­ten.» Es kom­me auch immer wie­der mal vor, dass jemand ein­fach so einen Bei­trag für Pro Patria spen­de, ohne ein Abzei­chen zu bezie­hen. «Das wird dann fein säu­ber­lich auf­ge­schrie­ben und mit der Schluss­ab­rech­nung an die Stif­tung über­wie­sen», betont Gua­ris­co, die sich als Zäh­ler­ab­le­se­rin der Indu­stri­el­len Betrie­be Woh­len IBW, exak­tes und zuver­läs­si­ges Arbei­ten gewohnt ist.

Es gibt nur eine Art des Umgangs, den sie über­haupt nicht schätzt. Es sind das die Leu­te, die sie höf­lich grüsst und fragt, ob sie ein 1.-August-Abzeichen kau­fen möch­ten, und die sie dann schroff abput­zen mit Bemer­kun­gen wie: «Ich bin kein Schwei­zer» oder: «Ich brau­che das nicht». In sol­chen Fäl­len ent­geg­ne sie dann jeweils nur kurz: «Ich brau­che das auch nicht. Aber es ist eine gute Inve­sti­ti­on.» Die­ser Fünf­li­ber sei wirk­lich gut inve­stiert, hakt sie im Inter­view nach. Es loh­ne sich doch, die Kul­tur der Schweiz zu pflegen.

Auf die Fra­ge, ob sie sich als Patrio­tin bezeich­nen wür­de, sagt die Frei­äm­terin: «Patrio­tin klingt für mich so fana­tisch. Das bin ich nicht. Aber ich bin eine Schwei­ze­rin, ja, und ich bin dem Herr­gott dafür dank­bar, dass ich hier gebo­ren wur­de und hier leben darf. Ich sage immer: ich habe nicht viel, aber ich habe alles.»

Christian Breitschmid
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