Ergän­zungs­lei­stun­gen müs­sen Armut bekämpfen

Ergän­zungs­lei­stun­gen müs­sen Armut bekämpfen

Ergän­zungs­lei­stun­gen müs­sen Armut bekämpfen

Cari­tas Schweiz: EL-Reform ist im Natio­nal­rat vom Weg abgekommen

Die Reform der Ergän­zungs­lei­stun­gen (EL) zur AHV/IV ist im Fokus des eid­ge­nös­si­schen Par­la­ments. Zwi­schen den Räten bestehen gros­se Dif­fe­ren­zen. Der Natio­nal­rat hat die Vor­la­ge des Bun­des­rats zu einer Spar­ver­si­on zer­pflückt. Der Stän­de­rat hat jedoch Ende Mai nur in weni­gen Punk­ten eingelenkt.Mit der demo­gra­fi­schen Alte­rung sind auch die Kosten für die Ergän­zungs­lei­stun­gen (EL) jüngst ange­stie­gen. Eine Reform soll das EL-System sichern. Aus der Sicht der Cari­tas hat der Natio­nal­rat bei sei­ner Bera­tung in der Früh­lings­ses­si­on aus der Vor­la­ge des Bun­des­ra­tes ein Spar­pro­jekt gemacht. Der Stän­de­rat ist bei sei­ner zwei­ten Bera­tung des Geschäfts der gros­sen Kam­mer nur in weni­gen Punk­ten gefolgt. Die klei­ne Kam­mer hält ins­be­son­de­re an einer sub­stan­zi­el­len Erhö­hung der Höchst­be­trä­ge für Mie­ten fest und belässt den Lebens­be­darf für Kin­der auf der bis­he­ri­gen Höhe. Defi­ni­tiv beschlos­sen ist noch nichts. Das Geschäft geht nun wie­der zurück an den Natio­nal­rat.

Unver­zicht­ba­rer Bestandteil

Seit ihrer Ein­füh­rung 1966 sind die EL unver­zicht­ba­rer Bestand­teil des schwei­ze­ri­schen Systems der sozia­len Sicher­heit. Wenn die Ren­ten aus AHV, Pen­si­ons­kas­se und pri­va­tem Spa­ren nicht aus­rei­chen, um die Exi­stenz zu sichern, sieht die Bun­des­ver­fas­sung EL vor. Die­se berech­nen sich aus den Miet­ko­sten, den Kran­ken­kas­sen­prä­mi­en und einem Betrag zur Deckung des Lebens­un­ter­halts, dem soge­nann­ten Grund­be­darf. Gut 200 000 Rent­ne­rin­nen und Rent­ner bezo­gen Ende 2016 EL zur AHV. Grund für tie­fe Ren­ten im Alter sind klei­ne Löh­ne wäh­rend der Erwerb­pha­se, also Arbeit im Tief­lohn­be­reich, Erwerbs­un­ter­brü­che, bei­spiels­wei­se um Kin­der zu betreu­en, oder Teil­zeit­ar­beit. Bei 113 000 Per­so­nen reich­te die IV nicht für ein exi­stenz­si­chern­des Ein­kom­men aus und sie bezo­gen des­halb eben­falls EL.

Aus Armutsper­spek­ti­ve inakzeptabel

Die Reform der EL war dazu gedacht, das EL-System an die gesell­schaft­li­chen Ver­än­de­run­gen anzu­pas­sen. Der Bun­des­rat beab­sich­tig­te die Ver­wen­dung von Eigen­mit­teln für die Alters­vor­sor­ge zu ver­bes­sern, Schwel­len­ef­fek­te abzu­bau­en und gleich­zei­tig die Lei­stun­gen zu erhal­ten. Mit den Ent­schei­den im Natio­nal­rat wur­den grund­le­gen­de Anlie­gen der Vor­la­ge jedoch radi­kal umge­krem­pelt. Min­de­stens zwei davon sind aus armuts­po­li­ti­scher Per­spek­ti­ve abso­lut inak­zep­ta­bel.

Unge­nü­gen­der Bei­trag an Miete

Bei über einem Drit­tel aller Rent­ne­rin­nen und Rent­ner mit EL lie­gen die rea­len Mie­ten seit län­ge­rer Zeit über den Bei­trä­gen, wel­che die EL an die Mie­ten bezahlt (soge­nann­te Miet­zins­ma­xi­ma). Wäh­rend die rea­len Mie­ten ins­be­son­de­re für gün­sti­ges Woh­nen im urba­nen Raum in den letz­ten Jah­ren ange­stie­gen sind, wur­den die Maxi­mal­bei­trä­ge an die Mie­ten seit 2001 nicht mehr der Teue­rung ange­passt. Die betrof­fe­nen Rent­ne­rin­nen und Rent­ner müs­sen also einen Teil ihrer Mie­te aus den Lebens­hal­tungs­ko­sten bezah­len. Die­ses Geld fehlt dann für eine gesun­de Ernäh­rung, das Zug­bil­lett zum Gross­kind oder das Zei­tungs­abon­ne­ment. Weil EL nicht ein­fach Not­si­tua­tio­nen über­brücken, son­dern das Ein­kom­men einer Rent­ne­rin bezie­hungs­wei­se eines Rent­ners bis zum Lebens­en­de bestim­men, wir­ken die­se Ein­schrän­kun­gen lang­fri­stig. Die sozia­le Teil­ha­be der Betrof­fe­nen ist gefähr­det.Für die Cari­tas ergibt sich dar­aus klar: Die Maxi­mal­bei­trä­ge an die Mie­ten sind zwin­gend nach oben anzu­pas­sen. Der Vor­schlag des Natio­nal­rats, den Kan­to­nen eine Mög­lich­keit zur Kür­zung um 10 Pro­zent ein­zu­räu­men, ist inak­zep­ta­bel. Je nach Regi­on wären die Bei­trä­ge an die Mie­ten nach die­ser Berech­nung sogar tie­fer als heu­te.

Lebens­be­darf für Kin­der gesenkt

Der Exi­stenz­si­che­rung von Fami­li­en und Kin­dern kommt eine beson­de­re Bedeu­tung zu. Kin­der, die in Armut auf­wach­sen, erle­ben mate­ri­el­le Benach­tei­li­gung, sozia­le Aus­gren­zung und haben schlech­te­re Bil­dungs­chan­cen. Frü­he För­de­rung – etwa ein Platz in einer Kin­der­ta­ges­stät­te – ist oft zu teu­er. Die schlech­te­ren Start­chan­cen kön­nen aber spä­ter nicht mehr wett­ge­macht wer­den. Die Kin­der blei­ben häu­fig bis ins Erwach­se­nen­al­ter arm. Nun hat der Natio­nal­rat in der Früh­lings­es­si­on eine Sen­kung des Lebens­un­ter­halts für Kin­der ent­schie­den, deren Eltern auf EL zur IV ange­wie­sen sind. Mit einer Sen­kung des Bei­trags an den Lebens­un­ter­halt für Kin­der unter elf Jah­ren von 840 auf 590 Fran­ken, wie sie der Natio­nal­rat vor­sieht, spitzt sich die Armuts­si­tua­ti­on der Kin­der aber mar­kant zu. Häu­fig blei­ben Eltern, die EL zur IV bezie­hen, lang­fri­stig auf die­se ange­wie­sen und haben auf­grund ihres Gesund­heits­zu­stan­des kei­ne Mög­lich­keit, ihr Ein­kom­men zu ver­bes­sern. Mit dem tie­fe­ren Bei­trag zum Lebens­un­ter­halt der Kin­der wer­den deren Mög­lich­kei­ten zur Teil­ha­be an der Gesell­schaft stark ein­ge­schränkt. Es fehlt das Geld für den Ver­eins­bei­trag im Fuss­ball­club eben­so wie für die Nach­hil­fe­stun­den.

EL sind Verfassungsauftrag

Die Exi­stenz­si­che­rung ist in der Ver­fas­sung ver­an­kert. Ergän­zungs­lei­stun­gen bewah­ren Men­schen mit gesund­heit­li­chen Ein­schrän­kun­gen oder Behin­de­rung und deren Kin­der sowie Rent­ne­rin­nen und Rent­ner, die mit­un­ter ein Leben lang gear­bei­tet haben, vor Armut.Bet­ti­na Fredrich, Lei­te­rin Fach­stel­le Sozialpolitik, Cari­tas Schweiz/kh
Redaktion Lichtblick
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