Es geht um den Wein, nicht um die Flasche

Es geht um den Wein, nicht um die Flasche

Korin­ther 4,5–7Wir ver­kün­den … nicht uns selbst, son­dern Jesus Chri­stus als den Herrn, uns aber als ­eure Knech­te um Jesu wil­len. Denn Gott, der sprach: Aus Fin­ster­nis soll Licht auf­leuch­ten!, er ist in unse­ren Her­zen auf­ge­leuch­tet, damit auf­strahlt die Erkennt­nis des gött­li­chen Glan­zes auf dem Ant­litz Chri­sti. Die­sen Schatz tra­gen wir in zer­brech­li­chen Gefäs­sen; so wird deut­lich, dass das Über­mass der Kraft von Gott und nicht von uns kommt.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Es geht um den Wein, nicht um die Flasche

Manch­mal ist es fast nicht zu ertra­gen, wie sehr zer­brech­lich und irdisch das Gefäss ist, in dem die Kir­che den Schatz des Glau­bens zu bewah­ren ver­sucht. Und doch ist das Gefäss not­wen­dig, wenn über­haupt ein Schatz an ande­re Gene­ra­tio­nen wei­ter­ge­ge­ben wer­den soll. Klar soll­te man mei­nen, das Gefäss soll­te so glaub­wür­dig sein wie sein Inhalt. Aber das ist natür­lich eine Illu­si­on. Das Gefäss ist und bleibt ein Hilfs­mit­tel, nicht mehr. Die Kir­che ist ein Hilfs­mit­tel, um den Schatz des Glau­bens zu ver­mit­teln. Ob es dazu taugt, muss immer wie­der über­prüft wer­den.Da gibt es Men­schen, die glau­ben, sie könn­ten auf so zer­brech­li­che, sagen wir ruhig sün­di­ge Struk­tu­ren wie eine Kir­che ver­zich­ten. Sie mei­nen, man kön­ne auf Ämter und For­men ver­zich­ten und den Glau­ben ganz pri­vat im Käm­mer­lein des Her­zens und Gewis­sens leben. Wie sehr täu­schen sie sich, wenn sie die eige­ne See­le für weni­ger zer­brech­lich, ver­führ­bar und fehl­bar hal­ten.Kommt hin­zu, dass die Wei­ter­ga­be des Glau­bens nicht funk­tio­niert ohne Fei­er und Kate­che­se, und dass die Wirk­sam­keit des Glau­bens in der Welt sich nicht ent­fal­tet ohne poli­ti­sche Ein­fluss­nah­me, und dass ein Zusam­men­halt der Glau­ben­den nicht funk­tio­niert ohne eine sozia­le Struk­tur. All das gehört zum zer­brech­li­chen Gefäss Kir­che.Den­noch ist es fast nicht zu ertra­gen, wenn sich die­ses Gefäss eben nicht als die­nen­des Instru­ment dar­stellt, son­dern sich selbst mehr in den Mit­tel­punkt stellt als den Schatz, den es hütet. Nein, wir die­nen nicht einer hei­li­gen Kir­che, son­dern wir sind Die­ner des Evan­ge­li­ums und des Glau­bens der Men­schen. Die Kir­che hat immer die Ten­denz, die­sen Schatz auch in der Form ihrer Selbst­dar­stel­lung sicht­bar machen zu wol­len. Das führt(e) dann zu einer Pracht, die uns ver­ges­sen machen soll, dass die Kir­che irdisch, sün­dig und zer­brech­lich ist. Hin­ter jeder Hei­li­gen­fi­gur ver­birgt sich nichts als Stein oder Gips, unter strah­len­dem Gold ist brenn­ba­res Holz.Nein, ich bin kein Kul­tur- und Kunst­ver­äch­ter, ganz im Gegen­teil. Und ich fin­de nicht, dass der Glau­bens­schatz bes­ser gehü­tet wird, wenn die Mit­tel dazu feh­len. Aber manch­mal kommt es mir so vor, als ob über die Fla­sche und das Eti­kett mehr dis­ku­tiert wür­de als über den Wein, der dar­in auf­be­wahrt und dar­aus aus­ge­schenkt wird. Die gegen­wär­ti­ge hef­ti­ge Ableh­nung der sün­di­gen Mensch­lich­keit der Kir­chen­menschen erstaunt mich doch sehr. Bes­se­re Men­schen ohne Fehl und Tadel wären wün­schens­wert, aber sie blei­ben stets zer­brech­li­che Wesen.Dabei ist die Not­wen­dig­keit der Erneue­rung der Glaub­wür­dig­keit, der Selbst­be­sin­nung auf den Auf­trag und der Ver­fol­gung von Ver­feh­lun­gen unbe­strit­ten. Mehr aber erstaunt mich, dass es bis heu­te gelun­gen ist, den Glau­ben über die Jahr­hun­der­te zu bewah­ren und sei­ne Quel­len immer wie­der neu zu erschlies­sen. Dabei waren die Zustän­de in der Kir­che durch­aus schon schlim­mer als heu­te, auch wenn ich sie heu­te für eher schlimm hal­te.Den Schatz unse­rer Reli­gi­on zum Leuch­ten zu brin­gen, nicht durch ver­gol­de­te Altä­re und idea­li­sier­te Amts­trä­ger, das wäre wohl unse­re Auf­ga­be, und nicht beim Lamen­to über den Zustand des zer­brech­li­chen Gefäs­ses ste­hen zu blei­ben. Isi­dor von Sevil­la und Pau­lus mögen uns dar­an erin­nern.Lud­wig Hes­se, Theo­lo­ge, Autor und Teil­zeit­schrei­ner, war bis zu sei­ner Pen­sio­nie­rung Spi­tal­seel­sor­ger im Kan­ton Baselland 
Redaktion Lichtblick
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