Das reli­giö­se Leben ist farbig

  • Far­ben spie­len in den Reli­gio­nen eine gros­se Rol­le. Das zeigt sich auch in der Klei­dung für reli­giö­se und lit­ur­gi­sche Rituale.
  • Die­sel­be Far­be kann des einen höch­stes Glück, des ande­ren tief­ste Trau­er symbolisieren.
  • Die etwas ande­re Far­ben­leh­re zur Woche der Reli­gio­nen, erar­bei­tet von der inter­re­li­gi­ös zusam­men­ge­setz­ten Redak­ti­on der Zei­tung «zVi­si­te»
  Galt Oran­ge in Euro­pa zu Römer­zei­ten noch als Far­be des Ver­gnü­gens, ver­schwand es nach der Chri­stia­ni­sie­rung aus unse­ren Brei­ten­gra­den. Es steht für Lebens­freu­de und erleb­te ein Revi­val im säku­la­ri­sier­ten Euro­pa, ins­be­son­de­re in der Wer­bung. In Indi­en und Asi­en drückt Oran­ge Voll­kom­men­heit aus – man den­ke an die oran­gen bud­dhi­sti­schen Mönchs­ge­wän­der. In Chi­na steht es für das schil­lern­de Hin und Her zwi­schen Han­deln und Den­ken, Dies­seits und Jen­seits sowie Still­ste­hen und Vor­an­schrei­ten. Für die Sikhs steht Oran­ge für Mut und Weis­heit.

Demut und Amtswürde

Schwarz ist die Abwe­sen­heit von Licht, die Far­be der Dun­kel­heit und ins­be­son­de­re in den mono­the­isti­schen Reli­gio­nen mit Tod, Trau­er und Unheil ver­bun­den. Wäh­rend im euro­päi­schen Kul­tur­raum frü­her die Hoch­zeits­klei­der aus schwar­zem Stoff waren, wird heu­te schwar­ze oder dunk­le Klei­dung an Beer­di­gun­gen erwar­tet. In der Far­be liegt aber auch eine Mischung von Demut und Amts­wür­de: Die Gewän­der der pro­te­stan­ti­schen, katho­li­schen und ortho­do­xen Geist­li­chen sind alle­samt schwarz, wenn auch mit Abwei­chun­gen anläss­lich bestimm­ter Fei­er­ta­ge. Die Schwar­ze Madon­na im Katho­li­zis­mus wird mit Frucht­bar­keit in Ver­bin­dung gebracht – ver­mut­lich in Anleh­nung an anti­ke Kul­te.

Das Gute und Süsse

Gelb hat je nach Reli­gi­on und Welt­re­gi­on dia­me­tral unter­schied­li­che Bedeu­tun­gen: In Anleh­nung an die Son­ne steht es im Hin­du­is­mus für Licht, Wahr­heit und das Leben. Auch in Chi­na ist Gelb Sinn­bild für das Gute und Süs­se. Im christ­lich gepräg­ten Euro­pa hin­ge­gen galt es bis zum Zwei­ten Vati­ka­ni­schen Kon­zil als Schand­far­be, die für Ver­der­ben, Irr­glau­ben, Neid und Ver­rat stand. «Ket­zer» erhiel­ten im Mit­tel­al­ter bei ihrer Hin­rich­tung ein gel­bes Kreuz, und Juden hat­ten damals den gel­ben Juden­hut zu tra­gen. Auch der «Juden­stern» im Natio­nal­so­zia­lis­mus stand in die­ser Farb­tra­di­ti­on.

Nähe zum Göttlichen

Rein­heit und die Nähe zum Gött­li­chen schwin­gen in ver­schie­de­nen Kul­tu­ren bei der Far­be Weiss mit. Bei der Tau­fe und Kna­ben­be­schnei­dung sind tra­di­tio­nel­ler­wei­se Neu­ge­bo­re­ne in weis­se Klei­der gehüllt, eben­so Kin­der zur Erst­kom­mu­ni­on und Bräu­te zu ihrer Hoch­zeit. Weiss als Far­be der Unschuld, aber auch des Todes: Sie steht für den Über­gang zum Gött­li­chen. Das zeigt sich bei der Trau­er­klei­dung japa­ni­scher Frau­en sowie bei den weis­sen Lei­chen­tü­chern im Juden­tum und im Islam. Am jüdi­schen Ver­söh­nungs­tag Jom Kip­pur bit­ten die weiss geklei­de­ten Gläu­bi­gen Gott um Ver­ge­bung, und auf der Pil­ger­fahrt nach Mek­ka tra­gen mus­li­mi­sche Män­ner zwei unge­näh­te, weis­se Tücher um Tail­le und Schul­tern.

Lie­be, Lust und Glück

Lie­be, Lust und Glück; Blut, Krieg und Macht: Kaum eine ande­re Far­be drückt so Unter­schied­li­ches aus wie Rot. Von Indi­en bis Japan steht es für Glück, Rein­heit und Reich­tum. Als Far­be für Vita­li­tät und Ener­gie kommt es dort auch bei Hoch­zeits­ze­re­mo­nien zum Zuge. Eben­so zeigt sich der hin­du­isti­sche Gott der Klug­heit in einem roten Gewand. Rot als Sinn­bild des Hei­li­gen Gei­stes wird bei den Katho­li­ken mit Lie­be und Feu­er in Ver­bin­dung gebracht und wird in der Lit­ur­gie unter ande­rem am Kar­frei­tag, an Pfing­sten und bei Fir­mun­gen getra­gen.

Der Him­mel und das Meer

Der Him­mel und das Meer wider­spie­geln sich in der Far­be Blau. Ent­spre­chend wirkt sie imma­te- riell, trans­pa­rent, fern, ja unend­lich. Im Hin­du­is­mus ste­hen reli­giö­se Skulp­tu­ren mit blau­em Kopf für Ver­gei­sti­gung und gött­li­che Erleuch­tung. In Chi­na unter­streicht die­se Far­be die Unsterb­lich­keit. Katho­li­sche Skulp­tu­ren zei­gen die Got­tes­mut­ter Maria in einem blau­en Man­tel, der für Gerech­tig­keit und Tra­di­ti­on steht. Blau galt im Juden­tum einst als Far­be der Köni­ge.

Welt der Magie

Vio­lett prägt bis heu­te die Welt der Magie und des Geheim­nis­vol­len. Es ver­bin­det die Welt des Kör­pers (Rot) mit der Welt des Gei­stes (Blau). Im Hin­du­is­mus bringt Vio­lett die Wie­der­ge­burt zum Aus­druck. Die vio­let­te lit­ur­gi­sche Klei­dung der katho­li­schen Kir­che wie­der­um steht für mass­vol­les Ver­hal­ten, Besin­nung und Bus­se in der Advents- und Fasten­zeit. Ange­sichts der schwie­ri­gen Pro­duk­ti­on des Pur­purs war es lan­ge den Mäch­ti­gen und Wür­den­trä­gern, den Köni- gen und Kar­di­nä­len vor­be­hal­ten, ihre Klei­der damit zu fär­ben.

Früh­ling, Frucht­bar­keit und Wachstum

Grün gilt als Far­be der Mit­te, des Aus­gleichs und der Hoff­nung. Gewis­se Grün­tö­ne kön­nen Früh­ling, Frucht­bar­keit und Wachs­tum bedeu­ten, ande­re jedoch Gift und Schan­de. Im Islam steht Grün für das (Über-) Leben in der Wüste und gilt für vie­le als die hei­li­ge Far­be. Im Katho­li­zis­mus ist Grün die lit­ur­gi­sche Far­be des Lebens und der Hoff­nung und wird durchs Jahr hin­durch am häu­fig­sten getra­gen. Die Refor­mier­ten bedecken an Sonn­ta­gen nach Weih­nach­ten bis in die Fasten­zeit sowie nach Pfing­sten den Tauf­stein oder die Kan­zel teil­wei­se mit grü­nen Tüchern. 
Christian Breitschmid
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