Erhal­te die Schöp­fung – dann erhält sie dich

Erhal­te die Schöp­fung – dann erhält sie dich

Römer­brief 8,22–23 Denn wir wis­sen, dass die gesam­te Schöp­fung bis zum heu­ti­gen Tag seufzt und in Geburts­we­hen liegt. Aber nicht nur das, son­dern auch wir, obwohl wir als Erst­lings­ga­be den Geist haben, auch wir seuf­zen in unse­rem Her­zen und war­ten dar­auf, dass wir mit der Erlö­sung unse­res Lei­bes als Söh­ne (und Töch­ter) offen­bar werden.Ein­heits­über­set­zung 2016 

Erhal­te die Schöp­fung – dann erhält sie dich

Über das Leben und Wir­ken des hei­li­gen Ägi­di­us gibt es vie­le ver­schie­de­ne Legen­den. Eine davon erzählt, er habe eine ver­wun­de­te Hirsch­kuh, auf die ein Jäger einen Pfeil geschos­sen hat­te, gesund gepflegt. Zum Dank dafür ernähr­te sie ihn mit ihrer Milch. Auf den ersten Blick ein­fach eine alte, from­me Legen­de. Und doch liegt ein über­ra­schen­der und hoch­ak­tu­el­ler Sinn in die­ser Geschich­te. Die Hirsch­kuh ist ein Geschöpf Got­tes. Sie könn­te hier stell­ver­tre­tend für die ver­wun­de­te Schöp­fung ste­hen. Schon Pau­lus schrieb an die Gemein­de von Rom: «Wir wis­sen, dass die gesam­te Schöp­fung bis zum heu­ti­gen Tag seufzt» (Röm 8,22).Und schon ste­hen wir mit­ten in einer The­ma­tik, die unse­re heu­ti­ge Gesell­schaft mehr denn je angeht: Wir sind täg­lich dabei, Got­tes Schöp­fung Wun­den zuzu­fü­gen. Ja, die­se Ver­wun­dung kommt nicht vom Schöp­fer – sie ist men­schen­ge­macht. Wir grei­fen in die Schöp­fung ein, gelei­tet von Nütz­lich­keits­über­le­gun­gen und Pro­fit­ge­dan­ken.Ist uns die Schöp­fung zu selbst­ver­ständ­lich gewor­den? Haben wir ver­lernt, sie mit der gebo­te­nen Ehr­furcht zu betrach­ten? Haben wir ver­ges­sen, dass auch der Mensch Geschöpf ist – trotz allem Erfin­der­geist und tech­ni­schem Kön­nen?Die ver­trock­ne­ten Wie­sen und Fluss­bet­ten, die brau­nen, dür­ren Kasta­ni­en­bäu­me am Weg­rand oder die aktu­el­len Krie­ge und mensch­li­chen Kata­stro­phen machen mich nach­denk­lich und trau­rig. Da wird so gut spür­bar, wie sehr die Schöp­fung «seufzt».Der Dich­ter und Schrift­stel­ler Rei­ner Kun­ze schreibt in einem sei­ner Gedich­te:Wir haben die Erde gekränkt. Sie nimmt ihre Wun­der zurück. Wir, der Wun­der eines. Papst Fran­zis­kus macht uns in der Enzy­kli­ka «Lau­da­to si’» Hoff­nung, dass es gelin­gen kann, mit christ­li­cher Spi­ri­tua­li­tät und einem ande­ren Ver­ständ­nis von Lebens­qua­li­tät einen Bei­trag zu lei­sten, dem gemein­sa­men Haus, unse­rer Erde, eine Zukunft zu geben. Dabei spricht er von Genüg­sam­keit statt unge­zü­gel­tem Kon­sum, von Demut statt Mass­lo­sig­keit, von Frie­de, der mehr ist als das Nicht­vor­han­den­sein von Krieg. Es sind Begrif­fe, die hel­fen kön­nen, kon­kre­te Schrit­te zu unter­neh­men.Wenn wir uns der Schöp­fung gegen­über eine dank­ba­re, demü­ti­ge, stau­nen­de und ehr­furchts­vol­le Hal­tung bewah­ren, dann wer­den wir rea­li­sie­ren, dass sie ein Segen für uns ist – ein gros­ses Geschenk, das in unse­re Hän­de gelegt wur­de.Da bekommt die alte Geschich­te der ver­wun­de­ten Hirsch­kuh des hei­li­gen Ägi­di­us eine über­ra­schen­de Aktua­li­tät. Er pfleg­te sie gesund, und sie ernähr­te ihn mit ihrer Milch. Viel­leicht könn­te man die Bot­schaft die­ser Legen­de auch fol­gen­der­mas­sen über­set­zen oder zusam­men­fas­sen: Erhal­te die Schöp­fung – dann erhält die Schöp­fung dich!Nadia Miri­am Kel­ler, Theo­lo­gin, arbei­tet als Spi­tal­seel­sor­ge­rin am St. Cla­ra­spi­tal in Basel     
Christian von Arx
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