«Es lässt sich nicht alles mit GesetÂzen regeln»
HilfsÂwerÂke und NGOs wolÂlen KonÂzerÂne mit der KonÂzernÂverÂantÂworÂtungsÂinÂitiaÂtiÂve zu mehr VerÂantÂworÂtung verÂpflichÂten. Das kathoÂliÂsche HilfsÂwerk FastenÂopÂfer samÂmelÂte UnterÂschrifÂten für das VolksÂbeÂgehÂren, die WirtÂschaft wehrt sich gegen neue GesetÂze und an der KirÂchenÂbaÂsis ist das AnlieÂgen nicht unumÂstritÂten, wie eine AbkläÂrung von HoriÂzonÂte ergab. AntoÂnio HautÂle kennt beiÂde SeiÂten: Der langÂjähÂriÂge FastenÂopÂfer-DirekÂtor leiÂtet heuÂte das GloÂbal ComÂpact NetzÂwerk Schweiz – und glaubt nicht, dass die KonÂzernÂverÂantÂworÂtungsÂinÂitiaÂtiÂve der richÂtiÂge Weg ist.Herr HautÂle, Sie waren früÂher wirtÂschaftsÂkriÂtiÂscher HilfsÂwerks-DirekÂtor, heuÂte zahÂlen UnterÂnehÂmen ihren Lohn. Wie kam es zu dieÂsem SeiÂtenÂwechÂsel?
AntoÂnio HautÂle: Ich sehe das nicht als SeiÂtenÂwechÂsel. Ich habe mich schon wähÂrend des TheoÂloÂgie-StuÂdiÂums mit UnterÂnehÂmensÂethik ausÂeinÂanÂderÂgeÂsetzt, als das unter ÖkoÂnoÂmen noch beläÂchelt wurÂde. HeuÂte sieht das anders aus: FraÂgen der soziaÂlen VerÂantÂworÂtung und der NachÂhalÂtigÂkeit stosÂsen ins ZenÂtrum der UnterÂnehÂmen vor – endÂlich, muss man sagen. Das GloÂbal ComÂpact NetzÂwerk Schweiz berät und verÂnetzt FirÂmen, die sich auf freiÂwilÂliÂger Basis dazu verÂpflichÂtet haben, die UN GloÂbal ComÂpact PrinÂziÂpiÂen zu erfülÂlen (sieÂhe unten). Ich leiÂste hier eine Art EntÂwickÂlungsÂhilÂfe, die oft effiÂziÂenÂter ist als der Kampf für besÂseÂre GesetÂze, die an den LanÂdesÂgrenÂzen aufÂhöÂren.
Ein Label für faiÂres WirtÂschafÂten – aber ohne unabÂhänÂgiÂge KonÂtrolÂle?
Ja, das kann man so sagen. Wer bei uns MitÂglied sein möchÂte, muss sich mit einem Brief an UN-GeneÂralÂseÂkreÂtär Ban Ki-Moon zu den zehn UN GloÂbal ComÂpact-PrinÂziÂpiÂen bekenÂnen und jährÂlich über die gemachÂten FortÂschritÂte berichÂten. Die FirÂmen erhalÂten dann die AusÂzeichÂnunÂgen «BegÂinÂners», «AdvanÂced» oder «Lead ComÂpaÂnies». Zu letzÂteÂren zählt etwa NestÂlé. Die FreiÂwilÂligÂkeit des UN GloÂbal ComÂpact ist eine StärÂke und eine SchwäÂche zugleich: Zum einen belohÂnen wir die WilÂliÂgen, die, wie wir, der ÜberÂzeuÂgung sind, dass sich ethiÂsches GeschäfÂten ausÂzahlt. AndÂrerÂseits haben wir keiÂne SankÂtiÂonsÂmögÂlichÂkeiÂten. Es wird aber disÂkuÂtiert, das Label wieÂder abzuÂerÂkenÂnen, wie es letzÂtes Jahr beim SkanÂdal bei VolksÂwaÂgen gescheÂhen ist.
UnterÂnehÂmen haben bei HilfsÂwerÂken keiÂnen guten Ruf, was die EinÂhalÂtung von Umwelt- und MenÂschenÂrechÂten angeht. Zu Unrecht?
Es bleibt sicher sehr viel zu tun, insÂbeÂsonÂdeÂre im RohÂstoffÂsekÂtor, der noch sehr intransÂpaÂrent ist. Es gibt ProÂblemÂfelÂder wie die KorÂrupÂtiÂon, die noch wenig angeÂganÂgen wurÂden. Doch es ist viel pasÂsiert in den letzÂten 15 JahÂren – bei ungeÂmein komÂpleÂxen ProÂbleÂmen: NestÂlé zum BeiÂspiel hat über 100 000 ZulieÂferÂfirÂmen, die ihrerÂseits wieÂder ZulieÂfeÂrer haben. Es ist eine grosÂse HerÂausÂforÂdeÂrung dieÂse ganÂze LieÂferÂketÂte darÂauf zu konÂtrolÂlieÂren, dass ProÂdukÂte nachÂhalÂtig und lückenÂlos nach MenÂschenÂrechtsÂstanÂdards herÂgeÂstellt wurÂden. GeraÂde den GrossÂunÂterÂnehÂmen gebührt AnerÂkenÂnung für ihre BemüÂhunÂgen. WeniÂger fortÂgeÂschritÂten ist die SituaÂtiÂon in den KMU, denen das BewusstÂsein für interÂnaÂtioÂnaÂle ZusamÂmenÂhänÂge der UnterÂnehÂmensÂverÂantÂworÂtung oft fehlt, die aber dafür weniÂger in der KriÂtik steÂhen.
HilfsÂwerÂke wie FastenÂopÂfer glauÂben nicht, dass die SelbstÂreÂguÂlieÂrung der UnterÂnehÂmen ausÂreicht. Sie setÂzen sie mit GesetÂzesÂvorÂlaÂgen und KamÂpaÂgnen unter Druck. Ist das der falÂsche Weg?
Es braucht dieÂsen Druck, es braucht auch eine kriÂtiÂsche ÖffentÂlichÂkeit, sicher. Es ist aber nicht unser Weg, wir setÂzen auf KoopeÂraÂtiÂon. In RichÂtung der HilfsÂwerÂke sage ich aber auch klar: Es lässt sich nicht alles mit GesetÂzen regeln. Die UnterÂnehÂmen kämpÂfen jetzt schon mit einem kaum überÂblickÂbaÂren GesetÂzesÂdschunÂgel, der wirtÂschaftÂliÂche AktiÂviÂtäÂten zu ersticken droht. Da stauÂne ich manchÂmal schon auch etwas über die NaiÂviÂtät gewisÂser HilfsÂwerksÂverÂtreÂter. Wenn ein GrossÂunÂterÂnehÂmen seiÂne ganÂze LieÂferÂketÂte durchÂleuchÂten muss, stösst es an GrenÂzen.
Die KonÂzernÂverÂantÂworÂtungs-InitiaÂtiÂve («Kovi») setzt die UnterÂnehÂmen nun mit einer GesetÂzesÂvorÂlaÂge unter Druck. LasÂsen Sie mich raten: Als GloÂbal ComÂpact-VerÂtreÂter müsÂsen Sie dageÂgen sein, als PriÂvatÂperÂson wären Sie dafür?
Beim GrundÂanÂlieÂgen, dass die UnterÂnehÂmen ethiÂsche soziaÂle und ökoÂloÂgiÂsche MinÂdestÂstanÂdards einÂhalÂten, sind wir uns einig. Die FraÂge ist, wie man dieÂses Ziel erreicht. Wir setÂzen auf den DiaÂlog, auf EinÂsicht und FreiÂwilÂligÂkeit. Zur «Kovi» selÂber nimmt GloÂbal ComÂpact nicht StelÂlung, das ist nicht unseÂre AufÂgaÂbe und wäre auch konÂtraÂproÂdukÂtiv, weil es den DiaÂlog mit den UnterÂnehÂmen erschwert.
Aber als FastenÂopÂfer-DirekÂtor hätÂten sie die «Kovi» mitÂgeÂtraÂgen?
Ich habe vieÂle FraÂgeÂzeiÂchen, zum BeiÂspiel bei der UmkehÂrung der BeweisÂlast, die unseÂrer RechtsÂtraÂdiÂtiÂon völÂlig widerÂspricht. Die MissÂbrauchsÂgeÂfahr ist sehr gross, wenn UnterÂnehÂmen bei VorÂwürÂfen ihre Unschuld beleÂgen müsÂsen statt umgeÂkehrt. Ich zweifÂle, ob das ein guter Weg ist. Sicher wird die WirtÂschaft geschlosÂsen gegen die «Kovi» sein.
Selbst das ansonÂsten stramm wirtÂschaftsÂfreundÂliÂche ParÂlaÂment liebÂäuÂgelt aber mit mehr ReguÂlieÂrunÂgen: Der VorÂläuÂfer der «Kovi», die PetiÂtiÂon «Recht ohne GrenÂzen», wurÂde vor JahÂresÂfrist im ParÂlaÂment nur ganz knapp abgeÂlehnt, nach masÂsiÂvem LobÂbyÂing der WirtÂschaft.
Da wurÂde seiÂtens der WirtÂschaft vielÂleicht tatÂsächÂlich eine ChanÂce verÂpasst. Die PetiÂtiÂon war weniÂger streng forÂmuÂliert, sie hätÂte den DiaÂlog förÂdern könÂnen. Die AblehÂnung war für die HilfsÂwerÂke ein willÂkomÂmeÂnes ArguÂment für die «Kovi». Dadurch haben wir jetzt teilÂweiÂse eine PolaÂriÂsieÂrung zwiÂschen der WirtÂschaft und den HilfsÂwerÂken.
UN GloÂbal ComÂpact PrinÂziÂpiÂen
Am WeltÂwirtÂschaftsÂfoÂrum von Davos 1999 forÂderÂte der damaÂliÂge UNO-GeneÂralÂseÂkreÂtär Kofi Annan die WirtÂschaft erstÂmals auf, mehr gesellÂschaftÂliÂche VerÂantÂworÂtung zu überÂnehÂmen. UnterÂnehÂmen könÂnen seitÂher mit der UNO einen Pakt schliesÂsen («GloÂbal ComÂpact»), in dem sie sich zur EinÂhalÂtung menÂschenÂrechtÂliÂcher, soziaÂler und ökoÂloÂgiÂscher StanÂdards verÂpflichÂteÂten. Die zehn UN GloÂbal ComÂpact-PrinÂziÂpiÂen forÂdern unter andeÂrem:
— ÜberÂprüÂfung der EinÂhalÂtung der MenÂschenÂrechÂte
— die BeseiÂtiÂgung von KinÂder- und ZwangsÂarÂbeit
— einen vorÂsorÂgenÂden EinÂsatz gegen UmweltÂproÂbleÂme
— den EinÂsatz gegen KorÂrupÂtiÂon
HeuÂte haben sich rund 12 000 UnterÂnehÂmen in 170 LänÂdern dem UN GloÂbal ComÂpact angeÂschlosÂsen. Das natioÂnaÂle PenÂdant der interÂnaÂtioÂnaÂlen InitiaÂtiÂve heisst GloÂbal ComÂpact NetzÂwerk Schweiz. Rund 60 SchweiÂzer FirÂmen gehöÂren ihm an, darÂunÂter GrossÂkonÂzerÂne wie NestÂlé, KuoÂni oder ABB – TenÂdenz steigend.