Es wer­de in uns ein Licht

Es wer­de in uns ein Licht

Lukas 2,27–32Er wur­de vom Geist in den Tem­pel geführt; und als die Eltern das Kind Jesus her­ein­brach­ten, um mit ihm zu tun, was nach dem Gesetz üblich war, nahm Sime­on das Kind in sei­ne Arme und pries Gott mit den Wor­ten: Nun lässt du, Herr, dei­nen Knecht, wie du ­gesagt hast, in Frie­den schei­den. Denn mei­ne Augen haben das Heil gese­hen, das du vor ­allen Völ­kern berei­tet hast, ein Licht, das die Hei­den erleuch­tet, und Herr­lich­keit für dein Volk Israel. Ein­heits­über­set­zung 2016 

Es wer­de in uns ein Licht

Woche für Woche darf ich im Gefäng­nis in eine der Zel­len ein­tre­ten. Kürz­lich erleb­te ich es so: Der Insas­se begrüss­te mich und wand­te sich an sei­nen Kol­le­gen: «Darf ich vor­stel­len, das ist mei­ne gros­se Schwe­ster. Ich habe schon lan­ge kei­nen Kon­takt mehr zur Fami­lie. Jetzt sind wir eine Fami­lie.» Der jun­ge Mann stell­te sich vor. Er trägt den Namen eines alt­te­sta­ment­li­chen Pro­phe­ten. Mir wur­de der Platz auf dem run­den, grau­en Holz­hocker ange­bo­ten. Im Gespräch kamen wir auf eine rus­si­sche Stadt zu spre­chen – ich war schon mal dort, der jun­ge Mann hat­te dort stu­diert. Ich erzähl­te von mei­ner Rei­se: Unse­re Grup­pe war ein­ge­la­den. Was wur­de uns ange­bo­ten: ein Berg von Fischen und natür­lich Wod­ka! Das Mine­ral­was­ser ver­miss­te ich, also trank ich Wod­ka, mit der ent­spre­chen­den Wir­kung. Die bei­den Insas­sen muss­ten laut lachen. Ein schal­len­des Geläch­ter in dunk­ler Zeit. Wir bete­ten einen Psalm. – Die Umstän­de waren trau­rig, aber da war ein Licht, obwohl kei­ne ein­zi­ge Ker­ze brann­te. Es war eine klei­ne Fami­lie, eine ganz und gar nicht hei­li­ge Fami­lie. Mit­ten­drin war etwas wie ein Feu­er, und wir sas­sen drum her­um.Sze­nen­wech­sel: In der Weih­nachts­aus­stel­lung im Lan­des­mu­se­um bin ich die­ser Tage von Krip­pe zu Krip­pe gegan­gen. Auch da war immer die­ses Licht der Hei­li­gen Fami­lie in der Mit­te, um das sich Tie­re, Hir­ten und Hir­tin­nen und Köni­ge ver­sam­mel­ten. Aber war die­se Fami­lie wirk­lich heil?Was die Bibel schil­dert, ist nicht idyl­lisch. In der Erzäh­lung über die Geburt in Armut erfah­ren wir von einer bedroh­ten Fami­lie, die vor staat­li­cher Gewalt und Repres­si­on in die Frem­de flieht. Auf Wei­sung eines Engels flie­hen Maria, Josef und das Kind nach Ägyp­ten und keh­ren spä­ter zurück nach Naza­reth. Wun­der­ba­res wird über sie aus­ge­sagt, das aus dem Mund von alten Men­schen wie Han­na und Sime­on kam: Dass Jesus Licht ist und Herr­lich­keit für das Volk Isra­el (Lukas 2,30–32).Für Jesus war die Fami­lie kei­ne hei­le Welt – wie für vie­le heu­te auch nicht. Er hat­te spä­ter ein befremd­lich distan­zier­tes Ver­hält­nis zu sei­ner Fami­lie, was für einen Juden nicht üblich war. Er liess sei­ne Fami­lie ein­mal draus­sen ste­hen und sag­te: «Wer den Wil­len Got­tes tut, der ist für mich Bru­der und Schwe­ster und Mut­ter» (Mar­kus 3,35). Mit Jesus ent­steht eine neue, grös­se­re Fami­lie, die Got­tes­fa­mi­lie.Es ist wun­der­bar, wenn Kin­der in den Fami­li­en einen Ort der Gebor­gen­heit und Lebens­ent­fal­tung fin­den. Glück­lich sind sie und geseg­net ihre Eltern! Sehr vie­le Men­schen jedoch erle­ben das Gegen­teil. Die Fami­li­en geben Dunk­les und Hel­les auf den Weg. Mit die­sem fer­tig zu wer­den, kann ein Leben lang dau­ern.Zurück zur Gefäng­nis­zel­le: Da war ein Licht, obwohl kei­ne Ker­ze brann­te. Es war eine klei­ne Fami­lie, eine ganz und gar nicht hei­li­ge Fami­lie. Mit­ten­drin war etwas wie ein Feu­er, und wir sas­sen drum her­um.Es wer­de an Weih­nach­ten in uns ein Licht, das die See­le in einer viel­leicht schwie­ri­gen Gemein­schaft oder den Stun­den des Allein­seins auf­hellt und wärmt. Es möge in der Situa­ti­on der Pan­de­mie auf­leuch­ten. Mög­li­cher­wei­se ist die Trau­er um einen an der Krank­heit Ver­stor­be­nen im Vor­der­grund. In der Mensch­heits­fa­mi­lie wer­den wir «Bru­der und Schwe­ster und Mut­ter», die sich um das Jetzt und die Zukunft küm­mern, weil wir den gelieb­ten Bru­der und Freund, Jesus, unter uns haben.Anna-Marie Fürst, Theo­lo­gin, arbei­tet in der Gefäng­nis­seel­sor­ge Basel-Stadt 
Redaktion Lichtblick
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