«Es wird auch Ent­täusch­te geben»

Nicht alle Schwei­zer Katho­li­ken wer­den mit dem Ergeb­nis der Fami­li­en­syn­ode zufrie­den sein. Die­se Ein­schät­zung äus­ser­te der Schwei­zer Ver­tre­ter des am Sonn­tag im Vati­kan zu Ende gehen­den Bischofs­tref­fens im Inter­view mit kath.ch. Den­noch erhofft er sich für die Schwei­zer Kir­che eine «neue christ­li­che Dynamik».Herr Bischof Lovey, was neh­men Sie aus Schwei­zer Sicht mit von der Synode?  Jean-Marie Lovey: Ich hof­fe sehr, dass die Erfah­rung der Syn­ode der Schweiz einen Geist der Hoff­nung und der christ­li­chen Dyna­mik brin­gen wird. Ob, wie und wann ein Text ver­öf­fent­licht wird, wis­sen wir nicht, das wird der Papst ent­schei­den. Aber ich hof­fe, dass es einem sol­chen Text gelingt, eine neue Dyna­mik zu brin­gen und Hoff­nung wie­der­zu­ge­ben. Denn es gibt vie­le Wege der Ermu­ti­gung für Men­schen, die in allen mög­li­chen Situa­tio­nen leben, ange­fan­gen bei den Fami­li­en, die glück­lich ihr christ­li­ches Enga­ge­ment und ihre fami­liä­ren Wirk­lich­kei­ten leben.Wird es für die Schwei­zer Katho­li­ken kon­kre­te Ände­run­gen geben? Ich weiss nicht, ob es das erste Ziel der Syn­ode ist, dass sich Sachen ver­än­dern und dass sie sich sofort ver­än­dern. Das Ziel der Syn­ode ist es, eine Hil­fe für den Hei­li­gen Vater zu erar­bei­ten für Richt­li­ni­en, die er anschlies­send geben will. Dane­ben gibt es die pasto­ra­le Sor­ge eines jeden von uns und den Ver­such, mit dem Evan­ge­li­um die Men­schen dort zu errei­chen, wo sie sich befin­den. Die­se Bewusst­wer­dung und die­ser pasto­ra­le Elan kann und muss etwas ändern in der Art, das Evan­ge­li­um zu emp­fan­gen und zu leben.Es zeich­nen sich für die Orts­kir­chen gewis­se Spiel­räu­me etwa in der Beglei­tung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner ab. Wie weit wird die Schwei­zer Kir­che gehen in die­ser Begleitung? Die Beglei­tung besteht zu aller­erst dar­in, die Rea­li­tät der Men­schen zu erfas­sen und zu ver­su­chen, das Evan­ge­li­um und das Leben der Kir­che zu erklä­ren. Die kon­kre­ten Fra­gen der Gesten, Hal­tun­gen und Mög­lich­kei­ten kann man nicht im Vor­aus fest­le­gen. Der Papst hat uns bezüg­lich des syn­oda­len Pro­zes­ses dar­an erin­nert, dass wir zuhö­ren müs­sen: dem ande­ren, der Rea­li­tät und dem hei­li­gen Geist, und das lässt sich nicht im Vor­aus prä­zi­sie­ren. Was die Beglei­tung wie­der­ver­hei­ra­te­ter geschie­de­ner Paa­re angeht, weiss ich nicht, wohin die­se füh­ren wird, aber ich bin bereit, sie soweit zu beglei­ten, wie es mög­lich ist.Wird es – nach den drei Wochen Syn­oden­er­fah­rung  — kon­kre­te Ände­run­gen in der Pasto­ral in Ihrem Bis­tum geben? Man darf kei­ne Ände­run­gen am Beginn der vier­ten Woche erwar­ten. Aber das The­ma, über das wir sehr viel gespro­chen haben, die Beglei­tung und die Vor­be­rei­tung von Paa­ren für die Ehe, hat mich sehr beschäf­tigt. Man müss­te die drei Stu­fen der Vor­be­rei­tung umset­zen. Wir haben die ent­fern­te Vor­be­rei­tung, die dar­in besteht, vom Jugend­al­ter an für die Wirk­lich­kei­ten des Lebens, der Lie­be und der Ehe zu sen­si­bi­li­sie­ren. Eine nähe­re Vor­be­rei­tung muss als eine Art unmit­tel­ba­re Kate­che­se den Ver­lob­ten gel­ten und schliess­lich eine Vor­be­rei­tung im Blick auf die Fei­er der Ehe­schlies­sung. Heu­te gilt unse­re Auf­merk­sam­keit vor allem die­ser letz­ten Pha­se und nicht aus­rei­chend den bei­den ande­ren, hier­in liegt eine Her­aus­for­de­rung. Und natür­lich müs­sen wir Paa­re beson­ders in den ersten Jah­ren nach der Ehe­schlies­sung beglei­ten.Haben Sie kei­ne Angst vor der Ent­täu­schun­gen, die Ihnen bei der Rück­kehr in Schweiz begeg­nen wer­den? Es gab immer­hin hohe Erwartungen. Es gab hohe Erwar­tun­gen im Vor­feld, ins­be­son­de­re in Berei­chen wie der Kom­mu­ni­on­zu­las­sung wie­der­ver­hei­ra­te­ter Geschie­de­ner, als wenn die Syn­ode sagen wür­de, alle Pro­ble­me sind gelöst. Die­se Erwar­tung gab es, eben­so wie Erwar­tun­gen in Bezug auf den Platz von Homo­se­xu­el­len, homo­se­xu­el­len Paa­ren. Dass die Erwar­tun­gen aus­ge­spro­chen wur­den, ist eine gute Sache. Sie zeigt das Inter­es­se an der The­ma­tik. Es gab aber viel­leicht Miss­ver­ständ­nis­se über die Auto­ri­tät der Syn­ode. Die Syn­ode hat kei­ne Ent­schei­dungs­kom­pe­tenz. Sie ist ein Kon­sul­ta­ti­ons­or­gan für den Papst. Der Papst hat uns um Refle­xi­on gebe­ten. Es ist aus­ser­or­dent­lich, dass die Kir­che sich für ein so wich­ti­ges The­ma wie die Fami­lie eine so lan­ge Zeit nimmt, näm­lich zwei Jah­re. Nicht nur die Bischö­fe, son­dern die Uni­ver­sal­kir­che wur­de kon­sul­tiert. Es han­delt sich um eine wich­ti­ge Sache, um zu erfah­ren, wo die Bedürf­nis­se der Men­schen sind. Aber es wird Men­schen geben, die ent­täuscht sein wer­den, die sich von der Syn­ode sehr prä­zi­se Richt­li­ni­en erwar­tet hat­ten, aber das ist nicht die Rol­le der Synode.
Anne Burgmer
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