Eva – oder wie die Frau­en ver­teu­felt wurden

Wäh­rend Jahr­hun­der­ten durf­ten Frau­en an kei­ner Uni­ver­si­tät stu­die­ren. Das, aber auch Hexen­ver­fol­gun­gen, hät­te es viel­leicht nicht gege­ben ohne eine ver­fäl­schen­de Aus­le­gung der Geschich­te vom Para­dies. In ihrem Buch «Eva» zeigt die 74-jäh­ri­ge Alt­te­sta­ment­le­rin Helen Schün­gel-Strau­mann, wie ein kur­zer Text fata­le Wir­kung ent­fal­tet hat. Wich­ti­ge Gedan­ken dar­aus fass­te sie im Inter­view zusammen.Von Eva ist in der Bibel fast nur am Anfang die Rede. War­um soll jemand ein gan­zes Buch über Eva lesen? Helen Schün­gel-Strau­mann: Am Anfang geht es in der Bibel um die Schöp­fung. Und die ist für die Theo­lo­gie sehr wich­tig. Und alle ken­nen Eva. Man muss nur einen Apfel und eine Schlan­ge zei­gen, und alle wis­sen, was gemeint ist. Die­se Geschich­te hat das Frau­en­bild unglaub­lich stark geprägt. Zum Text – der nicht ganz ein­fach zu lesen ist, weil er so raf­fi­niert for­mu­liert ist – und zu sei­ner Wir­kungs­ge­schich­te gibt es eini­ges zu sagen.Die Geschich­te von Eva ist die Geschich­te des Sün­den­falls. Was hat die­se alte Geschich­te mit dem heu­ti­gen Frau­en­bild zu tun? Um das gleich deut­lich zu machen: Die Wör­ter Sün­de oder Sün­den­fall kom­men dort nicht vor. Die Geschich­te han­delt vom Gar­ten und davon, dass die Men­schen ein Gebot über­tre­ten. Weil die Frau als erste von der Frucht geges­sen hat – man sagt immer Apfel, aber es ist ein­fach von einer Frucht die Rede –, weil sie die erste war, die davon ass, hat man im Ver­lauf der Kir­chen­ge­schich­te begon­nen, die Frau als Ursa­che für die Sün­de zu betrach­ten. Damit ange­fan­gen hat Augu­sti­nus um 400 nach Chri­stus. Er wer­te­te die Frau stark ab mit der Begrün­dung, sie habe den Mann ver­führt. Der Mann habe nur gesün­digt aus Soli­da­ri­tät, weil er die Frau in ihrem Elend nicht allein las­sen woll­te.Wenn auch das Wort Sün­den­fall in der Erzäh­lung nicht vor­kommt: Es ist doch Eva, die sich von der Schlan­ge ver­füh­ren lässt. Das steht doch so in der Bibel. Es steht, dass die Schlan­ge die Frau getäuscht hat. Das heisst aber nicht, dass sie die grös­se­re Schuld hat. Der Mann stand ja neben ihr, und auch er ass. War­um sag­te er nichts, tat er nichts? Dass die Frau als erste genannt wird, hängt mit einem alt­ori­en­ta­li­schen Bild­mu­ster zusam­men; Baum, Schlan­ge und Frau sind dar­in mit­ein­an­der ver­bun­den.Aber die Bibel sagt doch, dass Gott zuerst den Adam erschuf und erst spä­ter die Eva. Dass die Frau­en den zwei­ten Platz ein­neh­men ist da doch grundgelegt? Nein. Gott hat zuerst den Men­schen geschaf­fen. Adam heisst Mensch. Erst durch die Schaf­fung der Frau wur­de aus dem Rest ein Mann. Adam ist kein Eigen­na­me. In der Geschich­te von der Sint­flut kommt zehn­mal Adam vor, immer ist die Mensch­heit ins­ge­samt gemeint.Wenn Sie sagen, dass in Adam Mann und Frau gemein­sam erschaf­fen wur­de, passt das auch bes­ser zum Schöp­fungs­be­richt, der der Erzäh­lung vom Para­dies­gar­ten vorausgeht… Die­ser Text ist spä­ter ent­stan­den, in der Zeit des Exils, da geht es um die Erschaf­fung der gan­zen Welt in sechs Tagen. Und dort ist auch von Adam die Rede: Gott erschuf Adam, den Men­schen, männ­lich und weib­lich erschuf er sie. Und dann sagt Gott zu Adam, sie sol­len herr­schen über die gan­ze Welt. Auch das geht an bei­de.Wie kam dann die Frau auf den zwei­ten Platz, hin­ter dem Mann? Inter­es­san­ter­wei­se gibt es im gan­zen Alten Testa­ment kei­ne Stel­le, die der Frau eine beson­de­re Schuld zu weist. Auch nicht bei den Pro­phe­ten, die doch viel über die Sün­de spre­chen. Das kommt erst in Tex­ten ab dem drit­ten vor­christ­li­chen Jahr­hun­dert, die nicht in die Bibel Ein­gang fan­den, den soge­nann­ten Apo­kry­phen. Da wird über das Leben von Adam und Eva nach dem Para­dies erzählt, und die Frau jam­mert: «War­um habe ich dich ver­führt?». In die­ser Zeit wur­den die Frau­en sehr ver­ach­tet, und zwar von Män­nern, die meist aske­tisch leb­ten. Da hat das ange­fan­gen.Der erste Timo­theus-Brief im Neu­en Testa­ment nimmt auch Bezug auf die Erschaf­fung von Adam und Eva und for­dert die Unter­ord­nung der Frau­en mit der Begrün­dung: «Denn Adam wur­de als erster gebil­det, dar­auf­hin Eva.» Die­ser Brief stammt nicht von Pau­lus, obwohl er das vor­gibt. Er wur­de um das Jahr 100, also 50 Jah­re spä­ter als die ech­ten Pau­lus­brie­fe, ver­fasst. Die­ser Text ent­stand auf dem Hin­ter­grund der Apo­kry­phen. Wäh­rend Pau­lus Lei­te­rin­nen von Haus­kir­chen kennt, Junia als Apo­ste­lin bezeich­net, Phö­be den Römer­brief nach Rom brin­gen lässt, heisst es hier plötz­lich: «Zu leh­ren erlau­be ich der Frau nicht.» Das ist eine der fol­gen­reich­sten Stel­len, die es über­haupt gibt. Pau­lus wür­de sich im Gra­be umdre­hen.Sie gehö­ren zu den ersten Frau­en, die an einer Uni­ver­si­tät eine Pro­fes­sur in katho­li­scher Theo­lo­gie erhiel­ten. Hat das mit die­sem «Lehr­ver­bot» zu tun? Frau­en durf­ten ja jahr­hun­der­te­lang über­haupt nicht an einer Uni­ver­si­tät stu­die­ren. Von der Grün­dung an bis vor gut 100 Jah­ren waren die Uni­ver­si­tä­ten rei­ne Män­ner­ge­sell­schaf­ten. Vor­her konn­ten zumin­dest Äbtis­sin­nen sich an theo­lo­gi­schen Aus­ein­an­der­set­zun­gen betei­li­gen, etwa Hil­de­gard von Bin­gen.Sie haben in Ihr Buch vie­le Abbil­dun­gen des Sün­den­falls auf­ge­nom­men. Warum? Zum einen ist da gut zu sehen, wie mit der Zeit, vor allem ab dem 13. Jahr­hun­dert, die Abwer­tung Evas und damit der Frau­en immer dra­sti­scher wird. Und gleich­zei­tig wird die Schlan­ge immer weib­li­cher dar­ge­stellt, erst mit einem Frau­en­kopf, dann mit Brü­sten. Und der Schlan­gen­kopf gleicht immer mehr der Eva, gleich­zei­tig wird aus der Schlan­ge der Teu­fel. Davon steht ja nichts in der Bibel. In Gene­sis 3,1 heisst es: «Die Schlan­ge war klü­ger als alle Geschöp­fe, die Jah­we-Gott gemacht hat­te.» Zum andern: Die Men­schen im Mit­tel­al­ter lasen ja nicht die Tex­te, sie sahen die Bil­der und Skulp­tu­ren. Und wenn dann ein Unglück geschah oder die Pest kam, such­te man nach Schul­di­gen. Die Frau­en dien­ten als Sün­den­bock.Heu­te sind wir klü­ger, kön­nen auch die Bibel mit andern Augen lesen. Hat sich die Wir­kung der frau­en­feind­li­chen Aus­le­gung von Gene­sis 1 bis 3 damit verflüchtigt? Noch lan­ge nicht. In der katho­li­schen Kir­che sind die Frau­en ja noch lan­ge nicht gleich­be­rech­tigt. Die Wir­kung hält bis heu­te an. Auch bei vie­len Frau­en, die ihr Schuld­be­wuss­st­sein ver­in­ner­licht haben.Alo­is Schul­er, kipa Hin­weis: Helen Schün­gel-Strau­mann. «Eva. Die erste Frau der Bibel – Ursa­che allen Übels?» Ver­lag Fer­di­nand Schö­ningh, Pader­born 2014.
Redaktion Lichtblick
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